|
|
Der berühmte Autor Karl Mayer befindet sich nach langen Studienreisen in den arabischen Gebieten zum ersten Mal im Wilden Westen Amerikas. In St. Louis arbeitet er als Hauslehrer bei einer vornehmen Familie. Dort lernt er einen Priester kennen, der den Religionsunterricht gestaltet (fromm, wenn auch ziemlich grob - wenn das mal keine Anspielung ist ...). Karl Mayer (Mayer bitte mit ay!) lernt den Priester nach einigen unschönen Begegnungen jedoch noch von einer anderen Seite kennen: Er jagt in seiner Freizeit Werwölfe ... Manch Indianer, so hört Mayer, ist in Wirklichkeit ein ausgewachsener Werwolf. Von seiner Anstellung als Lehrer wird Mayer von einer versoffenen Truppe Arbeiter und Geografen, die eine Eisenbahnstrecke durch die Prärie vorbereiten – direkt an den großen Büffelherden vorbei, damit die zahlenden Touristen ihre Freude daran haben werden - angeworben. Oberhaupt der unfähigen Gruppe ist der alkoholsüchtige Bancrott, dem alles recht ist - Hauptsache, sein Flachmann ist immer gut gefüllt. Dort lernt Mayer auch Howlin’ Sam kennen, der ihn unter seine Fittiche nimmt, um einen richtigen Westman aus ihm zu machen. Sam hatte eines Tages eine Begegnung mit einem Werwolf und wurde von diesem schwer verletzt, so dass in seinem Blut der Duft und die Markierung eines solchen Monsterwesens zirkulieren – was die Verhandlungen mit den Indianern wesentlich erleichtert. Die Apachen, die sich nach Belieben in einen Werwolf verwandeln können, sind nämlich nicht so begeistert, dass mitten durch ihr Gebiet eine Bahnstrecke gebaut wird. Und so bedürfte es großen Verhandlungsgeschickes, um das Ganze in eine gute Richtung zu lenken. Leider ist dieses Geschick nicht vorhanden, und so artet Karl Mayers Arbeitseinsatz als Landvermesser mehr und mehr aus in einen Krieg zwischen den Apachen auf der einen Seite, den blutrünstigen und brutalen Kiowa auf der anderen und den Menschen auf einer weiteren Seite. Unter das Handgemenge mischen sich noch eine etwas dämliche Vampir-Schlägertruppe und einige Zombies, die ihres Weges daherschleichen – nicht, um etwas zur Handlung beizutragen, sondern mehr, um grundlos noch mehr Chaos zu stiften. Über allem steht Winnetou, der Häuptlingssohn der Apachen, der sich mit seiner brünftigen Schwester und seinem debilen Vater herumschlagen muss. Leider versteht man Winnetou kaum, da sein französischer Akzent dies fast unmöglich macht. Jedoch droht eine Freunschaft zwischen Karl Mayer, der im Westen weithin nur noch als Old Silverhand bekannt sein wird, und dem Apachen, eine Freundschaft, die Mayers Leben mehr als nur dramatisch ändern wird ...
Peter Thannisch versteht es, das derzeit in Mode geratene Subgenre der Mash-Up-Romane erfolgreich auf die bekannten und berühmten Karl-May-Bände auszuweiten. Kaum ein männlicher Jugendlicher hat bis zu den 90er Jahren nicht mindestens einen dieser Bände verschlungen und die abenteuerlichen Gefahren, die dort beschrieben wurden, genossen. Dutzende Bände schuf Karl May mit angeblich authentischen Reiseberichten aus den verschiedensten Ecken der Welt. Am berühmtesten sind natürlich - besonders hervorgehoben durch die einschlägigen Verfilmungen - die Romane um Winnetou und Konsorten. Was aber, wenn man in eine klassische Winnetou/Shatterhand-Geschichte eine gehörige Prise Humor und noch ein gutes Quäntchen Horror hineinmischt? Ganz klar, es entsteht unter den findigen Händen von Peter Thannisch eine äußerst unterhaltsame Genre-Mixtur, die man nicht so schnell mehr aus der Hand legt. Gerade dass sich Thannisch so nahe am Original bewegt, macht den Roman so witzig, denn Thannisch spart auf kaum einer Seite mit Situationskomik oder einer anderen witzigen Begebenheit. Atemlos glaubt man kaum, dass es im Wilden Westen deswegen so wild war, weil die dort agierenden Protagonisten unglaublich überdreht waren. Dass Winnetou diesen kaum erlesbaren französischen Dialekt (glücklicherweise übersetzt der Autor im gleichen Atemzug das kaum verständliche Kauderwelsch) besitzt oder der Obervampir ständig nicht dort mit seinem Gewehr trifft, wo er hinzielt, sind liebevolle Anleihen aus den Originalen. Wenn es einmal nicht für obige humorvolle Szenen reicht, kontert Peter Thannisch mit Fußnoten und Anmerkungen von Autor und Lektor in seinem Buch – wunderbar!
Eigentlich muss man sich nicht für Western und Horror begeistern, um Spaß mit diesem Roman zu haben. Wenn man die Lust und das Vermögen hat, sich auf diesen ungezwungenen Spaß einzulassen, wird man bestens bedient.
Winnetou unter Werwölfen - die Rezension von Erik Schreiber