Serie / Zyklus: Bettler-Trilogie Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Oh Wunder der Genetik: Leisha Camden gehört zur neuesten Generation von Menschen, deren Gene manipuliert wurden. Doch die Forscher gingen bei ihr und allen anderen Kindern ihrer Gruppe einen Schritt weiter: Sie verfügt nicht nur über eine erhöhte Intelligenz, sondern das Schlafbedürfnis ist nicht mehr existent. Der Körper ist in der Lage sich kontinuierlich zu regenerieren, und so muss sie überhaupt nicht mehr schlafen. Tatsächlich kann sie überhaupt nicht schlafen, und was ein Traum ist, wird ihr für immer ein Geheimnis bleiben. Die Schlaflosen, wie Leisha und die anderen Genmanipulierten heißen, sind aufgrund dieser Tatsache allen anderen Menschen weit überlegen, da ihnen annähernd doppelt so viel Zeit zum Lernen und Arbeiten übrig bleibt. Hinzu kommt, dass nur sehr reiche Menschen sich diese genetischen Modifikationen leisten konnten, und so droht sich die Gesellschaft nun zu spalten, und die Stimmung im Lande schlägt, lange nachdem Leisha erwachsen geworden ist, gegen die vielen tausend Schlaflosen um. Es entbrennt ein Streit zwischen den Schlaflosen, und neben Leisha, die eine liberale Haltung gegenüber den Schläfern hat, gibt es jene, die sagen, man müsse sich schützen und gegen die Menschen, die sie bedrohen, vorgehen. Der Konflikt droht zu eskalieren.
Der Bettler-Zyklus von Nancy Kress ist eines der wichtigsten Werke, in denen über die Folgen der Genmanipulation geschrieben wurde. Doch trotz des ernsten Themas ist der Roman sehr flüssig und unterhaltsam geschrieben. Die Handlung, die aus der Sicht von Leisha Camden erzählt wurde, beschreibt eine Entwicklung über mehr als 80 Jahre. Es geht in dem Roman weniger um die Genmanipulation selbst als vielmehr um die Auswirkungen, die ein solch widernatürlicher Vorteil bringt. Es geht um die Veränderungen in der Gesellschaft und die Auswirkungen auf einen Staat an sich. So gesehen lässt sich der Roman, der die Entwicklung in vier Abschnitten beschreibt, durchaus vergleichen mit Klassikern des Genres wie z. B. Foundation von Isaac Asimov. Auch hier wird fast wie in einem geschichtlichen Abriss erzählt, und der eigentliche Protagonist ist die Handlung. Doch in diesem Fall ist das nicht ganz richtig. Nancy Kress hat zu keinem Zeitpunkt ihre Protagonisten vernachlässigt und stets sehr intensiv über die Gefühle von Leisha und über die anderen Protagonisten geschrieben.
Der etwas ungewöhnliche Titel des Romans beruht schon auf dem gleichnamigen Titel der Novelle, mit der die Autorin zwei Jahre vor Erscheinen des Romans sowohl den Hugo als auch den Nebula Award gewinnen konnte. Es geht sowohl im Buch als auch in der Novelle um die Frage, wie man mit Bettlern umgeht. Sicher, man gibt einem etwas, auch zweien, doch wie sieht es mit zehn, 100 oder gar 1000 Bettlern aus? Einer der Schlaflosen nimmt dies als Gleichnis und bezeichnet den Rest der Menschheit als Bettler, die von dem brillanten Intellekt der Schlaflosen profitieren wollen. Dennoch: Der Titel ist höchst ungewöhnlich und eigentlich auch nicht so recht passend. Erst im zweiten und dritten Buch wird dieser Aspekt wichtiger.
Fazit: Bettler in Spanien ist ein überraschender, sehr gut lesbarer Roman mit vielen interessanten Wendungen und viel Stoff zum Nachdenken. Das Werk fällt sehr positiv in der SF-Massenware auf und kann durchaus als Meilenstein des Genres bezeichnet werden.
9 von 10 Punkten.
Bettler in Spanien - die Rezension von Andreas Muegge