Vorgestellt von Wiebke Schiefelbein (ElvenArcher) und Erik Schreiber.
Michael Andreas Helmuth Ende
12.10.1929 bis 28.08.1995
Biographie
Wer kennt nicht das kleine Mädchen mit ihrer Schildkröte und ihrem Kampf gegen rauchende Grosskriminelle? Oder die schwierigen Prüfungen des Jungen auf dem Dachboden, der sich im unendlichen Land Phantasien wiederfindet? Wer kennt ihn nicht, den kleinen Mohren, der auf eine einsame Insel verschickt wird und schliesslich bei einer kinderlosen Krämerin aufwächst. Bald kennt er die ganze Insel, verkehrt in Adelskreisen, bei den Gut-Bürgerlichen ebenso und hilft fachmännisch den Proletariern der Insel. Nun, klingelts? Genau, ich spreche von Jim Knopf.
Manch einem mag die Beschreibung etwas ungewöhnlich vorkommen, bei den Verlagen, bei denen Michael Ende vorsprach, kam die Vorlage auch nicht so gut an. Erst der Thienemann Verlag in Stuttgart gab Michael Ende die Chance. Heute gibt es in Deutschland kaum ein Kinderzimmer, in dem seine Bücher nicht vorhanden sind, oder in denen nicht mindestens eine seiner Geschichten vorgelesen wurde.
Seine Bücher um Jim Knopf, Momo oder das Traumfresserchen machten ihn unter den Kinder wohlbekannt. Dabei kann man seine Zielgruppe heute nicht mehr am Alter oder Geschlecht festmachen, denn sein schriftstellerisches Hauptwerk, Die unendliche Geschichte, ist in allen Bevölkerungsschichten gleichermassen beliebt.
Michael Andreas Helmuth Ende, ein Meister phantastischer Geschichten, wurde am 12. Oktober 1929 in Garmisch-Partenkirchen geboren, wäre mithin in diesem Jahr 75 Jahre alt geworden. Sein Vater Edgar Ende (1901 - 1965) war ein bekannter surrealistischer Maler, dessen Bilderkunst in der Zeit des 1.000jährigen Reiches als entartet galt. Daher erhielt Edgar Ende ab 1936 ein Berufsverbot, ausgesprochen durch die Reichskulturkammer. Seine Mutter Luise, geborene Bartholomä (1892 - 1973) war eine liebevolle Frau, die ihn gern umsorgte.
Im zarten Alter von zwei Jahren zog die Familie nach München-Pasing, wo sie es durch des Vaters Berufsverbot nicht sehr einfach hatten. Mutter Luise war Heilgymnastikerin und Masseurin und versorgte die Familie. Michael ist kein begeisteter Schüler, wie viele andere Kinder seines Alters ebenfalls. Mit 12 Jahren erlebt er seinen ersten Bombenangriff. 1945, kurz vor Kriegsende, Michael war gerade 16 Jahre alt, erhielt er die Einberufung zur Waffen-SS, der er jedoch nicht nachkam. Aus der Landverschickung flieht er zu seiner Mutter nach München, schliesst sich der "Freiheitsaktion Bayern" an, während sein Vater weiterhin in amerikanischer Kriegsgefangenschaft ist.
1946 besucht Michael bereits wieder das Gymnasium in München, wechselt jedoch bald nach Stuttgart in eine freie Waldorfschule. Sein eigentliches Gebiet war jedoch die Literatur. Seine ersten Gedichte schrieb er 1943. Für Rundfunk und Kabarett schrieb er Texte. 1947 wird "Der Gaukler" in der Esslinger Zeitung veröffentlicht. Ein Jahr später besteht er die Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule Otto Falckenberg. Während seines zweijährigen Stipendiums lernt er moderne und klassische Schauspieltheorien. Ihm folgt ein Engagement an der Schleswig-Holsteiner Landesbühne in Rendsburg. 1952 lernt er die Schauspielerin Ingeborg Hoffmann kennen und lieben.
Sie hegt eigentlich den Wunsch nach einer gescheiterten Ehe in die Staaten auszuwandern, doch bleibt sie wegen ihm in Deutschland. Es ist auch das Jahr, in dem er beginnt hauptberuflich für verschiedene Kabaretts Sketche und Lieder zu schreiben. Im Jahr darauf trennen sich Michaels Eltern. Er kümmert sich sehr intensiv um seine Mutter, die allen Lebensmut verlor und sogar versuchte Selbstmord zu begehen. Er selbst arbeitet ab 1954 für den Bayerischen Rundfunk als Filmkritiker. Leider reicht das Geld nicht zum Leben. 1955 schreibt er für das Kaberett ‚Die kleinen Fische’ einen Sketch zum 150sten Todestag von Friedrich Schiller. Mit diesem Sketch, indem ein Schiller-Denkmal befragt wird, antwortet eben jenes mit Zitaten aus Schiller-Werken. Dieses Gespräch macht ihn bekannt und in der Folgezeit arbeitete er mehr und mehr in diesem Bereich. Andererseits befasste er sich intensiv mit der Kunstauffassung von Bertold Brecht. Diese Arbeit zeigt ihm aber auch, dass er und Beertold Brecht unterschiedlicher Meinung zu Theater und Literatur sind. In einer Diskussionsrunde mit Joseph Beuys meinte er: "Ich will meinen Leser zunächst unterhalten. Ich will ihn zu einer Art gemeinsamen Spiel einladen, und wenn er sich auf das Spiel einlässt, wird er dabei einiges Erleben, was ihn vielleicht innerlich reicher macht."
1956 lebt Michael Ende für einige Monate im italienischen Palermo. Hier beeindruckt ihn vor allem die gelebte Tradition der Geschichtenerzähler. Als ihn ein alter Schulkamerad um einen Text für ein Kinderbuch bittet, beginnt Michael zu schreiben. Doch aus dem kurzen Text wird etwas langes, das schliesslich in zwei Bücher aufgeteilt. So entsteht sein erstes Kinderbuch, jenes im Anfang erwähnte Jim Knopf und Lukas den Lokomotivführer. Mit diesem Buch gelang ihm sein schriftstellerischer Durchbruch. Er tingelte mit seinem Manuskript von Verlag zu Verlag, bis er in Stuttgart beim Thienemann Verlag einen Erfolg verbuchen konnte. Im folgenden Jahr erhielt Michael Ende den Jugendliteraturpreis für diese Geschichte.
Einem grossen Publikum wurde Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer bekannt, als die Augsburger Puppenkiste sich diesem Themas annahm und auch später die Fortsetzung Jim Knopf und die Wilde 13 erschien.
Michael Ende ist inzwischen finanziell unabhängig, kündigt seinen Rundfunkjob und schreibt Theaterstücke. Am 7. August 1964 heiraten er und Ingeborg Hoffmann in Rom. 1966 erfüllt er sich den Traum vom eigenen Schloss. Vier schwere Jahre lang gibt er sein ganzes Geld aus, nur um zum Schluss ein unbewohnbares Schloss aus dem Jahr 1415 wieder zu verkaufen. 1970 zog Michael Ende, von Deutschland enttäuscht, mit seiner Frau Ingeborg nach Italien. In seiner ‚Villa Einhorn’ nähe Genzano, südlich von Rom, lebte und arbeitete er. Hier entstanden Momo, Die unendliche Geschichte, Das Traumfresserchen und anderemehr. Für Momo erhielt er ebenfalls den Deutschen Jugendliteraturpreis.
Momo wurde verfilmt, wie auch die später erschienene Erzählung Die unendliche Geschichte. Diese war es schliesslich auch, die ihn berühmt machte. Dabei war er mit der Verfilmung gar nicht einverstanden. Bernd Eichingers Produktion, mit Regisseur Roland Emmerich, der später in seinen Filmen New York mehr als einmal in Schutt und Asche legte, entsprach nicht dem, was sich Michael Ende für seinen Film vorstellte. Im Nachhinein bezeichnete er den Film mit nicht gerade freundlichen Eigenschaften. Der Film, von der Neuen Constantin Filmgesellschaft hergestellt, ist für ihn der schlimmste Kitsch. Als Entschädigung gewissermassen ist die Uraufführung "bairischen Mär mit Musik", Der Goggolori, im Jahr 1985 ein grosser Erfolg. Sie entstand in der jahrelangen Zusammenarbeit mit dem Komponisten Wilfried Hiller. Diese Oper wird zur meistgespielten deutschen Oper nach dem zweiten Weltkrieg.
Einen Monat nach der Uraufführung seiner Oper stirbt seine Frau Ingeborg an einer Lungenembolie. Der Tod seiner Frau und Vertrauten, der Gesprächspartnerin in künstlerischen Fragen, erschüttert ihn sehr stark. Die Folge ist, dass Michael mit seinem Hab und Gut zurück nach Deutschland reist. Noch im gleichen Jahr trifft er seine japanische Übersetzerin Mariko Sato wieder. Vier Jahre später heiratet das Paar. Ein Jahr vorher jedoch hatte ihn ein finanzieller Tiefschlag getroffen. Er erfuhr, dass sein Steurberater ihn betrog und mit Schulden in Millionenhöhe sitzen liess. Freunde und der Thienemann Verlag halfen ihm aus dieser Misere. Vor der Öffentlichkeit konnte dieses Malheur lange Zeit geheim gehalten werden.
In den folgenden Jahren veröffentlicht er weitere Bücher und Theaterstücke. Seine Bücher erreichten inzwischen eine Gesamtauflage von 15 Millionen und liegen heute, 2004, sicher bei knapp 25 Millionen. In seinem ganzen Leben haben ihn die sogenannten Kritiker immer gemieden. Michael Ende meinte einmal sehr treffend: "Man darf von jeder Tür in den literarischen Salon treten: aus der Gefängnistür, aus der Irrenhaustür oder aus der Bordelltür. Nur aus einer Tür darf man nicht kommen, aus der Kinderzimmertür."
Im Juni 1994 wird Michael Ende in einem Münchner Krankenhaus am Magen operiert. Trotz frühzeitiger Untersuchungen, konnte der Magenkrebs nicht erkannt und später trotz Chemoterapie nicht geheilt werden.
Inzwischen wurden die Werke von Michael Ende als Zeichentrickfilme verarbeitet, als Hörbücher und als Kino-Filme. Mit seinen Büchern zählt er heute zu den bekanntesten deutschen Schriftstellern, der zwar ein vielseitiger Autor war, dennoch meist als Jugenbuchautor gehandelt wird.
Seine Bücher wurden mittlerweile in vierzig Sprachen übersetzt. Für sein schriftstellerisches Werk erhielt er viele Deutsche und Internationale Preise und Auszeichnungen. Dabei stieg die Gesamtauflage seiner Bücher auf über 25 Millionen Exemplare an. Die Themen, die er in seinen Erzählungen behandelte, galten immer dem Finden des eigenen Standpunktes. Ob Jim (siehe Einleitungstext) oder Momo oder Bastian. Sie waren immer nach der Suche nach ihrem eigenen Lebensmittelpunkt, ihrer Stellung in der Gesellschaft.
In meist bildhafter und um so einfühlsamerer Sprache beschrieb er die vielen Lebensmöglichkeiten und die Grenzen der eigenen Verantwortung. Seine Helden waren immer Figuren, die irgendwo am Rande der Zivilisation lebten. Die Beziehungen zwischen ihnen und ihrer Umwelt waren dem deutschen Autoren wichtige Ausgangspunkte um Erfahrungen in der Welt zu sammeln. Dabei wurde das "Haben wollen", der Materialismus ein wenig überbetont, um ihn im Anschluss daran ein wenig zu verteufeln.
Ihm verdankt es mancher Leser, über sich selbst nachzudenken. Dafür wurde die Lust am Leben, an der Einfachheit der Welt, wieder zu einem Ziel. Michaels Liebe galt dem geschriebenen Wort. In Form spannender Bücher, lustiger Geschichten, Singspielen und anderen mehr, in denen fabelhafte Wesen ungeahnte Abenteuer erlebten. Seine Welt war das Wort. Er war ein wortgewandter Lautmaler, dessen Zeichnungen in Form von Worten und Beschreibungen in unser Herzen Einzug hielten. In unserer technisierten, Computer beherrschten Zeit ist ein Träumer wie Michael Ende der Hüter des verloren gegangenen Reiches Phantasien.
Michael Ende starb am 28. August 1995 nach langer schwerer Krankheit in Stuttgart. Im Jahre 1998 wurde in der Internationalen Jugendbibliothek in der Blutenburg, in München, ihm zu Ehren ein Michael Ende Museum eingerichtet
Pseudonyme:
Keine bekannt
Bibliographie (Auswahl):
[Auf fictionfantasy.de rezensierte Bücher sind mit Link unterlegt und fett gekennzeichnet.]
Romane / Jugendbücher |
||
Titel |
Anmerkungen |
© Jahr |
Band 1 |
|
|
Jim Knopf und die Wilde Dreizehn |
Band 2 |
|
Momo |
Illustriert von Michael Ende |
1972 |
Illustriert und ausgestattet von Roswitha Quadflieg |
1979 |
|
Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch |
Illustriert von Regina Kehn |
1989 |
Lenchens Geheimnis |
Illustriert von Jindra Capek |
1991 |
Der lange Weg nach Santa Cruz |
Illustriert von Regina Kehn |
1992 |
Die Zauberschule |
Illustriert von Bernhard Oberdieck |
1994 |
Die Zauberschule im Wünschelreich |
Illustriert von Kathrin Treuber |
|
Bilderbücher |
||
Titel |
Anmerkungen |
© Jahr |
Tranquilla Trampeltreu, die beharrliche Schildkröte |
Illustriert von Marie-Luise Lemke-Pricken |
1972 |
Das kleine Lumpenkasperle |
Illustriert von Roswitha Quadflieg |
1978 |
Lirum Larum Willi Warum |
Illustriert von Roswitha Quadflieg |
1978 |
Das Traumfresserchen |
Illustriert von Annagert Fuchshuber |
1978 |
Der Lindwurm und der Schmetterling |
Illustriert von Manfred Schlüter |
1981 |
Die Balade von Norbert Nackendick |
Illustriert von Manfred Schlüter |
1984 |
Filemon Faltenreich |
Illustriert von Christoph Hessel |
1984 |
Ophelias Schattentheater |
Illustriert von Friedrich Hechelmann |
1988 |
Die Geschichte von der Schüssel und vom Löffel |
Illustriert von Tino |
1990 |
Teddy und die Tiere |
Illustriert von Bernhard Oberdieck |
1993 |
Die Rüpelschule |
Illustriert von Volker Fendrich |
|
Diverse Werke |
||
Titel |
Anmerkungen |
© Jahr |
Das Schnurpsenbuch |
Nonsens-Gedichte und Zaubersprüche |
|
Die Schattennähmaschine |
Sammlung von Gedichten |
1982 |
Mein Lesebuch |
Anthologie |
1983 |
Die Archäologie der Dunkelheit - Gespräche über Kunst und das Werk des Malers Edgar Ende |
Zusammen mit Jörg Krichbaum |
1985 |
Geschichten inspiriert von den Werken Edgar Endes |
1983 |
|
Das Gefängnis der Freiheit |
Erzählungen |
1992 |
Die Vollmondlegende - Bilderbuch für Erwachsene |
Illustrationen und Gestaltung von Binette Schroeder |
1993 |
Michael Endes Zettelkasten |
Skizzen und Notizen |
1994 |
Themenbereich "Phantastik für Kinder und Jugendliche"
Autoren, Buch- und Film-Rezensionen