Reihe: ~ Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Der Obelisk ist ein sehr beeindruckendes Bauwerk. In der Umgebung dieses Siegesdenkmals ist es sehr kalt. Scott hat den Eindruck, in der Umgebung würde alle Energie abgesaugt. Trotz der militärischen Absperrung gelingt es den beiden, einen Teil der Inschrift zu entziffern. Unter dem Antlitz des Kuin ist die Jahreszahl 2041 eingraviert. Damit kommt dieses Objekt zwanzig Jahre aus der Zukunft. Der Rest der Inschrift berichtet vom Sieg des Kuin über die Welt. Er ist es, der die Welt unterworfen hat.
Scott ist als einer der ersten in der Nähe des Obelisken und einer der ersten Männer, die vom Militär verhaftet und befragt werden. Die Befragung wird nicht gerade sanft und kurz durchgeführt. Als Scott Warden wieder an seinen Urlaubsort zurückkehrt, sind seine verbitterte Frau und seine Tochter verschwunden. Er macht sich auf die Suche, eine erfolglose Suche. Er macht sich auf den Weg nach Amerika, muss sich aber beim Drogenhändler Paley Geld borgen. Dafür verlangt Paley einen Gefallen.
In der Zwischenzeit materialisieren weitere Obelisken. Bangkok fällt ihnen zum Opfer, Macao, Taipeh, Sapporo und viele weitere Städte und Landstriche. in China zerstören sie einen Staudamm. Als die chinesische Führung beschließt, einen der Obelisken zu zerstören, ist die Erfolgsaussicht minimal. Der Erfolg des Angriffs mittels Atomrakete sorgt dafür, dass das umgebende Land radioaktiv verstrahlt wird, ohne auch nur einen Kratzer in das unbekannte Material zu machen. Durch die vielen Obelisken und deren Zerstörungen gerät die Weltwirtschaft ins Wanken. Ganze Städte und ihre Industrieanlagen werden ausgelöscht, sodass zum einen die Produktion stillliegt, zum anderen die Märkte fehlen. Eine weitere Veränderung betrifft das Wetter des Landes. Durch die Kälte, die die Obelisken ausströmen, verändert sich das Klima.
Wieder in den USA, findet Scott seine Familie wieder. Seine Noch-Frau Janice erklärt ihm, was er alles an Fehlern, nicht nur in Thailand, gemacht hat. Seine kleine Tochter musste mit einer gefährlichen Ohreninfektion in das dortige Krankenhaus. Infolge dieser Bakterieninfektion ist die Kleine auf einem Ohr fast taub. Seitdem hatte Janice keinen Kontakt mehr zu Scott. Er war nirgends zu finden, und als Janice mit Tochter endlich zurück in die USA konnte, war er auch nicht da. Scott muss sich ab sofort allein durchschlagen und kann von Glück reden, wieder einen Arbeitsplatz zu finden, den er als Programmierer ausüben kann. Für seine Tochter, die bei der wieder verheirateten Mutter lebt, hat er ein Besuchsrecht. Daher verläuft sein Leben nach festgelegten Regeln.
Jahre später verliert er grundlos seinen Arbeitsplatz bei Campion-Miller. Seine ehemalige Dozentin steckt hinter der Entlassung, denn sie will ihn als genialen Entwickler für ihr Projekt. Die Chronolithenforschung. Ihr ist es gelungen vorherzusagen, wo der nächste Obelisk auftrifft. In den meisten Fällen ist es Südostasien, und die Aufschriften berichten vom Sieg des Kuin.
Und jetzt geht die Erzählung erst richtig los. Wie bereits bei Darwinia benötigt Robert Charles Wilson einen etwas längeren Anlauf, um Spannung in den Roman zu bringen. Betrachtet man den Roman von Wilson als einen Invasionsroman, die in den Vereinigten Staaten zur Zeit Hochkonjunktur haben, dann ist es eher die Invasion einer besonderen Art. Die Eroberung kommt nicht von einem sichtbaren Feind, der mit Raumschiffen, Transmittern oder gar von den Menschen selbst ausgeht, sondern aus der Zukunft. Daher fällt es den Menschen schwer, sich gegen diese Invasion zu wehren. Der Ansatz ist daher auf der einen Seite die Veränderung der Gesellschaft, um die Gesellschaft der Zukunft positiv zu beeinflussen, was in diesem Fall wenig bis gar nicht zur Erklärung herangenommen wird. Der zweite Ansatz ist, die Obelisken zu zerstören und damit der Invasion aus der Zukunft die Kraft zu nehmen. Daher verwundert es nicht, dass Sulamith Chopra, die ehemalige Dozentin von Scott Warden, eine Möglichkeit findet, die Stabilität des Obelisken zu beeinträchtigen und damit zu zerstören. In den zwanzig Jahren des Erzählzeitraumes ist eine solche Entwicklung durchaus nachvollziehbar. Gleichzeitig nähert man sich aber auch dem Zeitpunkt, der auf den Obelisken angekündigt wurde.
Einhergehend mit der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Phänomen Obelisk und der Anstrengung, ihn zu zerstören, bilden sich diverse Kulte, die die Ankunft des Kuin begrüßen. Wilson geht sogar weiter in seiner Beschreibung und lässt militante Gruppen entstehen. Befürworter wie auch Gegner bekämpfen sich bis aufs Blut. Gleichzeitig wird Scott vom Autor in unmittelbare Gefahr durch die Kultisten gebracht. Während eines Frei-Luft-Konzertes in der Nähe des Städtchens Portillo kommt es zu einer Auseinandersetzung. Alle warten auf die Ankunft eines neuen, von Frau Chopra angekündigten Obelisken. Wilson geht noch einen Schritt weiter und geht von den gleichen Bedingungen aus, die Sekten wie die Scientology ausüben. Menschen unterliegen einer Gehirnwäsche, glauben nur noch an das, was in entsprechenden Büchern geschrieben steht und erkennen ihre Angehörigen als solche nicht wieder. Hier findet Scott auch seine Tochter Kaitlin wieder, nach der er bereits einige Zeit erfolglos forschte. Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, Robert Charles Wilson führt eine Wendung in seinem Roman durch. Aus dem Invasions-Drama wird eine psychologische Erzählung. Es geht immer mehr um die Kultisten und die Auswirkung von Politik und Kult auf die Menschen und deren Verhaltensmuster. Scott will sich aus der negativen Entwicklung heraushalten, muss aber feststellen, dass er seit langer Zeit schon ein Teil der Entwicklung ist. Er hat keine Möglichkeit, seine Beteiligung zu leugnen oder rückgängig zu machen. Robert Charles Wilson ist ein neuer Autor, den ich zuerst mit Robert Anton Wilson verwechselte. Aber nur der Namensähnlichkeit wegen nicht vom Schreibstil. Die Übersetzung ist auch gut, hätte aber an manchen Stellen auf eine Fußnote verzichten und stattdessen gleich die bekannten deutschen Bezeichnungen einsetzen sollen. Dadurch wäre die Erzählung gleich ein wenig besser geworden, vor allem verständlicher und lesbarer. Da Herr Wilson mehr Wert auf die Schilderung eines menschlichen Dramas legt, hebt er sich nicht nur durch die Art, sondern auch durch den Inhalt von anderen Invasions-Romanen ab.
Die Chronolithen - Rezensionsübersicht