| Serie/Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Die Welt des 24. Jahrhunderts ist deutlich besser als unser zerrüttetes Jetzt. Schwerverbrechen sind kaum noch an der Tagesordnung, da inzwischen ein großer Teil der Gesellschaft aus Telepathen bestehen, die die gewalttätigen Gedanken, die einem Schwerverbrechen zugrunde liegen, kaum "überhören" könnten. Doch Ben Reich, Inhaber und alleiniger Geschäftsführer eines Wirtschaftsimperiums, plant genau dies. Sein größter Konkurrent überflügelt ihn, und so plant er, ihn zu ermorden. Doch wie soll dies gelingen in einer von Telepathen dominierten Welt? Von Grund auf plant er seine Tat, legt den Ort des Mordes bis ins letzte Detail fest und bringt einen hochtalentierten Telepathen dazu, mitzuspielen und ihm den Rücken zu decken. Um seine Gedanken vor einem zufälligen Scan zu schützen, prägt er sich einen Werbeslogan ein, der wie ein Ohrwurm seine Gedanken überlagert.
Tatsächlich gelingt Ben Reich das Schwerverbrechen und die Geschellschaft gerät in Aufregung. Seit vielen Jahrzehnten wurde kein Mord mehr begangen und keiner kann es sich erklären, wie das Vorhaben unentdeckt blieb. Während die meisten Menschen sich mit einer perversen Freude an dem Ereignis ergötzen, erhält Kommissar Lincoln Powell, selbst ein hochtalentierter Telepath, den Auftrag, das Verbrechen aufzuklären. Am Tatort erkennt der Telepath recht schnell, dass Ben Reich der Täter war, doch er kann ihm nichts beweisen, denn er hat in Ben Reich einen ebenbürtigen Gegner, der ihm immer einen Schritt voraus zu sein scheint. Zwischen Powell und Reich entbricht ein bedingungsloser Kampf. Sollte Ben Reich den Kampf verlieren, droht ihm die schwerste Strafe, die im 24. Jahrhundert verhängt werden kann: Demolition - die vollständige Auslöschung der Persönlichkeit.
Alfred Bester, der Name kommt einem bekannt vor. Hieß nicht der zwielichtige Chef des Psi Corps in der Fernsehserie Babylon 5 so? Nun, die Ähnlichkeit ist alles andere als ein Zufall. Die Telepathengesellschaft ähnelt sehr stark dem PSI Corps und Lincoln Powell zeigt sich in der Wahl seiner Mittel ebenso wenig zimperlich wie Alfred Bester in Babylon 5. Das Buch hat also J. Michael Strazcynski so sehr imponiert, dass er die Idee übernahm und in seiner Geschichte ausbaute. Was also zeichnet den Roman in diesem Maße aus, dass er nicht nur als Klassiker der SF gilt und überdies 1953 als erster Roman mit dem Hugo Gernsback Award, dem wichtigsten Literaturpreis der Science Fiction, ausgezeichnet wurde?
Zunächst wäre die gewaltige Grundstimmung zu erwähnen, die Alfred Bester mit seinen Worten erschafft. Die Auseinandersetzung zwischen den beiden Kontrahenten überlagert den ganzen Roman und durch einen eleganten Kniff setzt der Autor den Leser vor ein Dilemma: Man hat Verständnis für Ben Reich und sein Motiv. Die sehr auf den Protagonisten bezogenen Zeilen bewirken, dass man sich mit Reich identifiziert und den eher negativ gezeichneten Kontrahenten Powell als negative Figur wahrnimmt.
Alfred Besters Protagonisten sind Giganten, die ihre Konflikte ohne Rücksicht auf den Menschen umher austragen. In diesem Sinne gleichen sich beide wie Brüder. Der Autor ist offensichtlich von dieser Idee fasziniert, denn auch in seinem zweiten Roman Tiger, Tiger (alternativ: Der brennende Mann oder auch Die Rache des Kosmonauten) läßt er seinen Protagonisten Gully Foyle gleich dem Grafen von Monte Christo einen Rachefeldzug starten, in dem dieser stets die Oberhand behält. Der Verdacht liegt nahe, dass Alexandre Dumas Klassiker den Autoren nachhaltig beeinflusst hatte, denn so muss man sich Besters Protagonisten vorstellen.
Doch auch in anderer Hinsicht ist der Roman bemerkenswert: Um den Gedankenaustausch der Telepathen glaubhaft darzustellen, bediente sich Alfred Bester einer sehr innovativen Methode. So findet man z. B. eine Unterhaltung während einer Party, die aus sich kreuzenden Wortketten besteht und die ein Geflecht von telepathischen Gedankenimpulsen mehrerer Personen abbildet. Es beschrieb sogar Rätsel, die sich Telepathen gegenseitig stellten und die dem Leser natürlich unverständlich sind. Diese Details zeigen, wieviel Augenmerk der Autor auf die Details legte und wie dicht der Roman geschrieben wurde.
Obwohl das Werk aus heutiger Sicht einen eher geringen Umfang hat, erzählt Alfred Bester mehr als so mancher Autor von heute auf 600 Seiten. Die Gabe, eine Geschichte kompakt und dennoch detailliert zu erzählen, ist leider in den letzten Jahrzehnten verloren gegangen. Hier jedoch kann man sehen, dass man Romane auch auf andere Art verfassen kann.
Demolition ist ein faszinierender Roman, der seine Spannung nicht aus den Möglichkeiten des Ausgangs zieht - das Ende ist von Beginn an klar -, sondern aus dem Wechselspiel der beiden Protagonisten und den vielfältigen Beschreibungen einer skizzierten Zukunft, die zugleich fremd wie auch plausibel erscheint. Das Buch ist ohne Zweifel ein Klassiker der SF mit großem Einfluss auf viele der folgenden Werke. 9 von 10 möglichen Punkten.
Demolition - Rezensionsübersicht