Serie / Zyklus: "Kultur"-Universum |
Lange hat der hiesige Fan auf einen neuen Kultur-Roman des schottischen Autoren warten müssen. Bei dem zuletzt bei Heyne erschienenen Roman Exzessionen handelte es sich lediglich um die Taschenbuchausgabe des bereits 1997 im Hardcover verlegten Romans Die Spur der Toten Sonne, was vielen Lesern wahrscheinlich nicht bewusst gewesen ist. Seine nicht fiktionalen Texte erscheinen dagegen seit Jahren beim Goldmann-Verlag. Hier erschien im Juni letzten Jahres der Roman Die Aufsteigerin. Für alle, die einmal über den Tellerrand der phantastischen Literatur blicken möchten, seien Banks Romane zu empfehlen. Die Lektüre ist nicht immer ganz einfach, dafür aber sehr unterhaltsam.
Mit Blicke windwärts liegt bereits der 17 Roman in deutscher Übersetzung vor, was die ungebrochene Popularität dieses Autors deutlich werden lässt. Sicherlich ist es sowohl für den Heyne- wie auch für den Goldmann-Verlag schwierig Romane von Banks zu bewerben, da sie sehr unterschiedlichen Genres zuzurechnen sind und damit verschiedene Leserschichten ansprechen.
Bei dem KULTUR-Zyklus handelt es sich nicht um einen Zyklus im eigentlichen Sinne. Vielmehr benutzt Banks die KULTUR nur als Handlungshintergrund für jeweils eigenständige Romane. Leser, die Zyklen eher abgeneigt gegenüberstehen, werden hier keine aufeinanderfolgende Romane vorfinden. Auch zeitlich gesehen lassen sich die KULTUR-Romane schlecht in eine Reihefolge bringen, da Banks nicht mit Jahreszahlen arbeitet. Jeden Roman kann man also für sich lesen und taucht doch in ein bekanntes Szenario ein.
Die Handlung des vorliegenden Werkes spielt überwiegend auf dem Masaq'-Orbital, welches einen Durchmesser von drei Millionen Kilometer aufweist und von fünfzig Milliarden Lebewesen bewohnt sind. Solche Orbitale sind in der Kultur durchaus keine Seltenheit und besitzen auch keinen besonderen Stellenwert. Bei der Kultur handelt es sich um einen Zusammenschluss von überwiegend Menschenabkömmlingen, die vor allem die individuelle Freiheit als höchste Gut ansehen. Dank eines für uns völlig unvorstellbaren technischen Entwicklungsstandes, der selbstdenkende Maschinenwesen hervorbringt, die den vollwertigen Status einer Person genießen, leiden die Mitglieder der KULTUR keine Not. Arbeiten müssen sie genauso wenig wie sich um die Belange des täglichen Lebens kümmern. Sie können sich ganz auf ihre Hobbies und Vorlieben konzentrieren.
Solch ein offener Lebenswandel und eine damit einhergehende Denkweise ist für Fremdwesen manchmal nur schwer begreiflich. Der Kontakt mit der KULTUR gestaltet sich bei weitem nicht immer unproblematisch und Kriege aus eigentlich nichtigem Grunde sind durchaus möglich. So geschehen zwischen dem Volke der Chelgrianer und der KULTUR, wobei erstere keinen Sieg davontragen konnten und nun auf Rache sinnen. Rache für Milliarden von Tote, die sie zu beklagen haben. Tote, die erst dann ihren Seelenfrieden finden, wenn eine vergleichbare Anzahl KULTUR-Angehörige ihr Leben gegeben haben. So wird dann ein Chelgrianer ausgesandt, um die künstliche Intelligenz des Masaq'-Orbitals, die am Krieg als KI eines Kriegsschiffes der KULTUR teilnahm, und in Folge deren Ausfalls unzählige Lebewesen, zu töten.
Die Handlung läßt sich mit wenigen Sätzen zusammenfassen und Banks legt nicht soviel wert auf ein rasantes Spionagewerk, sondern im Vordergrund stehen eindeutig seine Figuren. Mit der Charakterisierung der Handlungsträger nimmt er sich reichlich Raum und verpasst jeden unverwechselbare Züge. Dabei stellt er einmal mehr seinen leicht abgedrehten Humor unter Beweis und verteilt Seitenhiebe an gesellschaftliche Auswüchse. Gerade sein Stil ist es, der den Roman so lesenswert macht.
Die Handlung plätschert streckenweise vor sich hin und nimmt erst am Ende ein wenig Fahrt auf. Der Lesefluss hat dadurch bei mir schon ein wenig gelitten und bei einem anderen Autoren hätte ich den Roman vielleicht nicht bis zum Ende hin gelesen. Aber Iain Banks verfügt über andere Qualitäten. Sein Roman weist sehr unterschiedliche Facetten auf. Humorvolle Passagen wechseln sich mit tiefgründigen Betrachtungen ab. Solche dann mit Beschreibungen futuristischer Technik oder geschichtlichen Hintergründen. Der Roman bietet einfach reichlich Abwechslung und genau deswegen hat er mir gut gefallen.
Blicke windwärts zählt sicherlich zu den anspruchsvolleren SF-Romanen im laufenden Taschenbuchprogramm und genau deshalb kann ich nur zum kauf raten.
Blicke Windwärts - Rezensionsübersicht
Eine Übersicht der Serie gibt es auf der Autorenseite.
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