Titel: Dr. Jekyll und Mr. Hyde / Das Phantom der Oper / Der Golem Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Die meisten Menschen bringen mit dem Namen des 1850 in Edinburgh geborenen Robert Louis Stevenson den berühmten Klassiker DIE SCHATZINSEL in Verbindung. Dass aus gleicher Feder die berühmte Arztgeschichte stammt, scheint nicht jeder nachzuvollziehen. In seine Erzählung steigt er, wie zu seiner Zeit sehr oft üblich, mit einem Ich-Erzähler ein, dem auch Gustav Meyrink in DER GOLEM folgt. Mr. Utterson vertritt als Rechtsanwalt die Interessen des zurückgezogen lebenden Wissenschaftlers Dr. Henry Jekyll. Er erteilte die Anordnung, im Falle seines Todes oder Verschwindens seinen Besitz einem gewissen Mr. Edward Hyde zu übergeben. Diese Anordnung und der Name des Fremden weckt seinen Argwohn und seine Neugierde zugleich. Mr. Hyde entspricht in seiner Eigenart dem genauen Gegenteil des zurückhaltenden Wissenschaftlers Dr. Jekyll. Gleichzeitig übt er anscheinend einen schlechten Einfluss auf den Doktor aus. Seit dem Erscheinen des suspekten Mister Hyde zieht sich der ehrbare Doktor Jekyll mehr und mehr aus dem gesellschaftlichen Leben zurück. Schließlich geschieht ein Mord und wird eindeutig Mr. Hyde angelastet. Mr. Hyde verschwindet dieser spurlos. Der Doktor widerruft daraufhin sein Testament und veranstaltet wieder Gesellschaften für seine Freunde und scheint sich des verderblichen Einflusses von Mr. Hyde entledigt zu haben. Wenig später geht in ihm eine erneute Veränderung vor. Dr. Jekyll schließt sich in seinem Laboratorium ein. Der Doktor arbeitet fieberhaft an chemischen Experimenten. Gleichzeitig weist er alle Besucher ab und lässt sich verleugnen, ja er zeigt sich selbst seinen eigenen Hausangestellten nicht mehr. Schließlich ruft sein Butler, der den gesuchten Mörder Hyde in der Nähe des Labors gesehen zu haben glaubt, Mr. Utterson zu Hilfe. Gemeinsam brechen sie in das Arbeitszimmer des Doktors ein und finden nur noch die Leiche von Mr. Hyde in der Kleidung des Doktors, und einige Schriftstücke. Aus diesen konstruiert Mr. Utterson schließlich die wahren Ereignisse. Dr. Jekyll stiess bei seinen Forschungen auf einen Trank mit dessen Hilfe er die böse Seite seiner Seele befreien und sich in Mr. Hyde verwandeln konnte. Zunächst genoss er diese Situation, konnte er in dieser Gestalt doch seine negative Seite ausleben, ohne sein Ansehen zu gefährden. Als er in Persona des Mr. Hyde jedoch einen Mord beging, schwor er die Droge nie wieder anzurühren. Wie das aber so ist, die Geister die man rief, wird man nicht mehr los. Eines Morgens wacht Henry Jekyll auf und hatte sich von allein in den negativen Mister Hyde verwandelt. Für die Rückverwandlung benötigte er jedoch wieder seinen Trank. Die Substanzen, aus denen der Trank hergestellt wurde, gingen zu Ende. Ohne Erfolg versuchte der Doktor, sein Experiment zu wiederholen. Er konnte seine Droge nicht wieder herstellen. Letztlich schrieb er in seinem Labor den Brief, den Rechtsanwalt Utterson schließlich fand. Bevor Henry Jekyll sich zum letzten Mal in Mr. Hyde verwandelte, schrieb er dieses Testament. Henra vergiftete sich, als Utterson und Butler die Tür aufbrachen, er wollte eine weitere Verwandlung in Mister Hyde verhindern.
Die Geschichte um Dr. Jekyll und Mr. Hyde begeisterte bereits viele tausend Leser und Liebhaber des Grusel-Genres. Die vorliegende neue Ausgabe des Klassikers beim Area Verlag hält sich sehr genau an die Originalausgabe. Die Spannende und faszinierende Geschichte zeigt die tiefsten und dunkelsten Abgründe, die hinter der zivilisierten Fassade des Menschen steckt. Das Tier im Menschen wird durch den Autoren R. L. Stevenson freigelassen. Er als Schriftsteller war mit seiner Geschichte seiner Zeit weit voraus. Als seine Frau die erste Fassung las, verbrannte er sie, da sie zu wenig "Moral" beinhaltete. Seit 1886 wurde das Buch immer wieder aufgelegt, verfilmt, als Radiohörspiel gesendet, auf CD und Platte gepresst, auf Bänder gespielt und als Theaterstück aufgeführt. Die menschliche Seele als bodenloser Abgrund wird durch ihn meisterhaft ausgeleuchtet. In der Moderne findet sich das gleiche Motiv in der Comic-Figur DER HULK wieder.
Das Phantom der Oper - Gaston Leroux
Ein Galaabend in der Pariser Oper. Die scheidenden Operndirektoren Debienne und Poligny werden prunkvoll im Rahmen der Gala verabschiedet, ihre Nachfolger Moncharmin und Richard in ihre Ämter eingeführt. An diesem Abend gleicht die Oper, einer Kleinstadt in einer Grossstadt gleich, einem Bienenschwarm. Alles was Rang und Namen hat lässt sich sehen.
Als während der Vorstellung der grosse Kronleuchter auf die Bühne fällt, verlässt die Diva entnervt die Bühne. Der Unfall geht wohl wieder auf das Konto des Phantoms. Seit einiger Zeit treibt es in der Oper sein Unwesen. Das Gesicht des Fremden ist hinter einer Maske verborgen, so dass niemand weiss, wer sich dahinter versteckt. Dieser Mann verliebt sich in die junge Christine Daaí. Um der talentierten Sängerin zu helfen, sorgt er dafür, dass die eigentliche Primadonna sich von der Bühne zurückzieht. An diesem Abend sang Christine Daaí sich in die Herzen des Publikums. Viele fragen sich nun, warum die junge Frau nicht früher in die Hauptrolle schlüpfen durfte. Die Antwort ist ganz einfach. Carlotta wollte das nicht. Der junge Vicomte Raoul de Chagny verliebt sich in Christine. Er will sie nach der unerklärlichen Ohnmacht hinter der Bühne aufsuchen, findet sie aber nicht mehr. Lediglich an eine dunkle Männerstimme kann er sich erinnern, findet aber die Garderobe leer vor. An diesem Abend stirbt auch der Maschinenmeister der Oper, ein gewisser Joseph Buquet.
Auf der Suche nach der Sängerin beginnt schliesslich ein wilde Jagd durch das verwinkelte Opernhaus. Hier könnte man, so in der Beschreibung von Gaston Leroux hineingedacht, fast eine Armee verstecken. Der im Jahr 1920 von Gaston Leroux geschriebene Roman wurde bereits mehrfach verfilmt und als Hörbuch veröffentlicht. Hinzu kommen diverse Schauspiel- und Musical-Aufführungen. Die vorliegende Ausgabe ist sehr gelungen und entspricht eher der, die ich bereits kenne und somit gut nachzulesen ist.
Der Golem - Gustav Meyrink
Gustav Meyrinks Ich-Erzähler hat über dem Lesen eines Buches über das Leben des Buddha Gotama ein Halbschlaf ergriffen, indem er nun träumt. Er meint, er sei der Mann Athanasius Pernath. der gut vierzigjährige Mann wohnt in der Hahnpassgasse des Prager Judenviertels. Er ist von Beruf Gemmenschneider und bessert zudem Antiquitäten aus. In seiner Wohnung taucht unverhofft ein seltsamer Herr auf, der sich benimmt, als sei er hier zuhause. Seine ‚Kinderstube’ scheint hinlänglich vernachlässigt, denn er grüsst weder, noch zieht er den Hut der Höflichkeit wegen. Statt dessen zieht er aus seiner Tasche ein altes Buch mit einem Metallumschlag. Die Initiale ‚I’ des Namens IBBUR muss erneuert werden. Athanasius nimmt den Auftrag an und genauso schnell wie er kam, ist der Fremde auch wieder verschwunden.
So beginnt die Erzählung um den Golem, jenes Wesen, das Rabbi Löw 1580 aus dem feuchten Lehm der Moldau herstellte. Doch die Vorschriften, wie der Golem erweckt werden soll, diese geheimen Botschaften aus der Kabbala sind seit langem verloren gegangen. Und als der Diener, den sich der Rabbi wünschte, gegen ihn revoltierte, riss er ihm den magischen Zettel aus dem Mund, so dass der Golem zu Boden stürzte. Dennoch hält sich das Gerücht, der Golem würde alle 33 Jahre durch das Judenviertel Prags ziehen.
Doch die Erzählung geht erst einmal weiter mit einem Hinweis auf den Trödler Aaron Wasserturm, der im Vorderhaus der Hahnpassgasse einen Laden unterhält. Und kaum ein Mensch weiss, dass gerade der ärmlich gekleidete Mann derjenige ist, dem grosse Teile des Judenviertels gehört. Der Mann wird zudem als hässlich und dennoch als typischer Jude beschrieben. Damit verfällt auch Gustav Meyrink den Vorurteilen der Menschen, die den Juden immer etwas unterstellen. Aaron Wasserturms Sohn ist oder besser war der berühmte Dr. Theodor Wassory, der ein Vermögen damit verdiente, gesunden Menschen einzureden krank zu sein. Als Augenarzt redete er den Menschen ein, sie würden an grünem Star erkranken und erst mit seiner Operation würden sie nicht erkranken. Diese Scharlatanerie wurde von einem Kollegen aufgedeckt. Durch diese Schmach wurde der Augenarzt in den Selbstmord getrieben.
Als Aaron herausfindet, dass besagter Dr. Savoli in einem Atelier neben der Wohnung von Athanasius Pernat ein Schäferstündchen hält, sinnt er auf Rache. Dabei ist die Mieterin des Ateliers die verheiratete Gräfin Angelina. Angelina bittet Pernat um Hilfe, als sie die Bedrohung erkennt und hofft, einer Scheidung und dem Verlust ihrer Tochter zu entgehen. Sie vertraut sich Pernat an, weil er ihr vor Jahren einmal anbot, ihr zu helfen. Doch das ist Vergangenheit. Aber vielleicht ist es diese Jugendliebe, die ihn in den Wahnsinn und für den Verlust seines Gedächtnisses verantwortlich war?
Das ist der Beginn eines langen Romans mit vielen verschiedenen Begebenheiten, die sich doch wieder zu einem Erzählstrang zusammenfinden. Die Erzählung von Gustav Meyer, so sein richtiger Name, weist einige Parallelen zu seinem eigenen Leben auf. Als uneheliches Kind des württembergischen Staatsministers Freiherr Karl Varnbühler von und zu Hemmingen und der Münchner Hofschauspielerin Maria Mayer zeigt er in DER GOLEM einige Missstände der Gesellschaft auf. Gleichzeitig zeigt er mit dem Happy End von Pernat und Miriam den Wunsch auf ein gesichertes Leben auf.
Der Golem erschien 1913 zuerst in der Zeitschrift DIE WEISSEN BLÄTTER, bevor der Leipziger Kurt Wolff das Manuskript veröffentlichte und innerhalb von zwei Jahren 145tausend Stück verkaufte. Obwohl das Buch DER GOLEM heisst, bildet diese Geschichte eher einen nicht greifbaren Hintergrund. Gustav Meyrink, der seit 1917 sich so nennen durfte, bleibt mit seiner düsteren und unheimlichen Geschichte ganz in der Tradition von Edgar Allen Poe und Howard Philip Lovecraft. Seine Erzählung zwischen Traum und Wirklichkeit lässt die Grenzen zueinander verschwimmen. Der Ich-Erzähler selbst ist eine fast körperlose Person, denn von ihm ist kaum die Rede. Er ist überall dabei, doch der letzte Schritt ins Paradies wird ihm verwehrt. Nur durch ein Gittertor erkennt er Athanasius und Miriam.
An dieser Stelle mag ein Hinweis auf die Hörbuchfassung von 2003 mit Wolf Euba als Sprecher gestattet sein. Der Ullstein-Hörbuch Verlag ist in seinem Bereich das, was der Area-Verlag im Buchbereich. Klassiker der Literatur finden Eingang in die neue Zeit, nachdem viele Jahre nur antiquarische Ausgaben zu haben waren.