Reihe: Unheimliche Geschichten Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
"Ein Waldspaziergang wird zum Albtraum, eine Hand aus dem Jenseits bestraft jeden Lügner mit vollendeter Bosheit, ein toter Junge versucht, seine Schwester zu sich zu locken, und bei einer Urlaubsreise in die Türkei verwischen die Grenzen zwischen Diesseits und Jenseits: Dieser Band versammelt aus allen Kulturkreisen die unheimlichsten, hinterhältigsten, markerschütterndsten, kurz: die allerbesten Geschichten der phantastischen Literatur. Eine spannende Entdeckungsreise für alle, die sich gerne gruseln."
Dieser Werbetext des Verlages auf dem Rückumschlag ist durchaus nicht nur der übliche Appetitanreger. Er trifft - selten genug - tatsächlich den Kern der Geschichten. Ich halte die Sammlung durchaus für eine der besten Kurzgeschichtensammlungen in diesem Jahr. Nicht nur, weil die Erzählungen von bekannten Autoren stammen, sondern weil auf diesem Weg den Klassikern wieder einmal die Tür geöffnet wird. Nicht alles, was alt ist, ist auch schlecht. Ab einem gewissen Alter gilt es als antik und plötzlich wertvoll.
Rosemary Timperley: "Harry"
Hannelore Valencak: "Umkehr in Ciftehan"
Mary E. Wilkins-Freeman: "Kleines, suchendes Gespenst"
Robert Louis Stevenson: "Das Haus im Eld"
Stefan Grabinski: "Die verlassene Strecke"
Joseph Sheridan Le Fanu: "Das Kind, das mit den Feen ging"
Abdassalam Udscheili: "Die Taube der Moschee"
Josef Durrer und Alfred Lussy: "Der Hüterjunge von Oberrickenbach"
Elizabeth Bowen: "Der dämonische Liebhaber"
Anonymus: "Fünfzehn Schnüre Käsch"
Anonymus: "Das Gespenst im Gasthaus"
Jorge Luis Borges: "Die Begegnung"
Dorothy K. Haynes: "Mrs. Jones"
Lafcadio Hearn: "Die Legende vom Yurei-Daki"
Anonymus: "Wie ein Mann im Reich der Toten seine Frau fand"
Frédéric Boutet: "Wenn wir gestorben sind"
Werner Bergengruen: "Die tanzenden Füße"
Valerij Brjussow: "Verteidigung"
Selma Lagerlöf: "Die Geisterhand"
Wie man an der Aufzählung erkennen kann, finden sich in der Sammlung auch Erzählungen, von denen ich es nicht erwartete. Etwa Selma Lagerlöf und Werner Bergengruen habe ich nicht als Autoren angesehen, die sich auch mit Phantastik beschäftigten. Eine internationale Riege, mit ein paar anonymen Erzählern, sorgt für angenehme Unterhaltung. Die anonymen Geschichten waren früher gang und gäbe. Dahinter versteckten sich meist bekannte Autoren, die aber nicht mit diesen Geschichten in Verbindung gebracht werden wollten.
Der Fischer Taschenbuch Verlag sorgt in seinem Programm dafür, dass auch wieder die alten Erzählungen veröffentlicht werden. Herausgeber Tilman Spreckelsen erweist sich ein guter Kenner der Literatur.