Originaltitel: Sen To Chihiro No Kamikakushi |
Das japanische Animationsstudio Ghibli begeisterte schon vor Chihiros Reise ins Zauberland mit dem abendfüllenden, sehr schönen Fantasy-Anime Prinzessin Mononoke. Der hierzulande hauptsächlich durch das Fantasy-Film-Fest bekannt wurde, aber leider beim deutschen Kinoverleih relativ unbeachtet war. Erst mit dem Erscheinen von Chihiro auf DVD, kam auch der Vorgänger auf dem deutschen DVD-Markt, den ich noch später besprechen werde. Vorher konnte man die DVD nur teuer aus Japan importieren, der aber auch die deutsche Filmfassung beinhaltete.
Der Titel erinnert nicht umsonst an Lewis Carolls Alice im Wunderland, denn auch hier wird das 10 jährige Mädchen Chihiro, gesprochen von Bibi Blocksberg-Darstellerin Sidonie von Krosigk, durch ein Tor in eine phantasievolle Welt der Götter und Fabeln geführt und muss sich der Hexe Yubaba (Nina Hagen) entgegenstellen. Diese hatte Chihiros Eltern nach einer Völlerei im Park in Schweine verwandelt, um sie zu strafen und das kleine Mädchen sucht verzweifelt nach einen Weg um die Eltern zu retten. Sie ist aber auf sich alleine gestellt, denn sie bekommt dabei Hilfe von einem geheimnisvollen Jungen namens Haku, gesprochen von dem GZSZ-Darsteller Tim Sander und einigen anderen mehr oder minder merkwürdigen Figuren in der Umgebung des Badehauses der Götter.
Ein Gut/Böse-Schema wie in anderen Geschichten dieser Art sucht man hier vergeblich. Die Charakterisierung der Figuren verschwimmt und ist sehr komplex aufgebaut. In den hiesigen Filmen wäre Yubaba wahrscheinlich als böse Hexe dargestellt worden. Dies ist aber hier nicht der Fall, hier handeltes sich um eine alte vergrämte Leiterin des Badehauses der Götter, die aber zwar negativ auftritt, aber auch genauso gut ihre guten Seite bei der Pflege ihres Riesenbabies zeigt. Oder auch das Ohne-Gesicht, welches bösartig im Badehaus wirkt und alles und jeden frisst, aber doch in Wirklichkeit ein einsames Wesen ist, welches Liebe bedarf. Oder auf der anderen Seite der freundliche Haku, welcher Chihiro erst hilft und sich dann von ihr abwendet.
In der Story werden auch Tugenden und Werte sehr groß geschrieben: Es erzählt über die Macht über andere Personen, durch die Wegnahme der eigenen Persönlichkeit durch das Ablegen und Vergessen des eigenen Namens, sowie das Weiterkommens in negative Situationen durch Selbstdisziplin, Ehre, Werte und Hilfsbereitschaft sich und anderen gegenüber, ohne aufdringlich zu werden.
Der zweistündige Animationsfilm wird auch nie langatmig, sondern führt von einer spannenden Situation zur anderen und wirkt dadurch auch sehr kurzweilig. Mir war wehmütig dabei, als der Abspann lief, so tief versunken war ich in der Phantasiewelt des Zauberlandes Aburaya.
So war es auch nicht verwunderlich, dass Sen to Chihiro no kamikakush, so der Originaltitel des Films, ein großes Publikum fand und jede Menge Auszeichnungen zu Recht bekam. Darunter den Oscar 2003 für den besten Animationsfilm und den Goldenen Bären aufder 52.sten Berlinale im Jahr zuvor. Der Oscar führte aber erst dazu, dass sich ein deutscher Verleih den Film überhaupt annahm, um ihn in die hiesigen Kinos zu bringen, wo er dann auch erfolgreich lief.
Bei der Herstellung des Zeichentrickfilms wurde teils in der alten Animationskunst die Bilder per Hand gezeichnet und dann anschließend eingescannt und digitalisiert. Am Computer wurden dann die Animation gemacht, die endgültige und gleichmäßige Farbgebung erzeugt, sowie stellenweise etwas nachgearbeitet. Sehr wenige Einstellungen und Spezialeffekte wurden nur mit dem Computer gemacht.
Autor und Regisseur Hayao Miyazako, hierzulande auch bekannt durch die Heidi-Zeichentrickserie aus den 70ern, produzierte den Film auch das erste Mal in seiner Laufbahn in das durch die ersten beiden Star Wars-Filme bekannte und das bei PIXAR-Filmen benutzte digitale DLP-Format für die Filmkopien ein, so das auch beim Transfer zur DVD die gute Qualität des Films ohne Probleme übernommen werden konnte.
Leider erfuhr man erst nach dem Kauf der DVD davon, das im Januar 2003 von Chihiros Reise ins Zauberland eine Deluxeversion erscheint, die neben einem größeren Extrapaket, auch die englische Tonspur beinhaltet. Das stößt, angesichts des guten Films, den übereifrigen Filmfan doch bitter auf. Da hätte man auch vom Verleiher erwartet, das beide Versionen parallel verkauft worden wäre, wie es bei einigen anderen aktuellen Filmen der Fall ist, die als Nur-Film-DVD oder als Special Edition parallel verkauft werden.
Trotz der Altersfreigabe würde ich sagen, dass der Film jetzt nichts für kleinere Kinder durch seine doch sehr anspruchsvolle Geschichte und einigen doch heftigeren Szenen ist. Aber Kinder und auch die Erwachsenen zwischen etwa 9 bis 88 Jahren werden von dem wundervollen Film sehr angenehm unterhalten sein. Und vielleicht führt der Film auch ein wenig in die Welt der hierzulande noch relativ unbekannten asiatischen Animes ein und findet neue Liebhaber.
Durch das digitale Ausgangsmaterial besticht das Bild bei Chihiro durch seine sehr gute Schärfe und zeigt auch keine Störungen im Bild. Bei den Konturlinien ist auch kaum eine Treppchenbildung zu sehen, wie es bei anderen Zeichentrickfilmen des Öfteren der Fall ist. Es sind nur bei genauer Betrachtung Doppelkonturlinien zu erkennen, was aber bei normaler Sichtweite nicht mehr auffällt. Störende Rausch- oder Nachzieheffekte sind mir nicht aufgefallen.
Die Farben sind voneinander klar getrennt, Verläufe die nicht beabsichtigt sind, gibt es nicht zu erkennen. In der Farbgebung wurden bei dieser Produktion mehr die Pastelltöne bevorzugt, kräftige Farben sind nur dezent eingesetzt. So wirkt das Bild ungewohnt blaß und nicht so kontrastreich, aber man gewöhnt sich schnell daran.
Was bei dem anamorphen Bild auffällt, dass nicht der ganze Bildschirm genutzt wird. Oben und unterhalb des Bildes ist auf 16:9-Fernseher ein etwa 1 cm schwarzer Balken zu erkennen. Erst beim Betrachten des Films auf einen PC bemerkt man, das der Film einen breiten Rahmen an jeder Seite hat.
Im Kino wurde der Film im Dolby Surround EX 6.1 und im DTS-ES-Tonverfahren gezeigt. Leider hat dies nicht den Weg auf die DVD gefunden, denn hier gibt es nur eine Dolby Surround 5.1-Spur für den deutschen Ton und der japanischen Originalfassung. Auch auf der im Januar erscheinenden Deluxe-DVD gibt es dort leider keine Verbesserungen, allerdings wird dort noch der englische Track beigefügt.
Hauptsächlich spielt sich der Ton im Frontbereich der Lautsprecher ab. Der hintere Bereich ist nur schwach abgedeckt, aber durch die bemerkenswerte Lokalisierbarkeit einiger Effekte wird auch hier für eine gute Räumlichkeit gesorgt. Der Ton besticht auch durch seine gute Dynamik, bei lauteren Szenen oder einigen Effekten kommt auch der Subwoofer gut, wenn auch etwas verhalten im Einsatz. Der Klang ist gut, wenn auch die Höhen etwas bevorzugt sind und absolut rauschfrei durch seine digitale Herkunft.
Die schöne Filmmusik wirkt sehr dezent, dafür aber klar und nutzt den Raum aus. Die deutschen, wie auch die japanischen Dialoge in der Originalfassung sind sehr centerbezogen, aber klar verständlich. Auch bei der Wahl der Synchronsprecher wurde hier eine gute Wahl getroffen: Nina Hagen zum Beispiel in Ihrer Sprecherrolle für die Hexe Yubaba überzeugt, auch wenn das „R“ in der Originalfassung nicht so gerollt wurde, was aber auch irgendwie zur dargestellten Figur passt. Aber auch die anderen Rollen bei Chihiros Reise ins Zauberland wurden qualitativ sehr gut besetzt.
Hier gibt es leider für diese DVD leider Punktabzüge, denn das Bonusmaterial besteht aus zwei kurzen Interviews und einem Featurette, die sich dann auch nur mit der deutschen Synchronisation befasst und dem französischen Filmtrailer. Das "Making of Synchronisation" präsentiert die Sprecherinnen Nina Hagen ("Hexe Yubaba") und Sidonie von Krosigk ("Chihiro")mit jeweils zwei Minuten Länge, sowie unkommentierte anderthalb Minuten lange Aufnahmeschnitzel von den Synchronisationsarbeiten beider Darsteller. So wirklich interessant ist es leider nicht. Auch unverständlich, warum hier der französische Trailer zum Film genommen wurde und nicht der Deutsche.
In der "Deluxe-Fassung" das am 26. Januar 2004 erscheint, gibt es dann einiges Material mehr: Wie zum Beispiel ein "Making of" des Films, ein Protrait des Studios Ghibli, eine Aufnahme der Pressekonferenz mit Hayao Miyazako, einigen Filmtrailern und deutschen TV-Spots zu Chihiro und Prinzessin Mononoke, sowie das auch hier vorhanden Material.
Die Menügestaltung ist nur auf der Startseite animiert, wird von der Filmmusik begleitet und ist relativ einfach gehalten, so dass eine Navigation nicht schwierig fällt. Die Untermenüs sind mit Standbildern dekoriert. Neben einem deutschen Untertitel, gibt es auch noch eine Untertitelung für Hörgeschädigte.
Mein Fazit:
Chihiros abenteuerliche Reise in die Welt der alten japanischen Götter und Fabeln um ihre in Schweine verwandelten Eltern zu retten, besticht mit einer erfrischenden, spannenden und phantasiereichen Geschichte, die jeden Zuschauer mitzieht.
Ich habe mich in die sehr komplexen Charaktere verliebt und habe mit dem kleinen Mädchen mitgelitten und gebangt. Die deutsche Synchronisation ist für einen japanischen Animationsfilm sehr gut besetzt (u. a. mit Nina Hagen als Hexe Yubaba, samt ihrer Tochter Cosma Shiva als Dienerin Lin) und weisst keine Mängel auf. Auch Ton und Bild ist durch das digitale Ausgangsmaterial sehr gut und macht diesen Film zu einem Schmuckstück der Sammlung. Allerdings sind die Extras sehr mager ausgefallen, so dass der wahre Filmfan dann wohl eher auf die Deluxe-Ausgabe des Films warten sollte, die am 26. Januar 2003 erscheint und einiges an Material, sowie einer englischen Tonspur beinhaltet. Doch die Komplexität der Story ist der Film jetzt meiner Meinung nach nicht gerade für die ganz Kleinen geeignet, doch ältere Kinder und Erwachsene werden den Film mögen. Chihiro hat nicht umsonst so viele Filmpreise, darunter den Oscar bekommen und ist daher auch sehr als Geheimtipp zu empfehlen.
Chihiros Reise ins Zauberland - Rezension von Rupert Schwarz
Themenbereich "Phantastik für Kinder und Jugendliche"
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