Serie/Reihe: ~ Titel / Originaltitel: Pulaster Autor: Angela und Karlheinz Steinmüller Verlag / Buchdaten: Berlin: Verlag Neues Leben, 1986; Frankfurt a.M.: Suhrkamp Verlag, 1988 (Anm.: Für den Herbst 2005 ist Pulaster als 5. Band der Steinmüller-Werkausgabe im Shayol Verlag geplant) Besprechung / Rezension von Ulrich Blode |
"Pulaster: Sumpfwelt. Von 'paluster': sumpfig, im Sumpf lebend".
Fabius Grosser verschlägt es auf diesen Planeten, obwohl er dort nur einen Zwischenhalt einlegen wollte. Eine Überempfindlichkeit gegen den Kälteschlaf, notwendig bei interstellaren Reisen, erlaubt es ihm nicht mehr weiterzureisen.
Pulaster ist keine Hauptwelt in der menschlichen Zivilisation und dennoch ist sie besonders. Auf ihr leben die Hreng, intelligente Saurier, die auf eine mindestens doppelt so lange Geschichte zurückblicken wie die Menschen. Und doch bleiben sie auf einer steinzeitlichen Stufe stehen und haben mit ihren primitiv wirkenden Werkzeugen den Planeten kultiviert. Was für menschliche Augen wie ein Dschungel aussieht, ist eine stetiger Wechsel aus unberührtem Wald und Anpflanzungen. Einige der drei Meter großen Hreng leben bei den Menschen, erfüllen wichtige Aufgaben, entfernen sich aber damit von ihren Artgenossen. Die Saurier, die bei den "Halbwesen" leben, werden nicht mehr als vollständige Hreng betrachtet.
Fabius Grosser lässt sich überreden an einer Expedition teilzunehmen, um das Geheimnis der Hreng zu entschlüsseln. Mit dabei ist der Saurier Gabriell. Die Mannschaft kommt bei einem Hrengstamm unter und erlebt hautnah das Leben der Ureinwohner mit. Für die Hreng ist die Schale des Eis, aus dem sie schlüpften, wichtiger Bestandteil des Lebens. Jeder Tag ist für sie eine neue Schale. Menschliche Dinge, insbesondere reine Kosumgüter, haben für sie keinen überragenden Wert. Ihre Prinzipien lehnen sich mehr an das hautnah zu Erlebende an. Als das Expeditionsmitglied Georgia unerlaubterweise Ausgrabungen vornimmt, werden sie vom Hrengstamm angegriffen und müssen flüchten. Gabriell wird gefangengenommen. Später kehrt Fabius zurück und kann Gabriell befreien. Bei ihrer beschwerlichen Flucht durch den Urwald finden sie Anzeichen für eine vergangene Zivilisation auf Pulaster. Sie stoßen auf Überreste einer Gigantenstadt. Die Legenden und Märchen der Hreng über die Giganten, riesengroße Saurier, sind keine bloße Fiktion. Die Giganten entwickelten sich weiter, auf dem Sprung zu einer technologischen und herrschaftssüchtigen Gesellschaft. Dieser Entwicklungssprung schlug fehl. Seitdem leben die Hreng auf ihrem gewollten Niveau und lassen die Giganten nur noch in ihren Geschichten aufleben. In diesem Zusammenhang ergibt sich ein aktueller Konflikt, ob ein Eingreifen der Menschen notwendig ist, um die Hreng aus ihrer evolutionären Starre zu befreien. Vielleicht kann nur Schaden daraus entstehen, auch wenn die Menschen meinen Gutes zu tun.
Pulaster ist ein interessantes Buch, das eine außerirdische Zivilisation detailreich darstellt. Manchmal ist es schwierig den Gedankengängen der Autoren zu folgen, weil sie wenig erklären, sondern ihre Ideen sich als Ausdruck der Handlung und den eigentümlichen Übersetzungen und Erzählungen der Hreng ergeben. Das wiederum muss kein Nachteil sein, gewinnt der Roman gerade dadurch seine Faszination.
Die Zivilisation der Hreng ist vielgestaltig und bietet einen anderen Weg, nicht unbedingt gegensätzlichen, zu dem der Menschen. Dabei geht es nicht um das Favorisieren einer Naturverbundenheit, die häufig als einzige Alternative zur Technologie gesehen wird, sondern um das Entstehen der Verantwortung für das jeweilige Handeln. Angela und Karlheinz Steinmüller haben sich etwas gedacht, wenn sie dieses oder jenes an Historie und philosophischen Überlegungen einbringen. Diese Ausgeklügeltheit ist Grund zum vergnüglichen Spekulieren und Interpretieren. Da aber nun die Autoren in ihrem Roman den Leser nicht belehren, bietet sich die Gelegenheit die Lektüre zu genießen und nicht grüblerisch über den Text zu sinnieren.
Die Charaktere sind eigentümlich und lebhaft geschildert. Der Hrengsaurier Gabriell wird nicht allzu menschlich dargestellt, erscheint freundlich und widersprüchlich zugleich. Interessant sind auch andere Details in Pulaster, beispielsweise die Raumfahrt. Weil ein überlichtschneller Raumflug nicht möglich ist, entsteht eine relativistische Zivilisation der Menschheit. In Kälteschlafkammern verbringen die Reisenden die Fahrt zwischen den Sternen. Am Zielort treffen Menschen und Pläne aus unterschiedlichen Jahrhunderten zusammen.
Alles in allem ist Pulaster ein bemerkenswertes Buch über eine andere Gesellschaft.