Serie / Zyklus: ~ Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Auf den australischen SF-Autoren Greg Egan bin ich durch die Veröffentlichung dreier seiner Romane in den letzten Jahren beim Heyne-Verlag aufmerksam geworden und durch die positiven Leserkritiken. Auch wenn Greg Egan sehr viele Kurzgeschichten verfasst hat, von denen auch ein kleiner Teil ins deutsche übersetzt wurde, so habe ich ihn als Kurzgeschichtenautor bislang nicht wahr genommen.
Bei Cyber City handelt es sich um seinen dritten Roman, der, wie auch sein zweiter Quarantäne, bei Bastei Lübbe als Taschenbuch erschienen ist.
Greg Egans Erstlingswerk mit dem Titel An Unusual Angle veröffentlichte er bereits 1983. Einen Nachdruck oder sogar eine Übersetzung wird es nach dem Willen des Autoren nicht geben, da er sein Erstlingswerk als "Jugendsünde" bezeichnet.
Der Roman ist in zwei große Abschnitte aufgeteilt. Er beginnt im Jahre 2045. Die Technik ist soweit fortgeschritten, dass es mittlerweile möglich geworden ist das Bewusstsein einzuscannen und in einer künstlich erschaffenen Welt weiterleben zu können. Dem Tod kann man dadurch entgehen und je reicher die jeweiligen Menschen sind, umso ausgefeilter ist die Software, der sie sich bedienen können, und je umfangreicher ist die Hardware auf die diese läuft. Die wirklich ganz Reichen haben sich so abgeschottet, dass ihnen ein allgemeiner Stromausfall oder sonstige Unbilden der Zivilisation eigentlich nichts mehr anhaben können. Das Versteck ihrer Hardware gehört zu den best gehütesten Firmengeheimnissen. Eine letzte Sicherheit auf ewig zu leben, kann ihnen aber keiner garantieren.
Bis eines Tages Paul Durham, eine der Hauptfiguren dieses Romans, an sie herantritt. Er verspricht ihnen eine Welt zu konstruieren, die keinerlei Stromzufuhr oder Hardwarewartung mehr benötigt, sondern allein aus sich besteht und weiterwächst. Ein geschlossenes System, das für jede Auswirkung von politischen Änderungen unangreifbar sein wird. Zudem verspricht er eine Rechnerleistung, die weit über dem steht, was die bisherigen Systeme bieten können. Jeder kann sich eine Realität erschaffen, die nicht mehr durch die Kosten für Hard- und Software und den technischen Möglichkeiten begrenzt wird.
Er kann einige der Superreichen dazu überreden ihn finanziell zu unterstützen. Eine Kopie dieser Menschen wird in das System überspielt.
Hier endet dann der erste Teil des Romans, der durchzogen ist von der Fragestellung, ob das Einscannen von Menschen und das Weiterbetreiben als Software überhaupt einen Sinn hat. Egan zeigt verschiedene Haltungen zu dieser Thematik. Nicht alle Menschen nehmen vorurteilsfrei die Möglichkeiten an, die ihnen die fortgeschrittene Technik bietet. Ein Generationenkonflikt wird thematisiert, dargestellt dadurch, dass eine der Hauptfiguren ihre Mutter einscannen lassen möchte, diese aber davon überhaupt nichts hält und sich weigert.
Greg Egan wirft hier Fragestellungen auf, die wir aufgrund der fortschrittlichen Medizin bereits heute kennen. Stichworte wie künstliches Koma und Lebensverlängerung durch maschinellen Einsatz fallen mir hierzu ein.
Der zweite Teil spielt ca. 7000 Jahre in die Zukunft. Cyber City existiert seit Jahrtausenden fehlerfrei. Auf die reale Welt geht Greg Egan hier gar nicht mehr ein, sondern er widmet sich einem ganz anderen Problem, welches Paul Durham bereits bei der Entstehung von Cyber City mit eingebracht hat. Damals ließ er durch Maria einen "Rohplaneten" entwickeln, auf dem sich "außerirdisches Leben" entwickeln sollte. Dies ist nun nach einer Zeitspanne von ca. 3 Milliarden Jahre, die für dieses Programm vergangen sind, auch geschehen. Es hat sich eine Gesellschaft entwickelt, die stark an Bienenvölker der Erde erinnert, allerdings weitaus komplexer und höherstehender. Diese Zivilisation, die absolut künstlich ist und sich in ihren Grundstrukturen auch nicht entwickeln konnte, ist an einem Punkt angelangt, an dem sie in Kürze erkennen wird, dass sie künstlich ist.
Wie geht man nun damit um. Sollen sich die Bewohner von Cyber City zu erkennen geben und wenn ja wie und wann? Während man noch solche Fragen durchdiskutiert, entsteht eine Eigendynamik, die niemand vorausgesehen hat und für Cyber City eine ernst zu nehmende Bedrohung darstellt.
Mit Cyber City hat Greg Egan einen Roman verfasst, der sehr weitreichend für die SF-Literatur die Möglichkeiten von virtuellen Welten und künstlicher Intelligenz versucht zu beschreiben. Er ist in vielen Passagen sehr ausführlich und detailliert, damit seine Leser seinen Gedankengängen folgen können. Insoweit sicherlich kein Buch, welches man einfach so weglesen kann.
Mir hat die Lektüre des Romans jedenfalls zugesagt. Auch wenn ich das vorliegende Werk nun nicht als überragende oder absolut lesenswert einstufen würde, so hat es mich neugierig gemacht auf Greg Egans restliche Romane.
Cyber City - die Rezension von Andreas Muegge