Titel: Das Orakel vom Berge Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Was wäre, wenn die Alliierten den Zweiten Weltkrieg verloren hätten? Was wäre, wenn Amerika und nicht Deutschland geteilt worden wäre und die Siegermächte und einstigen Verbündeten Japan und Deutschland sich nun argwöhnisch beobachteten? Dieses Szenario wählte Philip K. Dick für seinen Roman und lässt seine Protagonisten in der für ihn so typischen Weise in der veränderten Welt agieren. Da ist Nobusuke Tagomi, Leiter der japanischen Handelsmission von San Francisco und leidenschaftlicher Sammler amerikanischer Antiquitäten, der mit Besorgnis die jüngsten Entwicklungen in Nazideutschland beobachtet. Sein Geschäftspartner ist der dubiose Robert Childan, der Besitzer von American Artistic Handicrafts, der entsetzt ist, als er herausfindet, dass seine wertvollen Exponate Fälschungen sind. Diese Information erhielt er von einem Mann mit Namen Frank Fink, der für eine Manufaktur gearbeitet hatte, die eben genau diese Objekte hergestellt hatte. Was keiner weiß: Frank Fink ist Jude, und deshalb kann er den von Japanern kontrollierten Teil Amerikas niemals verlassen. Finks Ex-Frau Julia indessen schlägt sich weit entfernt als Judolehrerin durch. Sie trifft auf einen Nazi-Spion, der Schriftsteller Hawthorne Abendsen töten will, der im Westen der USA lebt und mit dem Buch "Schwer liegt die Heuschrecke" einen Bestseller geschrieben hat. In diesem Buch beschreibt er, wie die Nazis den Krieg verloren hatten. Da stirbt in Berlin Adolf Hitler, und das politische Gefüge der Welt gerät in Bewegung.
Der Roman ist sicherlich eines von Philip K. Dicks wichtigsten Werken, vor allem, weil ihm damit der große Durchbruch gelang, als er mit dem Werk den Hugo Award gewinnen konnte. Für mich war es der erste Dick-Roman, den ich gelesen hatte, und ich kann sagen, dass er mir beim ersten Mal nicht recht gefallen hatte. Ich brauchte eine gewisse Zeit, um mit dem Autoren warm zu werden und mich mit Dicks Ansichten und Beschreibungen anzufreunden. Beim zweiten Durchgang gefiel mir der Roman nun deutlich besser. Die Personen sind typisch für den Autor und sehr lebendig. Die Geschichte an sich ist interessant, aber im Vergleich zu anderen Romanen wie "Ein andere Welt", "Zeit aus den Fugen" oder "Ubik" kann sie nicht ganz mithalten. Die Idee, dass ein Autor in einer Parallelwelt eine Geschichte schreibt, die unsere eigene in weiten Teilen widerspiegelt, ist originell, aber wäre wohl eher für eine Kurzgeschichte geeignet gewesen. Interessant an diesem Roman ist aber die Verflechtung der Protagonisten, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, aber es zieht sich ein roter Faden durch das Leben von allen. Außerdem gibt es Parallelen: Alle Figuren stehen vor einer existenziellen Krise und gegen Ende des Romans gipfeln alle Stränge in einem Höhepunkt. Hier zeigt sich Dicks Meisterschaft im Erschaffen plausibler Charaktere und jede seiner Figuren ist wunderbar beschrieben. Was will man noch weiter sagen? "Das Orakel vom Berge" ist ein typischer Dick-Roman, nicht mehr und aber ganz sicherlich auch nicht weniger.
7 von 10 Punkten.