Serie/Zyklus: Die Legenden von Phantásien, Band 2 Eine Besprechung / Rezension von Ulrich Blode |
In Michael Endes weltbekanntem Roman Die unendliche Geschichte entwendet der Junge Bastian Balthasar Bux ein Buch aus dem Antiquariat von Karl Konrad Koreander und versteckt sich damit auf einem alten Schulspeicher. Beim Lesen wird er immer mehr in die Geschichte hereingezogen. Er liest von Atréjus Abenteuern, von dem Glücksdrachen Fuchur, den phantastischen Landschaften mit ihren Bewohnern. Am Ende gelangt er selbst nach Phantásien und muss das Land vor dem "Nichts" retten.
In der Reihe Die Legenden von Phantasien knüpfen Ralf Isau, Tanja Kinkel, Ulrike Schweikert und andere Autoren an Michael Endes Satz: „... aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.“ an, um diese bislang unbekannten Geschichten zu erzählen.
Ohne den alten, freundlichen Bibliothekar Karl Konrad Koreander wäre Phantásien verloren gewesen. Er war es, der dem jungen Bastian Die unendliche Geschichte gab und ihm damit das Tor in das phantastische Reich öffnete. Jeder kennt diese Geschichte. Aber wie kam das Buch ursprünglich in die Bibliothek - und welche Abenteuer hat der junge Koreander selbst in Phantásien erlebt? (Klappentext)
Bibliotheken sind magisch, weil Bücher die Geschichten unzähliger Universen erzählen. Karl Konrad Koreander, der von Büchern fasziniert ist und sich mit ihnen bestens auskennt, kann sich zuerst nicht so recht entscheiden, ob er das Antiquariat des Thaddäus Tillmann Trutz betreten soll. Dabei hat er sich doch für eine Stelle beworben. Zu seiner Überraschung stellt Trutz, der einen geeigneten Nachfolger sucht, ihn ein. Das Antiquariat entpuppt sich als eine große Bibliothek, entgegen dem äußeren Anschein eines kleinen Ladens, und mit Büchern, die es eigentlich nicht geben dürfte. Hier, in der geheimen Bibliothek, stehen die Bücher Phantásiens.
Bevor alle Regularien abgeschlossen werden können, verschwindet Herr Trutz spurlos. Und Unheimliches geschieht mit den wertvollen Werken, die von dem geheimnisvollen "Nichts" bedroht sind. Koreander muss Trutz suchen und gelangt nach dem Hinweis eines kleinen Männchens in das Land Phántasien, einer fabelhaften Welt. Im "Haus der Erwartungen" der Hexe Hallúzina findet er Thaddäus Tillmann Trutz wieder, der durch seine lange Anwesenheit in Phantásien alle Erinnerungen verloren hat. Koreander trifft auf gefährliche und freundliche Wesen: dem König Kummulus mit seiner Imaginárien-Sammlung, den beiden steinernen Hände Lux und Nox, den Schwarz-Zentaur CaÃron oder das Drachenmädchen Outopia.
Ralf Isau hat einen sehr schönen Roman geschrieben, der völlig eigenständig von Michael Endes berühmten Roman gelesen werden kann. Der Leser gewinnt den Eindruck ein Gemälde vor sich zu haben, das beim Betrachten ständig neue Details offenbart. Bis auf kleinere Fehler sind Handlung, Orte und Personen in sich stimmig. Besonders viel Spaß macht es eine Geschichte zu lesen, die abseits der gängigen Fantasy-Abenteuer mit Elfen und Zwergen spielt. Koreander ist kein klassischer Held, sondern ein Mensch, der wissbegierig und unsicher ist.
Isau geht auch auf die Frage ein, was das "Nichts" ist, das alles verschlingt und die Welt bedroht. Es ist nicht nur der Hang zur Realität und der Abkehr von den Träumen, sondern auch die Büchervernichtung und das Gedankenverbot. Der Roman nimmt besonders Bezug auf die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Es ist fraglich, ob diese Entscheidung Isaus gelungen ist. Die Thematik von Die geheime Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz rückt als Kritik in die Nähe einer historischen Diktatur und verliert ein Teil des zeitlosen Charakters. Schlüssig wäre dieses Vorgehen nur, wenn es ein zeitgenössischer Roman wäre, aber nicht bei einer Erzählung siebzig Jahre danach.
Die geheime Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz ist ein märchenhafter, philosophischer und spannender Roman. Sehr gut!
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