Serie / Zyklus: Utopisch-Phantastische Bibliothek, Band 2 Besprechung / Rezension von Ulrich Blode |
Die Utopisch-Phantastische Bibliothek des Shayol Verlags ist eine Sammlung kommentierter Zeitdokumente zur Science Fiction. Während der erste Band Das Automatenzeitalter eine technische Vision par excellence und soziale Utopie war, ist Der Freiheit entgegen. Ein Roman von Deutschlands Zukunft eine völkische Utopie zur Zeit der Weimarer Republik, in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts. Ursprünglich erschien der Roman 1930 als Fortsetzung in einer Tageszeitung und malt ein Bild der nahen Zukunft. "Die Folgen des verlorenen Krieges, der Untergang der Monarchie, Chaos, Putsche, Attentate, Inflation und Reparationslasten traumatisierten weite Teile der Bevölkerung. Der neuen Republik wurden Gesellschaftsentwürfe von links und rechts entgegengehalten, die eher Abrechnung mit dem Heute als Entwurf für das Morgen waren." (Text vom Beiblatt).
Der Freiheit entgegen beginnt wie ein Wirtschaftskrimi, in dem ein ausländisches Unternehmen alle Getreideernten der Welt aufkauft. Der Angestellte Hartmann erkennt die Gefahren für seine Heimat Deutschland und warnt die Regierung, obwohl er nach dem Ersten Weltkrieg schmählich empfangen wurde. Später kehrt er ganz zurück nach Deutschland und baut mit anderen Weltkriegsoffizieren eine neue Luftflotte auf. Das scheint auch geboten, denn Frankreich will seinen Rivalen Deutschland, dem es wirtschaftlich zunehmend besser geht, militärisch niederzwingen und durch Reparationsleistungen an Deutschland die eigene Wirtschaft fördern. Die deutsche Luftflotte kann die Niederlage abwenden und handelt damit entgegen der abwartenden Haltung der Regierung.
Der Roman hat insofern eine Relevanz, nämlich als Negativ-Beispiel, wie mit dem eigenen Leid umgegangen wird. Es wäre absurd nicht der eigenen Opfer zu gedenken bzw. sich das von anderen verbieten zu lassen. So bringt der Autor Wilhelm Lehner zum Teil begründete Kritik an den auferzwungenen Lasten nach dem Weltkrieg vor, doch das war nicht sein Anliegen einen Roman zu schreiben. Es geht um nichts anderes als Aufrechnung und dem Gedanken Rache zu nehmen. So lässt Lehner die Protagonisten die gesamte Stadt Verdun vernichten, weil ein Kamerad von den Franzosen hingerichtet wurde. Die Widersprüchlichkeit besteht darin, dass er das eigene Tun als positiv und nützlich deutet, das gleiche bei den Gegnern als schändlich einstuft. Lehner nimmt die Sinnlosigkeit des tödlichen Kreislaufs in Kauf, erkennt sie erst gar nicht und ist nicht fähig zu sagen „Es ist genug“. Nach dem Ersten Weltkrieg gab es klügere Analysen, z. B. von Erich Maria Remarque oder Johannes R. Becher.
Der vorliegende Band ist ein Stück Sekundärliteratur, das einen bisher unbekannten Titel deutscher Zukunftsliteratur kritisch beleuchtet. Wilhelm Lehners Erzählung ist im Rahmen der Einführung und des Nachwortes Wolfgang Boths zu sehen. Weniger die Geschichte, als vielmehr die anschließende Analyse ist wichtig. Der Herausgeber Wolfgang Both stellt die gesellschaftlichen und politischen Ursachen und Zusammenhänge dieser Meinung in einer treffenden Aufarbeitung heraus. Der Revanchismus Lehners gründet u.a. auf der Weltkriegsniederlage Deutschlands, den hohen Reparationsforderungen und wirtschaftlichen Folgen, der politisch instabilen Lage und der ablehnenden Haltung des Autoren gegenüber der vorherrschen Politik. Entgegen den Entspannungsbemühungen, z.B. von Stresemann, vertritt Lehner eine rückwärtsgewandte Auffassung, der Wiederherstellung alter Zustände.
Interessant, jedoch nicht unbedingt von Nöten, wäre eine Einordnung in die Zukunftsliteratur der damaligen Zeit. Both streift das Thema der literarischen Einordnung leider nur am Rande. Durch die Publikationsform als Roman mit ausführlicher Kommentierung erhält die Utopisch-Phantastische Bibliothek einen nicht zu unterschätzenden wissenschaftlichen Stellenwert.