Serie / Zyklus: ~ Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Von Norman Spinrad sind in den letzten Jahren bei Heyne wie Bilder um 11 und Deus X erschienen, aber sein bekanntester Roman dürfte hierzulande immer noch Der stählerne Traum sein, der traurige Berühmtheit erlangte, weil er auf dem Index gesetzt wurde. Mittlerweile ist er längst wieder freigegeben, aber viele Leser dürften sich noch an dieses eher düstere Kapitel der deutschen SF-Szene erinnern können.
Mit Das tropische Millennium entführt den Leser in eine durchaus realistisch erscheinende Zukunftsvision. Der Treibhauseffekt hat das Klima der Erde in der Mitte des 21. Jahrhunderts einschneidend verändert. Alle gegenwärtig bekannten möglichen Folgen dieses Klimawechsels sind eingetreten. Die Polareiskappen sind zu einem Großteil abgeschmolzen und die Wüsten haben sich zu lebensfeindlichen Zonen gewandelt, die sich z. B. auch im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten wiederfinden. Der Anstieg des Meeresspiegels hat zu einer regelrechten Völkerwanderung geführt, da die Küstenstreifen allesamt überflutet wurden und ganze Staaten zerstörten. Die Gesellschaft, wie wir sie heute mit ihren nationalen Grenzen kennen, existiert nicht mehr. Überstaatliche Konzerne und Syndikate bestimmen die Entwicklung der Menschheit. Die Zentren finden sich z. B. in Sibirien, welches nun komplett aufgetaut und zu einem überaus fruchtbaren Land geworden ist.
Die Handlung des Romans ist aber in Paris angesiedelt, welches sich zu einer tropischen Metropole gewandelt hat. Zwar ist Paris immer noch ein Magnet für Touristenmassen, diese sehen sich nun aber mit einem stark südländisch geprägtem Einschlag ausgeprägt. Vor allem Einwanderer aus Lousiana und Venedig sorgen für ein anderes Stadtbild.
Vor diesem Hintergrund wird in Paris von der ansonsten sehr klammen UN die UNACOCS veranstaltet, eine Konferenz, die sich mit der globalen Erwärmung befasst und auf der Möglichkeiten diskutiert diese wieder rückgängig zu machen. Für den VIP-Service wurde Monique Calhoun mit ihren Mitarbeitern vom Syndikat Brot & Spiele engagiert. Da sie zu den besten ihres Metiers gehört wird sehr schnell deutlich, dass bei der diesjährigen Konferenz jemand die UN gesponsort haben muß. Die üblichen Verdächtigen halten sich denn auch nicht lange im Hintergrund, sondern treten mit ihren Produkten quasi als gleichberechtigter Partner der UN auf und versuchen so ihre Dienstleistungen den Staaten, die diese sich überhaupt noch leisten können, zu verkaufen. Schließlich ist die globale Erwärmung bislang ein Riesengeschäft gewesen für einen ganzen Industriezweig, der z. B. mittels gezielter Eingriffe in die Erdatmosphäre bestimmte Auswirkungen abzumildern versuchte. Die Gewinner der globalen Erwärmung, hierzu sind vor allem die Sibirier zu zählen, haben natürlich keinerlei Interesse daran die Erdatmosphäre zum Abkühlen zu bringen. Werden sie doch dann wieder im Permafrost versinken.
So belauern sich auf dieser Konferenz die unterschiedlichsten Interessengruppen und versuchen die Strategien der jeweils anderen Partei in Erfahrung zu bringen. Mitten drin findet sich der Leser wieder, der sich einem Geflecht von Intrigen und Täuschungsmanövern ausgesetzt sieht, die bis zum Schluß nicht leicht zu durchschauen sind. Gerade dies macht den Reiz des Romans aus, der zudem mit einer sehr zynischen Grundhaltung daherkommt. Spinrad lässt wirklich wenig Platz für Hoffnung, denn es gibt durchaus Interessengruppen, die selbst den Planeten des Profits willens untergehen lassen würden. Typisch kapitalistische und somit menschliche Einstellung.
Mir persönlich hat dieser Roman sehr zugesagt und ich kann ihm wirklich jedem empfehlen, der wieder gut verfasste und intelligente SF-Literatur lesen möchte. Ein wirkliches Highlight des letzten Jahres.