Reihe: Parallelroman zu Lamento Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Der Teenager James wirkt auf den ersten Blick sehr sympathisch. Wer ihn nicht kennt, wird nie vermuten, dass er ein begnadeter Dudelsackspieler ist. Für einen Musiker ist er ziemlich sensibel. Die Ereignisse des letzten Sommers hinterließen ihre Spuren auf seiner Seele. Die Begegnung mit dem Feenvolk erweiterte seinen Horizont und die Erkenntnis, dass seine Freundin Deirdre nicht ihn, sondern einen aus dem schönen Volk liebt, haben ihn geprägt. Seit er Deirdre jedoch gestanden hat, in sie verliebt zu sein, geht sie leider auf Abstand. James ging zum Thornking-Ash-Internat, in dem musikalisch hochbegabte Jugendliche gefördert werden. Hauptsächlich ist er hier, um seiner Deirdre nah zu sein. Weniger, um seine Fähigkeiten als Dudelsackspieler zu steigern. Da erscheint eines Tages die Fee Nuala. Sie macht ihm ein verlockendes Angebot. Sie bietet ihm an, ihn mit einem Leben voller Inspiration und Kreativität zum größten Dudelsackspieler der Welt zu machen. Die einzige Bedingung: Er muss ihr im Tausch etwas von sich geben. Es ist ein gefährlicher Handel, den Nuala vorschlägt, denn die Handlungen der Leanan Sidhe, des Feenvolkes, sind nicht uneigennützig. Die Liebhaber der Leanan Sidhe leben jedoch nur kurz, weil sie im Tausch für die besondere Gabe ihre Lebenszeit entzogen bekommen. Der Handel wird für beide noch gefährlicher, als sich Nuala in den jungen Musiker verliebt. James vergisst zum ersten Mal seine unerwiderte Liebe zu Deirdre. Er fühlt sich zu Nuala hingezogen und glaubt, in ihr die große Liebe gefunden zu haben. Auch Nuala fühlt zum ersten Mal aufrichtige Liebe. James, der ein seltsames Warngefühl hinter seinem Bauchnabel ausmacht, lehnt Nualas Angebot höflich, aber bestimmt ab.
Gleichzeitig zieht der Gehörnte König der Toten, Cernunnos, mit seiner Armee rastloser Seelen durchs Land und schließt seinen todbringenden Kreis um die Thornking-Ash School of Music. Damit geraten nicht nur James und Nuala, sondern vor allem Deirdre, von den Feen Kleeauge genannt, in tödliche Gefahr. Sie stehen der Feenkönigin Eleanor und ihren Plänen im Weg. Aber es gibt auch noch weitere Personen an der Musikschule, die nicht das sind, was sie vorgeben. Paul und sein Englischlehrer Patrick Sullivan verbergen ihre kleinen Geheimnisse geschickt vor allen anderen.
Insgesamt sind Lamento und Ballade zwei Romane, die aufeinander aufbauen, jedoch einmal Deirdre, einmal James in den Vordergrund stellen. Es ist die gleiche Zeit, nur aus der Sicht unterschiedlicher Personen. Der Bezug von Ballade zu Lamento ergibt sich aus den SMS, die Deirdre an James geschrieben, aber nie abgesendet hat. Ballade gefiel mir sogar etwas besser als der Vorgänger, weil James einen vielschichtigeren und interessanteren Charakter als Deirdre darstellt. Er ist ein zwanghafter Neurotiker, der sich ständig die Hände und Arme vollkritzelt.
Es gibt in beiden Büchern zwei Dinge, die die Hauptrolle spielen: Es ist die Welt der Feen und die Welt der Musik. Maggie Stiefvaters Bücher bieten ein traditionelles und altmodisches Bild von der Welt der Leanan Sidhe. Sie geht mehr auf die Musik ein, die für die keltisch-irischen Feen einen wichtigen Punkt darstellen, und die Sidhe sind nicht die liebenswürdigen Wesen. Auch sie haben Ecken und Kanten, sind in die eigenen Intrigen mit ihren gesetzten Zielen verwickelt. Maggie Stiefvater ist eine großartige Erzählerin. Ihre handelnden Figuren sind lebensnah beschrieben. Gleichzeitig schafft sie eine fesselnde Atmosphäre, die den Anschein erweckt, Feen könnten tatsächlich unter uns leben.
Erzählt wird die Geschichte abwechselnd aus der Sicht James und Nuala. Dem Wechsel zwischen den beiden Hauptpersonen kann man aber recht gut folgen. Den Kapiteln ist immer ein Name zugeteilt. Daher wird unmissverständlich klar, wer berichtet. Durch die Wahl der Ich-Erzählung aus der Sicht beider Hauptpersonen kann man sich in sie sehr gut hineinversetzen. Beide Romane ergeben eine sehr schöne Einheit und finden in Ballade einen würdigen Abschluss.