Titel: Das verschollene Pergament Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Ari Mackenzie, eigensinniger und dickköpfiger Ermittler, arbeitet bei der Pariser Polizei und leitet dort die Abteilung für Sekten und Verschwörungen. Eines Tages erhält er einen verzweifelten Anruf von Paul Cazo, einem Freund seines Vaters. Paul Cazo bittet ihn, sofort nach Reims zu kommen, er könne nichts am Telefon sagen. Als Ari Pauls Stimme erkennt, eilt er zum Telefon und dem Anrufbeantworter, der die Ansage aufnahm. Doch kaum ist er dort, wird aufgelegt. Ari bleibt nichts anderes übrig, als zu äußerst früher Stunde, es ist 08:13 Uhr, aufzustehen und nach Reims zu fahren. Dort findet er jedoch nur noch Pauls furchtbar gefolterten Leichnam vor. Sein Schädel wurde geöffnet und ist leer, denn sein Gehirn wurde verflüssigt und entfernt. Ari ist wütend auf den grausamen Mörder und schwört Rache. Er beginnt mit eigenen Ermittlungen, als er die Nachricht eines weiteren Mordes erhält. Christian Constantin wurde, wie ein paar andere auch, auf die gleiche Weise ermordet. Der Sonderermittler der französischen Polizei stellt schnell fest, dass der oder die Mörder auf der Suche nach einem besonderen Geheimnis sind. Dabei handelt es sich um die verschollenen Seiten des Skizzenbuchs von Villard de Honnecourt aus dem 13. Jahrhundert. Die toten Männer gehörten einer geheimen Loge an, welche es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, die aus dem Skizzenbuch verschwundenen Seiten, Quadrate genannt, zu bewachen. Und doch sieht es so aus, als ob ein Logenmitglied nach dem anderen umgebracht werden soll.
Scheinbar tötet der Auftragskiller im Auftrag einer geheimen Organisation. Aris Kollegen von der Polizei sind jedoch anderer Meinung. Ari ist nicht offiziell mit den Ermittlungen betraut. Dies führt zu einigen Auseinandersetzungen innerhalb der eigenen Abteilung. Der eigensinnige Ari Mackenzie stört sich nicht daran und ermittelt auf eigene Faust weiter. Die Vorgesetzten des Sektenermittlers erkennen, dass er ihnen immer einen Schritt voraus ist. Daher wird er in die Ermittlungen mit eingebunden, aber sein Ego ist groß genug, um weiterhin als Alleinermittler zu arbeiten. Das Team ist daher mit seiner Arbeitsweise nicht ganz zufrieden.
Im Mittelpunkt der Erzählung steht das Skizzenbuch von Villard de Honnecourt. Dieses Buch des Baumeisters aus Honnecourt-de-Escaut aus der Picardie existiert in der Tat und wurde 1825 im Fundus der Abtei Saint-Germain-des-Prés gefunden. Das Manuskript wird auf das 13. Jahrhundert zurückdatiert und befindet sich heute in der Pariser Nationalbibliothek. Einige Historiker sind der Meinung, dass diesem Skizzenbuch mehrere Seiten fehlen, sind sich jedoch nicht ganz einig darüber, ob es sich um ein Skizzenbuch, Bauhüttenbuch oder Lehrbuch handelt. Vielleicht ist es auch nur eine Art privates Tagebuch, in dem der Bauherr seine Ideen festhielt.
Vor diesem Hintergrund beginnt die spannende Erzählung von Henri Loevenbruck. Gekonnt mischt der Autor Erfindung und Wahrheit zu einem temporeichen Mystery-Thriller. Denn bereits auf den ersten Seiten beginnt das Grauen mit einer Leiche. Ari wird von seinem Autor Henri quer durch das Buch und Paris gehetzt, damit er nicht etwa das verlorene Pergament wiederfindet, sondern den Mörder an weiteren Untaten hindert. Dessen Ziel wird sein, alle Seiten in seinen Besitz zu bringen, und dafür geht er sprichwörtlich über Leichen. Mit kurzen Einblicken in die Gedankenwelt des Mörders kann der Leser sich einen Vorsprung vor Ari Mackenzie erarbeiten, wenn er seine grauen Zellen etwas rotieren lässt. Für jeden anderen Leser bleibt es bis zum Ende des Romans ein Geheimnis. Henri Loevenbruck weiß immer wieder mit unerwarteten Wendungen zu verblüffen. Ebenso verblüffend ist Ari selbst. Der Ermittler ist nicht nur im Beruf Einzelgänger, sondern auch in der Beziehung zur Buchhalterin Lola einzelgängerisch. Zudem lehnt er jede Art von Personalcomputer ab. Lieber liest er Lexika. Nicht nur der Held der Erzählung ist hervorragend beschrieben, sondern auch die anderen Personen, die sich in seiner Welt herumtreiben, wirken lebensecht. Die Handlung ist hervorragend bis in die Einzelheiten ausgearbeitet. Zudem sind die Beschreibungen so gehalten, dass sie erschreckend genug sind, um äußerst unterhaltsam zu wirken.