Serie / Zyklus: Shadowrun Besprechung / Rezension von Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Ein scheinbar unkomplizierter Auftrag führt Kyle Walker und Martin T. Simmons im vorweihnachtlichen Seattle zusammen: ein Mister Malkalla engagiert die beiden Profis, um den Mörder seiner geliebten Shelley zu finden.
Die Aufgabe des bis über beide Ohren vercyberten Menschen Walker ist es, seine (para)militärische Ausbildung, den glasklaren Verstand und sonstige materielle "Ressourcen" in das Team einzubringen, während der Ork Simmons speziell für die zahlreichen Connections zur örtlichen Polizei, zur nicht ganz so gesetzestreuen Gegenseite (Kleinkriminellen, Schattenläufern) und zum Ork-Untergrund zuständig ist.
Schon die ersten Ermittlungsergebnisse bringen Mysteriöses und Beunruhigendes an den Tag: Shelley war nur äußerlich ein Mensch und das auch nur manchmal. Unter der Maske der promiskuitiven Künstlerin verbarg sie ihre wahre Natur einer gestaltwandelnden "Bestiaforma Mutabilis" - wie die Umstände ihrer Ermordung bzw. Hinrichtung allerdings zeigen, nicht gut genug.
Bald darauf sorgen weitere grausame, rituell anmutende Morde innerhalb der im Untergrund gut organisierten Gestaltwandler-Gemeinde Seattles für Angst und das Bedürfnis nach Vergeltung, so dass es nicht lange dauert, bis Walker und Simmons nicht nur einen skrupellosen Serienkiller jagen, sondern auch die weitere Eskalation der Gewalt verhindern müssen, wobei sie selbst ins Visier ihrer professionell operierenden Gegenspieler geraten.
Mit Shelley beweist André Wiesler - wie zuvor schon Maike Hallmann -, dass auch deutsche "Newcomer" erstklassige Shadowrun-Romane schreiben können und die Phoenix Reihe von Fantasy Productions jederzeit für eine positive Überraschung gut ist.
In den Personen Walker und Simmons hat der Autor zwei vielschichtige Charaktere geschaffen, die sich einerseits hervorragend ergänzen, andererseits aber auch völlig eigenständig funktionieren und agieren. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang Wieslers (gelungener) Versuch, durch das Stilelement des direkten Neben-/Hintereinanderstellens unterschiedlicher Beurteilungen ein und derselben Situation durch beide Protagonisten der Story und den Personen auf amüsante Art und Weise Shadowrun-unübliche Plastizität zu verleihen.
Hören wir, was die beiden beispielsweise (im Glossar) über ELFEN zu sagen haben. Walker: "Homo Nobilis, eine metamenschliche Subspezies von meist schlanker, hochgewachsener Gestalt mit spitzen Ohren"; Ork Simmons: "Elfen, diese miesen Löwenzahnfresser, ich hasse sie! Kommen sich immer so vor, als wenn sie was Besseres wären, bilden sich wer weiß was auf ihr tolles Aussehen ein"
Humorvolle Dialoge, das Infragestellen von Klischees, gepaart mit einer zurückhaltenden Sozialkritik und eine liebevolle Überzeichnung individueller Macken und Marotten - Walkers hypochondrische Angst vor einer Cyber-Psychose, Simmons bewusst provokantes Auftreten - lassen den mitfiebernden Leser mehr als einmal schmunzeln.
Die Handlung selbst ist wohltuend geradlinig, unprätentiös und temporeich (jedoch nicht überhastet), mit stetig steigendem Spannungsniveau. Beginnt das Buch eher als eine klassische Detektivgeschichte vor launigem "Cyberpunk"-Background, so treten zum eruptiven Ende hin eindeutig die Action- und Mystery-Elemente des Shadowrun-Settings in den Vordergrund, sodass auch die Gewaltfeteschisten unter den Lesern nicht zu kurz kommen.
Fazit: Shelley ist neben Pesadillas von Hallmann stilistisch und storytechnisch zweifellos der beste SR-Roman seit langem. Bleibt zu hoffen, dass wir von Walker und Simmons nicht zum letzten Mal etwas gehört haben.
Shelley - die Rezension von Erik Schreiber
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