| Serie/Zyklus: Neuromancer-Trilogie, Teil 1 Autor: William Gibson Audio Verlag, Laufzeit: 212 Min, Erscheinungsjahr: 2003 Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz. |
Sprecher: |
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Erzähler | Matthias Scherwenikas |
Case | Jarreth Merz |
Molly | Marion von Stengel |
Linda Lee | Dorothea Gädeke |
Armitage | Ronald Marx |
Julius Deane | Alexander Radszun |
Wintermute | Boris Aljinovic |
Dixie Flatline | Christian Standtke |
Finne | Thomas Morris |
Maelcum | Errol Trotman-Harewood |
Peter Riviera | Markus Hoffmann |
Glossarstimmen | Jeffrey Zach, Konstantin Graudus |
Neuromancerstimmen | Max Hirsh, Paul Schmidt-Branden, Fabio Francisco |
Weitere Sprecher: |
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Heiko Senst, Michal Sykora, Gerd Wameling, Markus Meyer, Milan Peschel, Sven Lehmann, Michaela Winterstein, Errol Shaker, Michael Traynor, Nadja Schulz-Berlinghoff, Tayfun Bademsoy, Weijian Liu u. a. |
Case war ein Cyberspace-Cowboy, bis er die falschen Auftraggeber betrog. Deren Reaktion gegen Case war fatal. Sie stellten sicher, dass sein Nevensystem nachhaltig beschädigt wurde, sodass er nie wieder in das Cyberspace eintauchen konnte. So fristet nun Case sein Dasein in Chiba, einer Stadt Japans, in der er als Exilamerikaner mehr schlecht als recht über die Runden kommt.
Gerade trauert er noch seiner Liebschaft Linda Lee nach, als eine geheimnisvolle Frau namens Molly ihn aufsucht und einen Job als Cyberspace-Cowboy anbietet. Er soll für ihren Chef Armitage eine KI infiltrieren. Armitage scharrt eine Gruppe fragwürdiger Gauner und Gangster um sich. Dass der Auftrag größer ist als alles, was Case je erlebt hat, zeigt die Tatsache, dass Armitage ihn heilt und ihm somit den Cyberspace wieder zugänglich macht, obwohl verschiedenste Ärzte dies als unmöglich bezeichnet hatten. Allerdings implantiert sein Auftraggeber Case Beutel mit Gift, die sich im Laufe der Zeit auflösen werden. So sichert sich Armitage Cases Loyalität. Case bleibt also keine andere Möglichkeit als mitzumachen. Er wird in Ereignisse hineingezogen, deren Tragweite er noch nicht mal ansatzweise zu verstehen begonnen hat.
Neuromancer ist eigentlich zweierlei: Zum einen ist es eine fast klischeehafte Gangstergeschichte, die erzählt, wie die Gruppe um Armitage einen Coup plant, die Mitglieder der Bande rekrutiert und dann zuschlägt.
Die Geschichte enthält einige Wirrungen, aber in den Grundzügen gleicht sie doch den üblichen Gangstergeschichten, wenngleich durch den SF-Bezug neue Aspekte dazukommen. Zum anderen ist dieses Buch, das im Orwell-Jahr 1984 entstanden ist, auch eine starke Kritik an dem Technikglauben der 80er Jahre, zu Beginn des Informationszeitalters. In dieser Hinsicht war Gibson fast prophetisch.
Für den Leser ist Neuromancer freilich harte Kost: Die Geschichte ist kryptisch, gespickt mit Neologismen, und die Protagonisten machen es einem schwer, ihnen Verständnis entgegenzubringen. Ich kann nicht behaupten, dass mir das Lesen des Romans Spaß gemacht hätte, aber ich will Gibsons Können als Autor damit keinesfalls in Frage stellen. Doch wegen der schweren Zugänglichkeit kann ich aus meiner Warte nur 6 von 10 Punkten geben.
Neuromancer ist definitiv ein Meilenstein der SF, ganz gleich ob einem das Buch gefällt oder nicht. Kaum zu glauben, dass das Buch inzwischen schon 20 Jahre alt ist. Gibson hat mit dem Buch der SF ganz neue Perspektiven eröffnet und die in Neuromancer angesprochenen Themen gehören heute zu den Standarddisziplinen der SF. Ich würde nicht so weit gehen und Gibson als genial einstufen. Hätte er Neuromancer nicht geschrieben, wäre ein anderer Autor in den darauf folgenden Jahren mit einem vergleichbaren Werk auf den Markt gekommen.
Man muss sich nur verdeutlichen, was das damals für eine Zeit war. PCs waren groß im Kommen und ein Computer für den Hausgebrauch war keine Unmöglichkeit mehr. Die Maschinen von damals, auch wenn sie nach heutigen Gesichtspunkten nicht mehr als Taschenrechner waren, erfüllten uns mit einer starken Faszination. Doch alles war noch in den Kinderschuhen - Gibson selbst hat seinen Roman noch auf einer Schreibmaschine verfasst. So gesehen war es schon eine Leistung von ihm, einen so detaillierten Weltentwurf des Informationszeitalters zu schaffen.
Das Hörspiel ist einerseits eine wahrhaft geniale Umsetzung. Die Grundgeschichte wird musikalisch auf zweierlei Weise untermalt. Zum einen werden Variationen des Streichquartetts op. 18 Nr. 4 C-Moll von Ludwig van Beethoven eingespielt. Je nach Stimmungslage wird das Werk mal ruhig, mal aggressiv, mal abstrakt interpretiert. Außerdem werden Cases Erinnerung an Linda Lee mit einem speziellen Song untermalt, der den Bückenschlag in die Entstehungszeit des Buchs schlägt: Der Song könnte aus den 80ern stammen.
Um denn dem Hörer trotz der teilweise starken Kürzungen Hintergrundwissen zu geben, werden lexikonartige Erklärungen zu Beginn eines jeden Kapitels eingeworfen. Diese Einwürfe sind teils englisch, teils deutsch. Ein sehr interessanter Ansatz, zumal dieses Vorgehensweise dem ganzen Hörspiel weitere Tiefe verleiht.
Nun die Schattenseite: Die Kürzungen gehen so weit, dass das ohnehin schon schwer verständliche Werk noch kryptischer wird. Besonders in der zweiten Hälfte wurde besonders stark gekürzt - ganze Subplots fehlen. Ein Hörer, der das Buch nicht kennt, dürfte Probleme haben, der Story ganz zu folgen.
Was außerdem auf der Strecke bleibt, sind die Gefühle der Personen, und das ist bedauerlich. Schon im Buch hat der Leser größte Probleme, mit Case, Molly und den anderen Protagonisten warm zu werden, denn diese sind alles andere als sympathisch. Es wäre wünschenswert gewesen, das Hörspiel deutlich länger zu gestalten, aber das passiert ja leider zu oft.
Fazit: ein sehr stimmungsvolles, tief gehendes Hörspiel, das leider etwas zu kurz geraten ist. 8 von 10 Punkten.
Neuromancer - Rezension zum Buch
Eine Übersicht der Serie gibt es auf der Autorenseite.
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