| Serie: Star Trek – The Next Generation Eine Besprechung / Rezension von turon47 |
Story: Datas Expertise ist vonnöten, als Daystrom One, sozusagen die Hauptfestplatte der Statistikabteilung der Vereinigten Föderation der Planeten, Probleme beim Speichern ihrer gigantischen Informationsberge bekommt. Doch ein Kurztripp des Androiden zusammen mit seinem Vorgesetzten Commander Riker enthüllt, dass das Archiv von einem Virus der ganz besonderen Sorte befallen ist: Romulaner.
Aber der tapferen Crew der Enterprise gelingt es, die Spitzohren aus den Tiefen der holografischen Schaltkreise zu vertreiben und ihre Mission fortzusetzen. In deren Verlauf darf Worf diplomatisches Geschick an den Tag legen, Chief O'Brien muss mit Geordi einen imaginären Warpkernbruch verhindern und Counselor Troi einen Außenteameinsatz gegen die Pakled leiten.
Schnell wird klar, dass die meisten dieser Ereignisse in einem größeren Zusammenhang stehen – und die USS Enterprise NCC-1701-D in eine (natürlich) romulanische Falle gelockt wird. Picard versucht zwar noch, kurz vor dem finalen Aufeinandertreffen vorzusorgen, doch nichts kann auf den Schrecken vorbereiten, den das Außenteam vorfindet:
Eine völlig fremdartige Spezies zu groß geratener extradimensionaler Riesenspinnen droht mit der Vernichtung unserer gesamten Dimension und kann nur aufgehalten werden, indem sich Data für das Allgemeinwohl sämtlicher Universumsbewohner opfert ...
Lobenswerte Aspekte: Das „Tor zur Apokalypse“ setzt am Ende der fünften Staffel TNG ein, unmittelbar vor der Versetzung Chief O'Briens auf die Raumstation Deep Space Nine, und wenn man sich dieses Werk so durchliest, entsteht schnell der Eindruck, dass die hier in so bunten Bildern geschilderten Ereignisse zur Versetzung O'Briens in die „Wildnis“ den Ausschlag gaben (vgl. S. 50f.).
Klar natürlich, dass auch Ro Laren in dieser Zeit mit von der Partie ist; aber auch andere bekannte Charaktere geben sich ein Stelldichein in diesem mit 114 Seiten recht umfangreichen Comic: Von Barclay (vgl. S. 8) über Tomalak (vgl. S. 24) bis hin zu Dr. Selar (vgl. 89) lassen sich einige bekannte Gesichter erahnen.
Daneben wird einfühlsam und manchmal sogar subtil auf TNG-Folgen oder -Filme referiert – egal, ob mit dem „Holmes-Prinzip“ (S. 71) auf „Sherlock Data Holmes“ angespielt wird, den fremden Wesen, die sich in „Ungebetene Gäste“ des Geistes Trois, Datas und O'Briens bemächtigten, gedacht wird (vgl. S. 84) oder einfach nur ein Jäger der „Skorpion-Klasse“ in einer Geheimbasis der Romulaner herumsteht (vgl. S. 99 und S. 106f.).
Ganz besonders gelungen ist jedoch der Einbeziehung einer großen Bandbreite an fremden Spezies, die hier einer Parade gleich am Zuschauer vorbeiziehen. Neben einigen Rassen, die aus TNG bekannt sind, wie Bynäre (vgl. S. 8), Benziten (vgl. S. 9) oder Pakleds (S. 73) schaffen es die Storyschreiberbrüder Tipton, selbst Mitglieder von Kulturen aus anderen Star-Trek-Serien gekonnt zu integrieren. Mit Rigelianern (vgl. S. 28 und ENT, „Dämonen“), Kaylar (vgl. S. 28 und TOS „Talos IV – Tabu, Teil 1“) und Edosianern (TAS, „Der Liebeskristall“) gelingt ein Brückenschlag, der harmonisch TNG mit den anderen Ablegern des Star-Trek-Universums in Einklang bringt. Ganz besonders der hier aufgegriffene Konflikt zwischen Rigelianern und Kaylar spielt geschickt mit dem vermeintlichen Paradoxon, dass beide Spezies demselben System entstammen.
Natürlich haben es sich die Macher des Comics nicht nehmen lassen, sich selbst überall im Heft zu verewigen. So lassen sich neben den Textern David (vgl. S. 85) und Scott Tipton (vgl. S. 50) auch die Redakteure Andrew Steven Harris (vgl. S. 85) und Denton Tipton (vgl. S. 82) finden – oft in nicht gerade vorteilhaften Rollen.
Tatsächlich konnte ich diesmal sogar ein kleines Easter Egg ausmachen. Nein, nicht die inzwischen längst zum guten Ton gehörende Erwähnung der 47 (vgl. S.11), sondern die Nutzung eines dreieckigen Monitors aus TOS-Zeiten mitten auf einem Schiff der Galaxy-Klasse (vgl. S. 56) bot einen kleinen, aber durchaus sympathischen Querverweis auf die Mutter aller Star-Trek-Serien.
Ganz besonders gefreut hat mich außerdem, dass cross cult es dieses Mal geschafft hat, alle angekündigten Bücher des Monats noch vor dem letzten Tag desselben auf den Markt zu werfen. Ich persönlich vermute zwar, dass der marktwirtschaftliche Begriff „Weihnachtsgeschäft“ daran nicht ganz unbeteiligt ist, doch meiner Freude über eine weitere Bucherscheinung tut dies keinen Abbruch.
Kritikwürdige Aspekte: Alles in allem bietet Messinas dritter Comicband in deutscher Sprache keine besonders eng zusammenhängenden Erzählungen, wie es noch in den Vorgängern „Countdown“ oder „Spiegelbilder“ der Fall war. Vielmehr handelt es sich um eine lockere Kurzgeschichtensammlung mit Geschichten, die einem irgendwie schon bekannt vorkommen: Troi ist mal wieder besessen, ein Gedankenmanipulator der Ferengi beeinflusst jemanden von der Enterprise und Anleihen bei den großen Werken der Science-Fiction-Szene wie 2001 Odyssee im Weltraum oder Alien sind unverkennbar.
Daneben bedienten sich beide Autoren so schamlos und ungeniert bei Folgen wie "Die Iconia Sonden", "Die Schlacht von Maxia" oder "Wem gehört Data", dass dieser Star-Trek-Patchwork-Decke die Eigenständigkeit dabei verloren geht.
Doch selbst die zeichnerische Qualität lässt arg zu wünschen übrig. Zwar ist der gute alte Bleistift im Gegensatz zu den beiden zuvor erschienenen Comics als zentrales Arbeitsmittel oft zu erkennen (vgl. S. 46, S. 63 oder S. 75), doch viele Bilder sind einfach nur unterirdisch schlecht:
Besonders weiter entfernte Figuren nerven etwa in ihrer Detailarmut (S. 38, S. 74 oder S. 107) fast so sehr wie in ihrer brachialen Plumpheit: Auf S. 7 sieht Data eher aus wie Tim von „Tim und Struppi“, während er auf Seite 12 wirkt, als hätte Messina den Stil Uderzos schlecht zu kopieren versucht. Zudem sieht der Androide ohne Emotionschip viel zu oft erschreckend gefühlsbetont aus (vgl. S. 26, S. 96 oder S. 84) und legt eine Mimik an den Tag, die nicht so recht zu dem so sympathisch steifen Charakter passen mag.
Doch auch die Altersfurchen, die ihn des Öfteren zieren (vgl. S. 7, S. 30 oder S. 91), passen nicht in das Gesicht, das eigentlich von Alterungsprozessen verschont sein sollte. Dann schon eher zu Picard, obgleich die Menge dieser Sorgenfalten (vgl. S. 24, S. 31, S. 42, S. 53, S. 59, S. 69, S. 72, S. 75, S. 82 oder S. 91) definitiv zu hoch ist und zu oft das Gefühl erweckt, dass der Captain schlichtweg dilettantisch gezeichnet ist.
Aber ganz generell sehen die abgebildeten Figuren den Vorbildern nur sehr entfernt ähnlich. So wirken Riker (vgl. S. 5), Crusher (vgl. S. 31) oder O'Brien (vgl. S. 68) oft so unähnlich, dass allein Haarfarbe, Bart oder Uniform als Indentifikationsmerkmale herhalten müssen. Auch die Gesichter Dr. Selars oder Tomalaks haben keinerlei Ähnlichkeit mit denen Andreas Katsulas' oder Suzie Plaksons – wenn ihre Namen nicht fallen würden, wäre es schier unmöglich, sie den entsprechenden Rollen zuzuordnen.
Sogar die gute alte Enterprise S. 30 spottet selbst den detailarmen Modellen der ersten Staffel TNGs und die Qualität vieler Zeichnungen der im Anhang befindlichen Cover-Galerie oder des Frontcovers sucht man innerhalb des Heftes vergeblich.
Zum Teil liegt dies auch an der recht einseitigen Musterverwendung. Das Standardmuster (vgl. S. 70, S. 80 oder S. 92) lässt sich allenthalben finden, doch wenn selbst das Haupthaar oder der Bartwuchs bekannter Figuren mit dieser typischen Tischdeckenverzierung aus Omas verstaubter Altkleidertruhe versehen werden (vgl. S. 44, S. 67 oder S. 75), fühlt man sich schon etwas verschaukelt und gelangweilt.
Die angesprochene Musterung ist auf Seite 73 auf der Schiffshülle ja vielleicht noch in Ordnung, doch die strichförmigen unbeleuchteten Fenster im helleren Vordergrund stehen in direktem Widerspruch zu den hell erleuchteten runden Punkten im dunkleren Schattenbereich des Rumpfes. Das passt hinten wie vorne nicht zueinander und sieht haargenau so aus, als hätte sich der Urheber beim Zeichnen nicht all zu viele Gedanken gemacht.
Allerdings lassen sich solche kleineren Fehler des Öfteren ausmachen. So wechselt eine rote Uniform auf Seite 8 plötzlich die Farbe und auch die Uniform des andorianischen Admirals entspricht nicht unbedingt genau den Vorgaben aus der Serie.
Dies scheint auch bei den Kommunikatoren der Fall zu sein, denn die kleinen Apparate wirken nur äußerst selten dreidimensional und erinnern eher an die Aufnäher der klassischen Star-Trek-Serie.
Übersetzung: Eigentlich ist die Fehlerquote der Comics stets gering. Dies liegt an der beständigen Großschreibung, den überschaubaren Textanteilen sowie dem begrenzten Platz in einer Sprechblase.
Dennochlässt sich gleich auf Seite 10 der Begriff "Föderung" finden. Was soll das sein? Eine Förderung? Die Föderation? Oder vielleicht Ferdörung?
Wer weiterblättert, kann sich zweier weiterer Punkte erfreuen. Warum sollten Riker und Data „[...] zu Daystrom One [...]“ (vgl. S. 7 oder S. 8) herunterbeamen – warum nicht „auf“? Denn egal ob mit der Bezeichnung eine Station oder ein Planet gemeint ist, ist die verwendete Präposition in diesem Zusammenhang eher für Personen gedacht (zu Oma, zu mir, zu Data).
Ein zweiter Fehler offenbart eher historische Engpässe. Wenn Picard über Talleyrand philosophiert, meint er sicherlich nicht, dass dieser „[...] unter dem alten Regime [...]“ (S. 42) diente, sondern spielt auf das sogenannte „ancien régime“ an. Dieser weit verbreitete Terminus bezieht sich nämlich auf einen Zeitabschnitt der europäischen frühneuzeitlichen Geschichte. Doch getreu dem Motto "Niemand ist unnütz - er kann immer noch als schlechtes Beispiel dienen" kann man diesem Fauxpas auch etwas Positives abringen. Wenn etwa Eltern ihren Kindern an einem Beispiel ihrer Lebenswelt deutlich machen wollen, warum sie in Geschichte doch besser aufpassen sollten, dann ist dieses Heft ideal!
Abschließend sollte auch noch ein eher vernachlässigungswürdiger Punkt wenigstens beiläufig erwähnt werden: Es ist etwas unbefriedigend, dass die Anzeigen der Konsolen (vgl. S. 41, S. 67 oder S. 77) unübertragen auf Englisch belassen wurden, denn dadurch wirkt, bei allem Verständnis für die Zurückhaltung, die gesamte Übersetzungsarbeit etwas inkonsequent.
Anachronismen: Warum benötigt eigentlich die Föderation noch einen zentralen Informationspeicherort (vgl. S. 7)? Was ist mit Memory Alpha („Strahlen greifen an“)? Aber wer weiß schon, was seit Kirk alles passiert ist, und wenigstens ist auch auf dieser Station ein Andorianer zugegen (vgl. S. 8).
Viel mehr verwunderte mich, dass die Kaylar nicht nur Mitglieder der Föderation geworden zu sein scheinen, sondern auch für die Errichtung einer Kolonie bezahlt werden (vgl. S. 33)! In einer Zukunft, in der es eigentlich kein Geld mehr geben sollte („Die Karte“), mutet eine solche Politik doch etwas merkwürdig an.
Fast genauso merkwürdig wie die verlangsamte Reaktionszeit Datas. Gleich dem eisernen Holzfäller muss er eingerostet sein, denn obwohl er in Episoden wie „Ein Planet wehrt sich“ oder „Kraft der Träume“ seine überlegenen Reflexe noch eindrucksvoll unter Beweis stellte, wird er hier nicht nur von Romulanern überrascht (vgl. S. 96) sondern muss sich auch noch von Commander Riker durch einen beherzten Hechtsprung retten lassen (102f.).
Ja selbst der Rang des Commanders scheint einer Inflation unterworfen zu sein! Während Worf in Star Trek VI von der Beförderung zum Lieutenant Commander recht überrumpelt wirkt, nimmt Ro diese Ereignisse mal eben vorweg, indem sie den klingonischen Lieutenant bereits im Voraus mit „Commander“ anredet.
Fazit: Nach den letzten so überdurchschnittlichen Comics Messinas tritt nun wieder Ernüchterung ein. Dieses Werk hält einen unverhältnismäßig hohen Sicherheitsabstand zu seinem Vorgänger und kann ihm weder in Kreativität, Qualität noch Figurendarstellung das Wasser reichen. Es gibt zwar durchaus nette Ansätze, doch diese verblassen im Angesicht der oft sehr schlampigen Ausführung.
Dennoch wecken die wenigen Lichtblicke Hoffnung auf mehr, denn wenn es sich mit Messina-Comics ähnlich verhält wie mit den Star-Trek-Filmen bis Nemesis, dürfte der nächste (gerade) Band wieder ein größerer Augenschmaus werden.
Denkwürdige Zitate:
Kein Problem, Captain. Der Zweite Weltkrieg kann warten.
Riker, S. 7
Sich in Erfüllung der Pflicht zu opfern, ist kein Opfer, Commander.
unbekannter, todgeweihter Centurion, S. 110
Bewertung: Don't judge a book by its cover.
Tor zur Apokalypse - die Rezension von Frank Drehmel