Serie / Zyklus: ~ Besprechung / Rezension von Ulrich Blode |
Dan Simmons ist seit Jahren einer der bekanntesten Phantastik-Autoren. Er hat Romane geschrieben, die zum Teil horrorlastig sind oder mehr der Science Fiction zugerechnet werden können. Welten und Zeit genug beinhaltet fünf verschiedene Erzählungen, die sehr unterschiedlich ausfallen. Jeder Geschichte ist eine Einführung vorangestellt, die mehr oder weniger erklärt, wie Simmons zu der Idee der betreffenden Erzählung kam.
Die erste Kurzgeschichte Auf der Suche nach Kelly Dahl ist eine Geschichte um eine ehemalige Schülerin des Lehrers Mr. Jakes. Als Jakes nach einigen Schicksalsschlägen, die zum Teil selbstverschuldet sind, Selbstmord begehen will, gerät er in die Gedankenwelt Kelly Dahls. Sie formt diese Parallelwelt nach ihrem Willen, und Jakes muss Kelly finden, um aus dieser Welt zu entkommen. Sowohl die Schülerin als auch der Lehrer sind tragische Figuren mit traurigen Lebensgeschichten.
Die verlorenen Kinder der Helix ist eine Erzählung aus dem Hyperion/Endymion-Universum. Die Künstlichen Intelligenzen des Raumers Helix unterbrechen die interstellare Reise, als sie einen Waldring, bevölkert mit Ousters, entdecken. Die Ousters sind an den Weltraum angepasste Menschen und haben einen Notruf ausgesandt, weil sie von einem fremden (?) Raumschiff, einer Erntemaschine, bedroht werden. Die Künstlichen Intelligenzen wecken die Kommandocrew der Helix aus dem künstlichen Kälteschlaf auf, so dass diese den Ousters helfen kann.
Die Auflösung von Die verlorenen Kinder der Helix ist schlecht erzählt und wirkt herbeigezogen, um die Geschichte zu einem Ende zu bringen. Unterhaltsam ist die Erzählung dennoch. Ursprünglich entwarf Simmons auf Anfrage für die Fernsehserie Star Trek: Voyager einen Handlungsvorschlag, der nicht angenommen wurde und den Simmons dann für die vorliegende Kurzgeschichte verwendete. Die verlorenen Kinder der Helix wurde mit dem Locus Award ausgezeichnet, was nicht nachvollziehbar ist, weil diese Kurzgeschichte nicht herausragend genug ist.
Im Jahr 3001 brechen die letzten Tage für die 9114 Altmenschen an. Nach dem Tag des letzten Fax (Faxen ist das Fortbewegungsmittel) wollen die Nachmenschen die Erde wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzen und in zehntausend Jahren die Altmenschen aus dem Quantenzustand auf die erneuerte Erde setzen. Der neunte Av, so der Titel, ist ein Trauertag für die Juden, an dem der Zerstörung des ersten und zweiten Tempels in Jerusalem gedacht wird. Genau an diesem Tag findet das letzte Fax statt.
Als Simmons darüber nachdachte, was in tausend Jahren noch sein wird, entschied er sich für eine Konstante in der Menschheitsgeschichte, nämlich die Verfolgung. Ein schockierender Gedanke, und man fragt sich, welches Schicksal die Altmenschen, allesamt jüdische Nachkommen, erwartet. Die Erzählung ist vielschichtig und bietet einiges zum Nachdenken. Leider erklärt Simmons an einigen Stellen zu viel und an anderen zu wenig. Eine genauere Wortwahl wäre deshalb bei diesem ernsten Thema notwendig gewesen. Entgegen der Meinung vieler Leser sollte diese Geschichte nicht alleine deswegen gelesen werden, weil sie Elemente des Romans "Ilium" beinhaltet.
Mit Kanakaredes auf dem K2 ist die unterhaltsamste und beste Erzählung. Eine außerirdische Rasse ist auf der Erde eingetroffen und hat sich in der Antarktis angesiedelt. Eine dieser "Wanzen" mit Namen Kanakaredes will mit drei Bergsteigern den K2 erklimmen. Die menschlichen Gipfelstürmer sind zunächst nicht davon begeistert, werden von den Behörden aber dazu gezwungen, weil man sich bessere Beziehungen zu den "Wanzen" erhofft. Im Laufe der Expedition wird Kanakaredes in die verschworene Gemeinschaft aufgenommen.
Das Ende der Schwerkraft geht der Frage nach, warum die Menschen in den Weltraum reisen. Fündig wird ein amerikanischer Journalist bei einem unbedeutenden Angestellten der russischen Raumfahrtbehörde. Weltraumfahrt als Kulturaufgabe, als Rückkehr in das Meer, aus dem man einst kam. Dieses Mal ist es der Ozean der Sterne.
Dan Simmons schöpft sein erzählerisches Potenzial in der vorliegenden Anthologie nicht zur Gänze aus. Was zum Glück nicht dazu führt, dass die Texte schlecht wären. Nicht nur die Geschichten, auch die Einleitungen lassen sich mit Befriedigung lesen. So gibt der Autor einiges über sein Leben preis, ohne gleich eine ganze Biographie zu schreiben.
Bleibt festzuhalten, dass die vorliegende Anthologie interessante Ideen und gute Unterhaltung bietet.