Titel: Winnetou unter Werwölfen Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Die Rückkehr des Gruselwesterns. So oder so ähnlich könnten die Schlagzeilen lauten, wenn man auf die äußerst kurzlebigen Heftromanreihen Geister-Western und Grusel-Western der 1970er Jahre anspielen will. Winnetou unter Werwölfen ist nun kein Heftroman, sondern ein gediegenes Taschenbuch und lockt so sicher eine andere Klientel an. Aber egal, wen das Buch anlockt, der Roman wird den Leser sicher gut unterhalten. Mit Ausnahmen: etwa die Karl-May-Fans oder die reinen Westernfans … okay, ich zähle keine Ausnahmen mehr auf. Aber das Buch lockt Leser. Und ewig lockt das … okay, das ist etwas anderes. Sie glauben, Sie kennen den Wilden Westen, weil Sie die Bücher von Alfred Wallon kennen? Oder kennen Sie nur den Wilden Westen mit den „Edlen Wilden“ à la Karl May? Vergessen Sie es. Der eine Autor wird bitterliche Tränen weinen, der andere wird sich im Grab rumdrehen. Peter Thannisch zäumt das Pferd von hinten auf, will man bei diesen Bildern bleiben, wenn er seine Erzählung um einen gewissen Karl Mayer dem lesenden Publikum vor Augen hält. Logischerweise beginnt der Prolog mit einem Beitrag eben jenes Karl Mayer aus dem Jahre 1895. Und dann beginnt die Erzählung. Peter Thannisch lässt den Leser den Wilden Westen so kennen lernen, wie er wirklich war. Zumindest in seiner Vorstellung. Um diese Vorstellung nachvollziehen zu kommen, müssen wir nun der Erzählung folgen.
Kalle hat auf seinen Reisen schon einige Abenteuer erlebt, als ihn seine Reisen in den Orient führten. Wieder zu Hause, macht er aus seinen Abenteuern Bücher, in der Hoffnung, damit viel Geld zu verdienen. Die Hoffnung ist jedoch sehr trügerisch. Weil der Orient nicht mehr viel hergibt, macht sich Kalle auf den Weg nach Amerika. Er, das Greenhorn, muss jetzt erst einmal seine Sporen verdienen, bevor er so einen klingenden Namen wie Old Shatterhand, Old Surehand oder Ähnliches erhält. Was liegt also näher, mal eben ein paar Abenteuer zu suchen und zu finden. Es kann aber auch sein, dass die Abenteuer unseren Kalle finden. Ghoule, besessene Reittiere, Werwölfe und anderes mehr pflastern den Weg des Feuerrosses, dem er folgt. Karl Mayer fängt jedoch auf der anderen Seite des großen Teiches als Hauslehrer seine Laufbahn an. Erfolglos, wie so vieles anderes, was er anfing. Die Alternative: gemeinsam mit dem Waldläufer Sam Howlin in den Wilden Westen ziehen. Als Arbeiter beim Bau der Eisenbahn im Indianergebiet gerät unser Held bald in die absurdesten Abenteuer inklusive einem Liebesabenteuer. Die Arbeit beim Eisenbahnbau ist nicht gerade einfach. So kommt eins zum anderen und Karl Mayer macht seltsame Entdeckungen. Zum Beispiel irritiert es ihn ein wenig, dass sein Auftraggeber sich von einer Gruppe rumänischer Vampire bewachen lässt. Aber dann erweisen sich die Indianer als Werwölfe. Die Indianerwerwölfe greifen immer wieder an und Karl gehört zu den Verteidigern des Eisenbahnercamps. Der seltsame Indianer mit dem französischen Akzent hat es ihm angetan. Winnetou, so nennt er sich, ist in der Lage, Karl von seinen Ansichten zu überzeugen. Was bleibt - Karl wechselt die Seiten. Das bedeutet aber nur, dass er sich von den Eisenbahnern entfernt, nicht aber bei den Indianern ankommt. Also machen die zwei so etwas wie eine eigene Seite auf. Nebenbei lernt er noch die bezaubernde Schwester von Winnetou kennen. Eine kleine Liebelei mit einer Werwölfin. Ist das jetzt Sex mit Tieren? Wie auch immer. Es gibt genug Trouble, wobei ihn Winnetou schließlich beisst und Karl Mayer den Werwolfkeim übertragen bekommt. Letztendlich erfährt er noch vom Schatz im Silbersee.
Es gibt wohl kaum Menschen, die Karl May und seine Abenteuer um Winnetou und Old Shatterhand nicht kennen. Das gilt in besonderem Maß natürlich auch für den Autoren Peter Thannisch. Er nimmt nicht nur den weißen bösen Mann und den edlen Wilden auf die Schippe, sondern kombiniert dies gleichzeitig mit dem Gruselsektor der Phantastik. Neben diesen Anspielungen finden sich in der Erzählung auch immer wieder Zitate und Anspielungen aus Literatur und Film und Fernsehen.
Das Buch ist ein kurzweiliger Lesespaß aus der Sicht von Karl Mayer, der vor allem durch seinen Humor glänzt. Während er aus seiner Sicht erzählt, wie er als Lusche nach Amerika kam, wird der Leser langsam, aber sicher in die Geschichte hineingezogen. Es fällt schwer, sich von dem Buch zu lösen. Und sei es nur, weil man aufs Klo muss.
Peter Thannisch, der als freier Lektor in München arbeitet, hat bewiesen, dass man nicht nur als Lektor sein Geld verdienen kann, indem man anderer Leut' schriftstellerische Ergüsse verbessert. In diesem Fall zeigt er, dass er eigene Ideen umsetzen und sehr zur Freude von allen Lesern veröffentlichen kann. Mal sehen, was als nächstes kommt. Unter Geiern mit Harpyien?
Winnetou unter Werwölfen - die Rezension von Jürgen Eglseer