Serie: Star Trek – The Next Generation Eine Besprechung / Rezension von turon47 |
Story:
Auf seiner Reise von Romulus zur (vor-)letzten Ruhestätte James T. Kirks nach dessen Tod auf Veridian III holen Spock die Geister der Vergangenheit ein.
In einer Reihe von Flashbacks erinnert er sich an verschiedene Stationen und Ereignisse seines Lebens, die ihn schließlich zu dem Manne formten, der die schwere Aufgabe übernahm, Vulkanier und Romulaner einander wieder näher zu bringen.
So nimmt der Botschafter den Leser mit auf eine umfassende Reise in seine Vergangenheit. Zusammen besucht man die USS Enterprise NCC 1701-B kurz nach dem Ableben der Sternenflottenlegende Jim Kirk, erhält Einblicke in die komplizierte Vater-Sohn-Beziehung zwischen Sarek und Spock oder wird Zeuge jener ersten Mission, die der junge Vulkanier zusammen mit Captain Christopher Pike unternahm.
Doch Spock bleibt keinesfalls in seinen Erinnerungen gefangen.
Seine Odyssee führt ihn aus der Wüste Veridians III wieder zurück zur Erde, wo Spock seinem besten Freund eine letzte tiefe Bezeugung freundschaftlichen Respekts entgegenbringt ...
Bewertung: Großer Mann, doch lahme Kiste.
„Spock“ ist um Harmonie bemüht. Gut, dem in die Jahre gekommenen Halbvulkanier mag ein so offen geäußertes Gefühl eventuell banal erscheinen, doch das Buch gleichen Namens versucht einen offenherzigen Brückenschlag zur Überwindung all jener Unterschiede, die Filme und Serien mitunter entzweiten.
Da prangt die Landschaft von Vasquez Rocks, die im elften Film als Kulisse des Planeten Vulkan herhielt, um ein juveniles Gesicht Spocks herum, wie es bereits in „Star Trek III: Auf der Suche nach Mr. Spock“ zu sehen war (vgl. S. 19).
Spiele wie das in TNG eingeführte „Parrises Squares“ (S. 38) oder das bei DS9 populäre „Dabo“ (S. 47) werden chronologisch mit dem größeren Zeitrahmen verwoben und Teil einer größeren Geschichte.
Ganz besonders einfühlsam geht man mit den Orionern um. Hier kreuzt David Messina geschickt die Schiffsform aus der Serie Enterprise (vgl. S. 5) mit den Uniformen aus TAS-Episoden wie „Die Piraten von Orion“ (vgl. S25f.) - eine versöhnliche Geste gegenüber der oft stiefmütterlich behandelten Serie.
Einen interessanten Einblick in die Entstehungsgeschichte der jüngeren Comics bietet das Interview mit dem Autor Scott Tipton, der zusammen mit seinem Bruder für die Handlung und Konzeption der Bildergeschichten verantwortlich ist.
Ganz besonders wenn man diese Zeilen gelesen hat, erhalten die vielen Gastauftritte, Rückblicke und Einsichten einen viel höheren Stellenwert.
Im Gegensatz zum Vorgänger „Tor zur Apokalypse“ kommt dieses Werk mit ungleich weniger 'Action' aus. Das muss nicht zwangsläufig von Nachteil sein, denn der Charakter Spock wird hier einfühlsam um ein paar Lebensausschnitte bereichert, über die Fans bislang noch nichts wussten. Mit jeder neuen Seite werden weitere weiße Flecken auf der biografischen Landkarte der zentralen Figur getilgt und harmonisch mit dem verflochten, was Film und Fernsehen bereits verraten haben.
„Spock“ besetzt also eine erzählerische Nische, die beweist, dass es selbst über jenen Mann, der in 79 TOS-Episoden, sieben Kinofilmen, einer TNG-Doppelfolge und unzähligen Büchern auftritt, noch immer viel zu erzählen gibt.
Kritikwürdige Aspekte:
Wenn man sich die beeindruckenden Vorzeichnungen Messinas am Ende des Heftes (vgl. S. 107ff.) so anschaut, keimt tief in den Eingeweiden des Lesers der heimliche Wunsch auf, dieses gesamte Heft wäre in diesem simplen Schwarzweiß-Stil gehalten gewesen.
„Spock“ hat nämlich verglichen damit den Charme eines Ausmalbuches – wobei die Kolorierung eindeutig zulasten der Details ging. Neben dem Hauptprotagonisten Spock (vgl. S. 10, S. 12 oder S. 74) sind selbst Kirk (vgl. S. 61, S. 67 oder S. 69) und Pille (vgl. S. 69 oder S. 88) so mies getroffen, dass sich Charakterzuordnungen größtenteils auf Vermutungen stützen müssen – von all den anderen Charakteren ganz zu schweigen.
Doch das lenkt eigentlich nur vom wahren Problem ab.
Während des Lesens wartete ich nämlich ständig darauf, dass die Handlung nun endlich beginnen würde. Man stelle sich also meine Überraschung vor, als ich plötzlich auf den letzten Seiten des Buches anlangte, und die 'Geschichte' angeblich schon erzählt war!
Verwirrt blätterte ich zurück und suchte die einzelnen Seiten nochmals ab. Doch außer noch mehr Rechtschreibfehlern und weiteren Anachronismen fand ich da nichts! Erst recht nichts, was einer echten Story gerecht werden könnte.
Nun mögen einige Leser nicht ganz zu Unrecht einwerfen, dass hier die Nebenhandlungen, also „Spocks Flashbacks“ der wahre Star dieses Comics sind. Natürlich leuchten sie Hintergründe und Motive für die Taten des Botschafters aus, aber so außergewöhnlich, passend oder gar konsequent sind sie nicht.
Ich will versuchen, diesen Vorwurf an drei Beispielen zu erläutern:
Die Story um Saavik und Peter Preston (vgl. S. 81ff.) ist abgekaut und weicht nur unwesentlich von den Vorgaben aus dem zweiten Kinofilm „Der Zorn des Khan“ ab.
Schon wieder legt Spocks Günstling den Kobayashi-Maru-Test ab, wieder einmal beschwert sie sich bei ihrem Mentor unter vier Augen über die Unzulänglichkeiten der Menschen und wieder einmal gibt es ein Unglück im Maschinenraum unter Beteiligung Peter Prestons.
Warum eigentlich? Bieten Saavik und Preston nicht die Möglichkeit anderweitigen Einsatzes? Und warum sollte der Neffe Scottys eigentlich dieses fast identische Unglück schadlos überstehen, nur um im unmittelbar folgenden elendig dahinzusiechen?
Dieser Kurzauftritt macht schlichtweg keinen Sinn und wirkt etwas bemüht, ganz besonders dann, wenn man sich vor Augen hält, wie sich Autor Scott Tipton im beiliegenden Interview brüstet, solcherlei Nebenfiguren ohne Rücksicht auf Verluste ins Rampenlicht zu stellen (vgl. S. 106).
Mehr Sinn macht hingegen der Auftritt Jim Kirks, denn schließlich dreht sich die dünne Story ja um die heimliche und höchstwahrscheinlich illegale Umbettung seiner sterblichen Überreste. Nun muss man eingestehen, dass die fade Kleinsthandlung lahm und ohne erwähnenswerte Höhepunkte daherkommt, aber immerhin hat jener Mann überhaupt einen Auftritt, dessen enge Freundschaft zu Spock hier im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht. Traurig, dass er mit gerade einmal 19 Sätzen abgefrühstückt wird, von denen der Großteil den Umfang von „Lagebericht, Mr. Spock!“ (S. 61), „Was?“ (S. 64) oder „Danke sehr, Patricia.“ (S. 69) nicht wesentlich übersteigt. Die kaum als solche zu bezeichnende 'Rettungsmission' für das Schiff einer Admiralin bleibt allerdings der einzige Moment, der Spocks eigentliches Verbrechen der Leichenschändung überhaupt in einen direkten Kontext zur Person setzt, für die er dies tut (die Gedenkplatte auf Seite 10ff. ist ja eher ein indirekter Kontext). Das ist natürlich etwas zu wenig, um dem Wert dieser innigen Männerfreundschaft gerecht zu werden.
Schließlich sei auch noch auf das leidige Thema der unsittlichen Berührungen verwiesen. Für all jene, die es noch nicht wussten: Vulkanier mögen keine direkten Berührungen, denn die telepathisch begabten Wesen sehen darin einen Bruch ihrer Intimsphäre.
Das zeigt sich schließlich an zwei Stellen des Buches für Christine Chapel (vgl. S. 34) und José Tyler (vgl. S. 38) besonders deutlich.
Diese Erkenntnis erstreckte sich jedoch nur auf den zweiten Teil des Comics, denn sonderlich konsequent wird dieses Motiv nicht durchgezogen. Andernorts trifft man auf genügend Beispiele, bei denen dieser vulkanische Wesenszug keine Rolle mehr spielt (vgl. S. 9, S. 22, S. 44 oder S. 98).
Übersetzung: Wieviel Platz bietet so ein Comic potentiellen Rechtschreibfehlern überhaupt?
Nicht allzu viel, natürlich. Der wenige Text erstreckt sich auf eine überschaubare Menge an Sprechblasen, Einführungen oder onomapoetischen Ausdrücken („VRMMMMMMMM“ S. 8, „RRRRRIPP“ S. 21 oder „KLANK“ S. 25). Er ist konsequent groß geschrieben und vermeidet schon allein dadurch eine größere Anfälligkeit für Fehler.
Wobei natürlich die generelle Großschreibung auch Gefahren birgt: Das es kein großes 'ß' gibt, muss ein entsprechender Texter auf ein doppeltes 's' zurückgreifen – was nicht immer eine elegante Lösung ist.
Dass es manchmal sogar überhaupt keine Lösung ist, kann man am Wort „WILDNISS“ bemerken, denn dieser Begriff wurde noch nicht einmal nach alter deutscher Rechtschreibung mit einem 'ß', geschweige denn mit Doppel 's' geschrieben.
Doch dieser Fehler ist nur der Auftakt zu einem Musterbeispiel für hastige und daher schlampige Übersetzungsarbeit.
Wenn Saavik auf Seite 81 „Maschinenenraum, Lagebericht!“ ausruft, wundert mich, dass das Interkom sie überhaupt richtig durchstellt. Gut, das könnte man als zweiten kleinen Flüchtigkeitsfehler auslegen.
Wenn der Saurianer den Dativ missbraucht, indem er „Ich habe meinen komplettem Legaerbestand verkauft.“ (S. 47) zum Besten gibt, könnte man sich natürlich noch 'Was' fragen, oder es noch als dritten Flüchtigkeitsfehler abtun.
Wenn schließlich dieselbePerson den zwielichtigen Orionern durch den Satz „Schließlich fliegen schon sie seit Jahren diese Strecke ab.“ (S. 6) navigatorische Fähigkeiten zubilligt, fragt man sich doch schon ernsthaft, wie Übersetzer und Lektor auf einer so kleinen Menge Text so viele Fehler unterbringen bzw. übersehen konnten.
Anachronismen:
Im beiliegenden Interview klopft sich Scott Tipton, selbsterklärtes Mastermind der Star-Trek-Comicwelt, auf Seite 106 gehörig selbst auf die Schulter:
Ich muss aber auch sagen, dass wir im Vorfeld immer sehr gründlich unsere Hausaufgaben machen, um sicherzugehen, dass nichts, was wir machen wollen, im Widerspruch zu bisherigen oder nachfolgenden, noch geplanten Geschichten steht.
Bei aller Liebe zur bereits viel gepriesenen Harmonie geht der Einbezug der dem Todesstern aus Star Wars ähnlichen Sternenbasis aus dem elften Film etwas zu weit für 'gründlich erledigte Hausaufgaben' (vgl. S. 53), denn immerhin liegen zwischen den Ereignissen des Films (2258) und dem Handlungszeitraum des Comics (etwa 2371) knappe 113 Jahre. In dieser Zeit sollte so ein altertümliches Baukonzept überholt sein, denn schon die Vanguard-orientierte Sternenbasis 6 aus der remasterten Version von „Computer M5“ (ca. 2268) waren bei TNG („Das fremde Gedächtnis“) nie zu sehen.
Natürlich kann man sich darüber eventuell streiten. Unstrittiger ist jedoch, dass Schiffe der Constellation-Klasse, wie sie auf demselben Bild zu sehen sind, um diese Zeit definitiv außer Dienst gestellt worden sind – während der Raumschlachten gegen das Dominion waren die Schiffe (im Gegensatz zu denen der Miranda-Klasse) bereits kein Bestandteil der Flotte mehr.
Ebenso unsinnig ist die Tatsache, dass der unabhängige Lebenskünster Captain Moxx ein Runabout der Danube-Klasse besitzt (vgl. S. 77), das eigentlich als Föderationspatent in den Händen unabhängiger Eigentümer nichts zu suchen haben sollte, denn schließlich setzt sich die Sternenflotte so dem Risiko eines nicht kontrollierbaren Technologietransfers aus. Selbst überalte Schiffe lässt man ja schließlich laut dem Zweiteiler „Wiedervereinigung“ lieber auf Weltraumfriedhöfen mehr oder weniger einsam verrotten – warum sollte da ein so vergleichsweise frisches Stück Technologie einem Privatmann gehören?
Und Stichwort Constellation- undMiranda-Klasse: Laut der Episode „Sherlock Data Holmes“ war die USS Victory ein Schiff der Constellation-Klasse. Auf Seite acht ist sie hingegen eindeutig als Ableger der Miranda-Klasse erkennbar. Hätte man hier nicht einfach beide Schiffe den Platz tauschen lassen können?
Vertauscht haben muss Tipton trotz gegenteiliger Beteuerungen (vgl. S. 106) auch den Saurianer – und zwar mit den Borg. Denn so schön ich den Auftritt dieser Eidechsenmänner auch fand, so wenig überzeugte mich die Aussage, dass diese Spezies im „Hive“ (S. 31) leben würde. Oder war der Saurianer in Wirklichkeit ein Agent der Borg, der von seiner Königin zu Verhandlungen nach Romulus geschickt wurde?
Das würde jedenfalls zu William Shatners Roman „Die Rückkehr“ passen – wenn da nicht ein kleines Detail stören würde: Im Buch landet Spock ebenfalls auf Veridian, doch dort wird der Leichnam Kirks von den vereinten Romulanern und Borg assimiliert und wieder zum Leben erweckt.
Aber Tipton scheint Shatners Beitrag zur Star-Trek-Bücherwelt bewusst zu ignorieren und die Geschichte in jene alternative Realität zu drängen, die Lesern meines Blogs als „Shatnerversum“ bekannt ist.
Shatner wird hier auf der Farm seiner Eltern zur letzten Ruhe gebettet. Versöhnlich, doch warum gibt es eigentlich auf diesem Gelände eine Windmühle (vgl. S. 90)? Bei aller pittoresken Schönheit, allem ökologischen Verständnis und allen romantischen Anwandlungen: So etwas gehört vielleicht in den Park Sanssouci in Potsdam, nicht aber auf eine kleine Farm irgendwo in Iowa ...
Ein interessanter Einblick in das Leben und Denken Spocks kann dieses Werk ohne Frage bieten. Doch wer mehr als eine schlecht zusammengepuzzlete Story, einen großartigen Höhepunkt oder gar eine richtige Handlung erwartet, sollte die Finger von diesem Comic lassen.
Viel zu oft nervt es mit plumpen Abbildungen, unnötigen Anachronismen und dummen Rechtschreibfehlern. Die großen Töne, die Tipton am Ende des Buches in seinem Interview von sich gibt, passen jedenfalls nicht zu dem verstimmten Moll-Konzert, dass „Spock“ am Ende spielt.
„Merken sie sich diese Tage, Picard. Denn wenn sie enden, werden sie ihrer nie wieder gewahr.“
(Spock zu einem nicht erkennbaren kahlköpfigen Mann S. 95)
Großer Mann, doch lahme Kiste.