Reihe: Gentleman Bastards, 2. Band Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Locke Lamora verließ mit seinem Freund und Partner Jean Tannen Camorr. In seinem Kopf überschlagen sich die Ideen und Gedanken für seine nächsten gigantischen Gaunereien. Im Sündenturm der Küstenstadt Tal Verrar befindet sich das angesagteste Kasino der Stadt und der Umgebung. Hier residiert der Pate Requin, der Herr der Unterwelt. In seinem überaus stark gesicherten und als unknackbar geltenden Tresor lagern nicht nur seine persönlichen Schätze. Sein sagenhaft sicherer Tresor hat selbst den Geldadel der Stadt dazu verleitet, seine Schätze und Gelder dort einzulagern. So geschützt vor den gierigen Augen der steuereintreibenden Obrigkeit, ist dies das lohnendste Objekt, dem sich Locke Lamora als Herausforderung stellen kann. Um sich der obersten Etage nähern zu können, mussten die beiden viel Geld ausgeben, verlieren und auch gewinnen, aber vor allem mussten sie ständig wiederkommen. Mit enormem finanziellen Aufwand gelangten die beiden Freunde in immer exklusivere Glückspielsäle. Sie kommen ihrem Ziel, dem Tresor und dessen Inhalt, immer näher. Allerdings häufen sich ein paar unliebsame Begebenheiten, denn auf die beiden werden Mordanschläge verübt. Ausgerechnet der Oberbefehlshaber der Stadt, der für ihre Sicherheit und natürlich die der anderen Bürger zuständig ist, ist es, der ihnen nachstellt. Und das schier Unmögliche geschieht: Der Archont legt den Meisterdieb und seinen Freund herein. Er verabreicht ihnen ein tödliches Gift, dessen Gegengift nur er kennt. Wenn die beiden nicht alle zwei Monate einen Teil davon erhalten, weilen sie bald nicht mehr unter den Lebenden. Ziel des Oberbefehlshabers ist es, die beiden zur Mitarbeit zu bewegen. Das Ziel des Mannes ist nicht mehr und nicht weniger als der unumschränkte Herrscher von Tal Verrar zu werden. Dieser Wunsch ist nicht so einfach umzusetzen, und so ist es natürlich nötig, eine Bedrohung für die Stadt zu finden, notfalls zu erfinden. Um die wichtigen Herren der Stadt zu beeindrucken, wäre der Angriff einer Piratenflotte auf die Hafenstadt sicher eine beeindruckende Bedrohung, der der Sicherheitschef der Stadt gekonnt sodann begegnete. Locke und Jean wird klar, sie werden die bösen Piraten spielen. In einem Schnellkurs werden sie mit der Nautik und dem Verhalten von Schiff und Besatzung bekannt gemacht. Schließlich sollen sie befähigt werden, Schiff und Besatzung zu befehligen. Allerdings verläuft nicht alles nach Plan. Denn plötzlich tauchen echte Piraten auf, die die Pseudopiraten entern.
Die Abenteuer des Locke Lamora, dieses jungen Draufgängers, sind, um beim Bild zu bleiben, in diesem Fall reinstes Seemansgarn. Solche Abenteuer können doch gar nicht geschehen sein. Die Figuren im Buch werden das anders sehen als der Leser, der den phantastischen Gedankengängen von Scott Lynch folgt. Lynchs handelnde Personen sind glaubwürdig dargestellt. Dadurch werden für den Leser die Figuren, je nach Anlage, sehr sympathisch oder unsympathisch. Locke Lamora, der im ersten Band einige herbe Verluste unter seinen Freunden hinnehmen musste, ist im neuen Buch etwas gealtert und reifer geworden. Trotzdem bleibt er seinen Prinzipien treu. Seine Opfer sind keine kleinen Leute, die nichts haben, sondern die Reichen, die die kleinen Leute ausbeuten. Damit ähnelt er dem Edelganoven Arsène Lupin.
Die beiden Hauptcharaktere sind dem Leser schon von Anfang an sympathisch, denn sie sind brillant beschrieben, haben Witz. Es läuft bei Locke aber nicht alles so, wie er sich sein Abenteuer vorstellte. Immer wieder muss er sich mit Niederlagen auseinandersetzen. Spannend und kurzweilig geht es zu, wenn Jean und Locke in Tal Verrar unterwegs sind.
Die Handlung ist atemberaubend und verblüffend, steckt voller unerwarteter Wendungen und führt mit einem hohen Tempo durch das Buch. Sturm über roten Wassern kann man als ein Meisterwerk der Fantasyliteratur ansehen. Bereits mit Die Lügen des Locke Lamora bewies Scott Lynch sein Talent als Geschichtenerzähler. Ihm gelingt es, eine farbenfrohe, lebendige Welt voll Abenteuer, Humor und Dramatik aufzubauen. Immer wieder führt Lynch seine Leser an neue, fantastische Orte. Er versteht es zudem sehr gut, mit Sprache umzugehen. Dies und die Übersetzung durch Ingrid Herrmann-Nytko ergeben ein wunderbares Lesevergnügen.
Sturm über roten Wassern - die Rezension von Rupert Schwarz
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