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Reihe: Wurdack SF, Band 15 Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
19 Geschichten enthält die neueste Anthologie aus dem Wurdack Verlag:
V.Groß: Molekularmusik
Die Titelgeschichte erzählt von zwei Wissenschaftlern. Bärbaum gelingt es, auf molekularer Ebene mit Musik Bilder von unglaublicher Schönheit zu erzeugen. Als er sich weigert, seinem Kollegen die Bilder immer wieder zu zeigen, bringt ihn dieser um. Das Motiv von Kain und Abel im neuen Gewand - geschickt und originell umgesetzt.
Niklas Peinecke: Klick, Klick, Kaleidoskop
Die Erzählung eines Mannes, der sein Gehirn von einem Zufallsgenerator manipulieren ließ, traf nicht meinen Geschmack, dürfte aber ein Leckerbissen für Cyberpunk-Fans sein.
Birgit Erwin: Diskriminierung
Dies war eine interessante Parabel über einen blinden Mann, der sich nicht im sozialen Netz ausruhen wollte, sondern darum kämpfte, ein normales Leben zu führen. Doch dafür wird er von der Gesellschaft angeklagt. Ein Text, der trotz seiner Kürze nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat.
Frank Hebben: Machina
Ein Mann versinkt in der virtuellen Welt. Seine Schwester versucht alles, um ihn daraus hervorzulocken. Obwohl die Geschichte nicht sehr originell ist, wurde sie gut erzählt.
Heidrun Jänchen: Wie ein Fisch im Wasser
Die Ärztin Marcella sucht in einem U-Boot nach ihrer Mutter, die sich vor Jahren in ein Unterwasserwesen verwandeln ließ, um ihrer Tochter eine gute Ausbildung zu finanzieren. Heidrun Jänchen spielt Ihre Stärken als gefühlvolle Erzählerin aus und bietet wieder eine sehr bewegende Geschichte.
Uwe Post: Vactor Memesis
Die Geschichte von einem chinesischen Regisseur, der einen virtuellen Propagandafilm erstellen soll, dessen virtuelle Schauspieler-KIs von westlichen Computerviren befallen sind, ist sehr komisch. Uwe Post zeigt, dass es durchaus möglich ist, auch heute noch in überzeugender Weise lustige SF zu schreiben, ohne in Klischees oder Banalitäten zu verfallen.
Benedict Marco: Wie man sich ändern kann
Die Geschichte um die Virtualisierung des menschlichen Geistes konnte mich nicht recht mitreißen, auch wenn die Pointe am Ende gut gesetzt war.
Ernst-Eberhard Manski: Das Klassentreffen der Weserwinzer
In dieser Alternativweltgeschichte wurde Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg in Kleinstaaten zerschlagen. Allerdings ist eine Kurzgeschichte nicht das richtige Medium, um einem Leser diesen Weltenentwurf adäquat zu präsentieren.
Antje Ippensen: Knapp
"Knapp" ist eine verstörende, dystopische Erzählung über eine alte Frau, die an der Gefühlskälte ihrer Mitmenschen in einem Supermarkt zugrunde geht. Erschreckend schön erzählt.
Uwe Hermann: Roboter vergessen nie
Die Geschichte, die eigentlich nur aus den Dialogen zwischen einem Mann und einem Roboter besteht, den dieser zusammenzusetzen versucht, ist wirklich gelungen. In spritziger Weise erzählt der Autor, wie sich Mensch und Maschine immer mehr zerstreiten, ist doch die Maschine (korrekterweise) überzeugt, dass der Mann keinesfalls die Fähigkeiten besitzt, ihn zusammenzubauen.
Arno Endler: Ebene Terminus
Ein Journalist versucht hinter das Geheimnis eines sehr erfolgreichen Jugendgefängnisses zu kommen, doch als er die Wahrheit herausfindet, ist es bereits zu spät. Die Geschichte war leider zu wenig originell und zu vorhersehbar, um mich überzeugen zu können.
Kai Riedemann: Lasset die Kinder zu mir kommen
Mit der moralischen Keule erzählt die Autorin von kapitalistischen Bauherren, die eine Kirche gekauft haben und sich nun der Schutzsuchenden in der Kirche entledigen wollen. Ich ziehe die leiseren Töne vor.
Karina Cajo: Der Klang der Stille
In unblutiger Weise haben Aliens die Erde erobert und in sehr subtiler Weise halten sie die Menschen unter Kontrolle. Kann ein Aufstand dies ändern? Die Geschichte ist an sich nicht schlecht, nur hätte dem Inhalt mehr Umfang zugestanden werden sollen.
Bernhard Schneider: Schuldfrage
Eine Geschichte, wie sie aus der Feder von Robert Sheckley hätte stammen können. Ein Mann wird des Mordes an seiner Frau angeklagt, doch dieser behauptet, seine Hirnprothese sei dafür verantwortlich. In höchst amüsanter Weise wird von einem sehr ungewöhnlichen Prozess erzählt.
Christian Weis: Eiskalt
In der Arktis kämpfen Wissenschaftler und Soldaten gegen Roboter. Diese Erzählung konnte mich nicht recht begeistern.
Bernd Wichmann: Rückkehr ins Meer
Öko-SF über Hybrid-Experimente zwischen Fisch und Mensch. Nach Abbruch des Experiments überleben die Probanten und stellen den Menschen ein Ultimatum. Ein bisschen hat mich das Ganze an „Der Krieg mit den Molchen“ erinnert.
Arnold H. Bucher: Den Letzten frisst der Shredder
Diese originelle Geschichte erzählt von dem Existenzkampf zweier Robotor. Die etwas andere Perspektive macht die Geschichte lesenswert.
Andrea Tillmanns: Der blinde Passagier
Auf einem Raumschiff ist ein blinder Alien-Passagier. Eine klassische Pointengeschichte, die zu unterhalten verstand.
Armin Rößler: Der Fänger
Ein Mann ist seit Jahren auf der Suche nach seiner Schwester, die von Aliens entführt wurde. Eine atmosphärisch gute Erzählung.
Fazit: Dem Wurdack Verlag ist es gelungen, wieder eine sehr unterhaltsame SF-Anthologie auf erstaunlich hohem Niveau herauszubringen. Ich habe zwar hier und da etwas kritisiert, aber eigentlich war keine Geschichte dabei, bei der sich das Lesen nicht gelohnt hätte, und das bedeutet eine ganze Menge. Ein großes Lob an die Herausgeber, die ein wirklich sicheres Händchen bei ihrer Auswahl hatten und die Wurdack-Anthologien zu einem Glanzlicht der deutschen SF-Kurzgeschichten-Szene gemacht haben.