Serie/Zyklus: Greatwinter, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Die Welt nach der großen Katastrophe und dem nachfolgenden Winter hat sich stark verändert. Nach weiteren 1600 Jahren wird jede Art von Technologie religiös geächtet. Vom Wissen unserer Zeit ist nicht viel übrig geblieben. Und das wenige Wissen, das in Büchern überliefert wurde, wird von Bibliothekaren eifersüchtig gehütet. Die Welt muss ohne Elektrizität und ohne Technologie auskommen. Der Mangel an Technologie muss durch viele einfallsreiche Ideen ausgeglichen werden. Da gibt es Signaltürme, Galeerenzüge, die mittels Pedalen angetrieben werden, eine Rechenmaschine, bestehend aus tausenden von Menschen. Die Spitzentechnologie sind gerade mal Windmotoren.
Die mächtigste der Bibliothekare ist die Frau Zavora Cybeline. Sie ist es, die auf dem Mond Veränderungen entdeckt. Maschinen, die dort oben arbeiten, sind dabei, einen Schild zwischen Sonne und Erde zu bauen, wodurch ein erneuter planetarer Winter auftreten könnte. Die Hoheliber und oberste Bibliothekarin von Rochester hat sich zum Ziel gesetzt, diesen Winter exakt vorauszuberechnen. Dafür benötigt sie die große Rechenmaschine, verbessert sie ständig weiter und benötigt Menschen. Menschen, die lesen und schreiben, aber vor allem rechnen können. Diejenigen, die nicht freiwillig kommen, werden entführt oder aus Gefängnissen befreit, was für diese eigentlich keinen Unterschied ausmacht.
Einer der ‚Befreiten’ ist der Student Glasken. Ihn sucht sich Zavora für ihre menschlichen Bedürfnisse aus, zumal er nicht nur gut aussieht, sondern ideenreich ist und Mathematik beherrscht. Allerdings lässt ihr Leben jetzt ein paar kleine Schlenker zu, und sie weicht vom geradlinigen Weg, die Menschheit zu retten, etwas ab. Frauen sind die eigentlichen Hauptpersonen in diesem Buch. Allesamt sind sie schön, listig, gelehrt, gerissen. Und die Männer? Dickköpfig, kleinkariert, aber voller Tatendrang, wenn man sie richtig führt. Ein Buch für Emanzen.
Dann gibt es noch den Ruf. Er erschallt immer wieder und stärker. Wer sich nicht festbindet oder in einem entsprechenden Haus befindet ist verloren. Jedes Säugetier, das größer als ein Hamster ist, folgt dem Ruf in die Wüste und darüber hinaus über die Klippen ins Meer. Doch Letzteres wissen nicht sehr viele Menschen. Drei, um genau zu sein. Aber es gibt Hilfe gegen den Ruf. Die Äbtissin eines abgelegenen Klosters lernte die Kunst der Nomaden, sich dem Ruf zu entziehen. Sie wird angeworben, nach Rochester zu kommen, wo Zavora ihre Residenz hat.
Das Buch macht Probleme. Ich hatte erst Mühe, mich hineinzufinden. Erst als ich mich dazu entschloss, der Aussage Man muss auch einmal loslassen können Folge zu leisten, genoss ich dieses Buch. Sean McMullens erstes Buch, das ich zu lesen bekam, Die Fahrt der Shadowmoon aus dem Wilhelm Heyne Verlag, begeisterte mich letzten Monat ganz und gar nicht. Ganz anders dieser Roman. Er versprüht Phantasie, verbindet phantastische Erzählkunst mit Humor, sein überbordender Einfallsreichtum reichert die eigenen Gedanken an. Der erfinderische Autor ist einer der besten, den Australien im Augenblick zu bieten hat. In Deutschland könnte ich auf Anhieb niemanden nennen, der gleich viel Phantasie aufbringt. Der Reiz des Romans macht zumindest in diesem Teil aus, dass man als Leser keine Ahnung hat, wohin uns das alles führen wird. Verblüffend stehen wir vor einer unerwarteten Wendung und denken nur: Aha.
Der Wermutstropfen, der jetzt kommt, betrifft nur mein Exemplar, das ich in den Händen hielt. Bei Seite 180 hatte ich einen losen Einband in der Hand, die Klebung versagte und bei Seite 220 hielt ich zwei Bücher in der Hand: Die Klebung versagte noch mehr. Ich musste das Buch erst mal wieder zusammenkleben, damit ich weiterlesen konnte. Schade.
Seelen in der großen Maschine - die Rezension von Alexander Pechmann