Serie / Zyklus: Fall Revolution, Band 3 Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Der vorliegende Roman von Ken MacLeod spielt in dem selben Universum wie Das Sternepnrogramm und Die Mars-Stadt, die ebenfalls beide in der SF-Reihe des Heyne-Verlags vorliegen. Da Ken MacLeod zu den Autoren gehört, die von Sascha Mamczak hierzulande neu aufgebaut werden sollen, sind weitere Romane von ihm geplant. Wann allerdings der vierte Roman in deutscher Übersetzung erscheinen wird, ist noch völlig offen. Durch den nochmaligen Verkauf des Heyne-Verlags und den momentanen kartellrechtlichen Überprüfungen dieses Verkaufs, können noch keine Aussagen zum Winterverlagshalbjahr 2003/2004 getätigt werden.
Die Handlung des Romans ist zu Beginn im Sonnensystem, hier sogar auf der Erde, und dann im weiteren Verlauf auf dem "Neuen Mars", der bereits Handlungsort von Die Mars-Stadt war, konzentriert. Betrachtet der Leser alle drei Romane auf einen Zeitstrang, so ist Die Cassini-Division auch vom zeitlichen Standpunkt her der dritte Roman.
Die Hauptfigur des Romans ist eine Frau, nämlich Ellen May Ngwethu, ein führendes Mitglied der Cassini-Division. Die Cassini-Division stellt dabei eine Eliteeinheit der Solaren Union dar, deren Aufgabe vor allem darin besteht die Menschen vor Wesen von Außen zu beschützen. Konkret handelt es sich hierbei um Wesen, die sich auf dem Jupiter angesiedelt haben und ggf. durch ein dort vorhandenes Wurmloch in das Sonnensystem eindringen könnten. Bei beiden "Gegnern" handelt es sich um sich weiterentwickelte Menschen, wobei die Angehörigen der Cassini-Division nicht davon ausgehen, dass die Wesen, die sich auf dem Jupiter angesiedelt haben, noch menschenähnlich sind.
Die Jupiter-Wesen haben sich aus Menschen entwickelt, die nach dem Zusammenbruch der irdischen Staaten und den daraus resultierenden Kriegen u. ä. von der Erde flohen, ein Wurmloch konstruierten und hindurchgingen. Irgendwann kehrten sie dann zurück, siedelten sich auf dem Jupiter an und durchliefen in den letzten 200 Jahren scheinbar eine rasante Entwicklung. Genau kann dies niemand sagen, denn schließlich liegt die Hauptaufgabe der Cassini-Division darin, dass rein gar nichts den Jupiter verlassen kann. Vor 200 Jahren haben upgeloadete Bewusstseinsfragmente bzw. Programme dieser Wesen die menschliche Technik infiltriert und übernommen, so dass es zu schweren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schäden kam. Da die Wesen durch das Wurmloch von einem Planeten kamen, der als Neuer Mars bezeichnet wird und auf denen menschliche Bewußtseine in künstlichen Körpern existieren und sich weiterentwickelt haben, ist das Sternentor der zweite Bewachungsschwerpunkt der Division.
In diesem Spannungsfeld spielt nun der Roman von Ken MacLeod. Wichtige Hintergründe sind dem Leser bereits durch seine ersten beiden Romane bekannt. Sollte er diese noch nicht gelesen haben oder sich nicht mehr an die Handlung erinnern können, ist dies für die Lektüre des vorliegenden Romans nicht schädlich. Zu Beginn des Romans ist die Handlung auf der Erde angesiedelt. Ellen May Ngwethu begibt sich auf die Suche nach dem genialen Wissenschaftler Isambard Kingdom Malley, der die Theorie aufstellte, dass es eine Möglichkeit gibt durch das Wurmloch zu gelangen, was letztlich ja bewiesen wurde. Nun soll er der Division behilflich sein auf die andere Seite zu gelangen, um letztlich die Bedrohung durch den Neuen Mars auszuschalten.
Ken MacLeod baut seinen Roman so auf, dass er seine Leser langsam an seine Welt heranführt. Die Gesellschaftsformen auf der Erde sind hierbei Weiterentwicklungen bereits bekannter und vorerst gescheiterter Orientierungen. In Ken MacLeods Roman herrscht eine anarchistisch-sozialistische Gesellschaftsform vor. In London, welches durch den Dritten Weltkrieg schwer mitgenommen wurde, leben sowohl Menschen in kommunistischen Formen, die vor allem aufgrund der tatsächlich für alle gleich vorhandenen Güter funktioniert, wie auch Menschen, die sich bewusst einem Leben ohne Technik verschrieben haben und so wie zur Zeit vor der Industrialisierung leben. Ellen dagegen nutzt die technischen Möglichkeiten ihrer Zeit voll aus. So wird vom Autor eine große gesellschaftliche und technologische Bandbreite dargestellt, die friedlich nebeneinander existiert. Zwar sind kleinere Konflikte weiterhin nicht gänzlich ausgeschlossen, aber weit von den kleinen und großen nationalistisch oder religiös geprägten Konflikten der Vergangenheit entfernt.
Gerade zu Beginn des Romans, in dem der Leser mit dem Handlungshintergrund des Romans vertraut gemacht wird, hat der Autor seine stärksten Passagen. Hier gelingt es ihm eine Welt darzustellen, die trotz all ihrer Widersprüchlichkeit zu funktionieren scheint. Im weiteren Verlauf, wenn es in die Weiten des Sonnensystems geht und der Konflikt zwischen den drei Parteien geschildert wird, verliert sich der gute Eindruck wieder.
Bereits bei der Lektüre von Die Mars-Stadt konnte ich nicht immer den Gedankengängen des Autors folgen bzw. sein Gedankengebäude einordnen. Dies geschah auch bei der Lektüre des vorliegenden Romans, der zum Ende hin an Spannung verlor. Der Leser der Romane von Ken MacLeod muss sich auf Diskussionen über Gesellschaftsformen in all ihren Ausprägungen mit mehr oder minder starken philosophischen einlassen wollen. Dies zieht sich durch seine drei auf deutsch vorliegenden Romane durch und trägt natürlich wesentlich zum Erfolg des Autoren bei. Er beschreibt nicht nur zukünftige Gesellschaftsformen oder entwickelt lediglich einen Romanhintergrund, sondern er verlangt auch von seinen Lesern, dass sie sich zumindest in einem geringem Maße mit seinem Hintergrund auseinandersetzen. Nicht jeder Leser dürfte dazu bereit sein, zumal wenn er sich nur unterhalten und entspannen möchte bei der Lektüre der Romane.
Vielleicht ist hierin ein Teil der sehr unterschiedlichen Bewertungen der Romane zu suchen. Bislang habe ich noch in keine euphorische Rezension gelesen. Alle erkennen zwar das Bemühen des Autors an tiefer auf die unterschiedlichen Gesellschaftsformen einzugehen und diese durchzudiskutieren, vermissen dabei aber einen spannenden Handlungsbogen, der in der Lage ist diese Botschaft über den gesamten Roman zu tragen. Solch eine Mischung scheint Ken MacLeod noch nicht gelungen zu sein.
Mir persönlich erging es ähnlich. Mir fehlte gerade zum Ende hin eine nachvollziehbar und spannend aufgebaute Handlung. Dennoch würde ich jedem die Lektüre eines von MacLeods Romanen empfehlen.
Die Cassini-Division - Rezension von Cornelius Ibt-von Seht
Eine Übersicht der Serie gibt es auf der Autorenseite
[Auf fictionfantasy.de rezensierte Bücher sind mit einem Link unterlegt und fett gekennzeichnet.]