Titel: Schiffsdiebe Eine Rezension von Sonja Buddensiek |
"Ich lebe!", schrie er. "Ich lebe!"
Keiner sagte etwas, sie starrten ihn nur in einem fort an.
Nailer wollte wieder schreien, doch etwas an ihren Gesichtern ließ ihn nach unten schauen.
Die Gischt leckte an seinen Knöcheln, Rost- und Drahtstücke wurden auf den Sand gespült. Muscheln und Isolierung. Die Gischt war rot. Blut lief ihm an den Beinen herunter, und mit jedem Herzschlag nahm das Wasser einen dunklere Farbe an.
Inhalt:
In einem nicht allzu weit in der Zukunft liegenden Amerika ist die Schere zwischen Arm und Reich größer als je zuvor. Nailer gehört zu den weniger Glücklichen: Um über die Runden zu kommen, muss er die schwierige und gefährliche Arbeit als Schiffsbrecher verrichten, abhängig von seinem übellaunigen Boss und immer in Angst vor einem drogenabhängigen Vater. Als er eines Tages mit einer Freundin als Erstes einen Klipper der Wohlhabenden erreicht, sind all seine Sorgen vergessen, denn mit dem, was sie dort finden, wäre ausgesorgt. Doch dann entdeckt Nailer eine Überlebende - ein junges Mädchen, eingeklemmt zwischen Möbeln und Trümmern. Obwohl er dadurch alles verlieren könnte, weiß er, dass er ihr helfen muss. Und bringt sich dadurch in große Gefahr, denn gefährliche Leute sind nun hinter ihnen her...
Buchaufmachung:
Das Cover des Romans ziert ein altes, rostiges Schiff, was somit zumindest zu den ersten 100 Seiten perfekt passt - schließlich schlachtet Nailer genau solche Wracks ja aus. Auch wenn es den Inhalt wiedergebt: Ein Eyecatcher ist es nicht...
Meine Meinung:
Nach einer Interesse weckenden Rezension auf einem meiner Lieblingsblogs war ich von der Idee und der Art dieser Dystopie hin und weg. Vielleicht waren meine Erwartungen tatsächlich ein wenig zu hoch - Tatsache aber ist, dass sie nicht ganz erfüllt werden konnten.
Das Buch beginnt sehr schleppend und sehr langsam. Zwar ist es interessant, von Nailers Arbeit und seinem Leben zu lesen, weil beides so anders ist als wir es gewohnt sind, dennoch zieht sich die Vorgeschichte extrem. Bis der Junge überhaupt den Klipper entdeckt, sind schon 100 Seiten um und für den Rest der Story bleibt relativ wenig Raum. Auch danach nimmt das Werk eher langsam Fahrt auf und dümpelt mehr oder weniger vor sich hin - immerhin ergeben sich so recht ausgefeilte Charaktere
Nailer ist einem schon allein dadurch sympathisch, dass er auch die kleinen Dinge genießt. Er ist in keiner Weise verwöhnt, eher vom Leben gestraft, auch wenn er immerhin eine Arbeit hat. Diese ist anstrengend und vor allem gefährlich, die Bezahlung schlecht. Trotzdem ist er mutig, leidenschaftlich und ein Kämpfertyp, weswegen ich ihn mochte. Pima, seine beste Freundin, ist ein freundlicher, guter Charakter mit einem Hang zum Abergläubischen, den ich gut leiden konnte, während das reiche Mädchen Nita, meistens eher verwöhnt und rechthaberisch, mir doch eher auf die Nerven ging. Gelungen fand ich vor allem Nailers Vater, einen drogensüchtigen, gewalttätigen und grausamen Mann, der nur in den schwachen Momenten zu einem echten Menschen wird.
Der Spannungsbogen ist zwar vorhanden, sackt aber an vielen Stellen ein, weil die Geschichte einfach nicht vorangetrieben wird, sondern auf der Stelle zu treten scheint. Die dystopische Zukunft ist interessant, besonders viel erfährt man über die Umstände und das Drum und Dran aber nicht - für mich war es zu vage, zu nichtssagend und ebenso auch zu wenig dystopisch. Einer der wenigen fortschrittlichen Aspekte ist der mit den mutierten Menschen, Halbmenschen genannt, der Rest erscheint jedoch eher, als wäre der Roman in einer früheren Zeit angesiedelt. Durch die wenigen Hinweise und Details ist eine genaue Vorstellung der Welt leider nicht wirklich möglich, hinzu kommen etliche Rechtschreibungs- und Zeichensetzungsfehler, die auf die Dauer nerven.
Der Showdown zum Schluss, der wirklich lange auf sich warten ließ, ist dann allerdings sehr gut und auch fesselnd geschrieben - endlich kommt Spannung auf, endlich passiert etwas! Ich wurde mitgerissen und streifte mit Nailer durch Gänge und Kajüten, um Nita zu finden. Der Kampf mit einem seiner Widersacher ist interessant und wendungsreich, da ein Aspekt von vorher wieder aufgegriffen wird. Danach allerdings geht alles ein wenig zu schnell, als hätte Paolo Bacigalupi keine Lust mehr gehabt. Hier hätte ich mir noch mehr Seiten für ein langsameres, besseres Ende gewünscht.
Fazit:
"Schiffsdiebe" konnte mich leider nicht so überzeugen wie ich das gedacht hätte und das liegt sicherlich nicht an der rauen Sprache oder daran, dass es eigentlich für Jungen gedacht ist. Ich war die meiste Zeit über leider eher gelangweilt und von den wenigen dystopischen Elementen und Details enttäuscht. Schade, wo ich mich so auf das Buch gefreut hatte! Ich vergebe 3 Punkte.