Reihe: Salzträume Eine Besprechung / Rezension von Vero Nefas |
Inhalt
Österreich, Ausseer Land, im Jahre 1865. Ein junger Mann und sein Hauslehrer verschwinden spurlos. Zuvor erwähnt der Jüngling in einem Brief die Existenz einer geheimnisvollen Maschine. Und tatsächlich entwickelt ein skrupelloser Wissenschaftler in den Salzhöhlen dieses zauberhaften Landes eine todbringende Waffe. Fey und Mensch sind gleichermaßen in Gefahr.
Der Ex-Agent Delacroix und sein Begleiter, der Magier McMullen, sollen die Vermissten finden und verschwinden ebenfalls.
Zur selben Zeit befreit Charlotte von Sandling den Feyon Graf Arpad aus der Gefangenschaft, nicht ahnend, dass sie sich damit in höchste Gefahr begibt.
Während auf der einen Seite gewissenlose Mörder ihr Unwesen treiben und ausländische Agenten versuchen hinter das Geheimnis zu kommen, machen sich drei Frauen auf den Weg um ihre Männer wieder zu finden, ohne zu wissen, was sie auf ihrem Weg erwartet.
Liebe, Hass, Selbstlosigkeit, Verachtung, Freundschaft oder Gier treiben Mensch und Sí in die Berge und deren Macht ist grenzenlos …
Kritik
Das Buch beginnt mit zwei Briefen, deren Inhalt auf ein großes, düsteres Geheimnis schließen lässt. Die Neugier des Lesers ist erst einmal geweckt. Danach erfolgt ein langsames herantasten an die Geschichte – vor allem die Vielzahl der unterschiedlichen Protagonisten sorgt für eine lange Einführung ins Geschehen. Die Figuren müssen ja erst einmal vorgestellt und in die Handlung integriert werden.
Gerade das empfand ich am Anfang als ermüdend, weil einem die Charaktere sehr fremd und oberflächlich erscheinen und man sich kaum mit ihnen identifizieren kann. Aber einem Roman dieser Länge (immerhin wird die Geschichte in 2 Bänden auf insgesamt über 1000 Seiten erzählt) gestehe ich jederzeit ein bisschen Anlaufzeit zu. Es war ja deswegen nicht langweilig oder nervig, nur für mich auch ein bisschen ungewohnt. Es hat also auch seine Zeit gebraucht, bis ich mich an den doch sehr anschaulichen Schreibstil der Autorin gewöhnt hatte. Gerade weil ich ein Leser bin, der eigentlich Wert darauf legt, wenn eine Handlung zum Punkt kommt, wenn man sich nicht mit ausschweifenden Beschreibungen der Landschaften oder Personen aufhält, musste ich mich ein wenig selbst überwinden, um dieses Buch genießen zu können.
“Jetzt saß sie auf der kleinen, kreisrunden Waldlichtung, den Rücken an den Stamm ihrere Lieblingseiche gelehnt. Kein neuer Baum hatte den Platz des verbrannten eingenommen. Als respektierten sie das Grab eines hölzernen Freundes, wuchsen die Bäume um Seyons zerstörtes Heim herum, das sie versteckten, jedoch nicht einnahmen. Blumen wuchsen auf der Lichtung die niemand gepflanzt hatte. Sie sprossen einfach aus der Erde und verwandelten Seyons Aschegrab in ein Blumenbeet.” (Seite 21)
Aber Ju Honisch hat es geschafft. Sie hat mich gepackt – und während ich die ersten knapp 80 Seiten noch recht widerwillig gelesen habe, konnte ich das Buch dann nicht mehr aus der Hand legen. Plötzlich war ich gefangen in der Welt der Feyon, dem Kampf zwischen Mensch und Sí, gebannt von der Macht der Liebe und erschüttert vom Hass auf Andersartigkeit. Waren mir die Figuren anfangs fremd und unwirklich erschienen, so habe ich sie plötzlich als Freunde, als Weggefährten gesehen. Und auf einmal waren es gerade die Landschaftsbeschreibungen, die lebendige Kulisse des Romans, die mich nicht mehr los lassen wollten, mich tief in die Geschichte gezogen haben und mir ermöglicht haben an der Seite der Protagonisten ein Abenteuer zu erleben, das mich auch nach Beendigung des Buches nicht losgelassen hat. Einen großen Anteil daran tragen auch die lebendigen Dialoge, die zumindest so klingen, als könnten sie im 19 Jahrhundert geführt worden sein.
Die oberflächlich erzählte Geschichte ist spannend, voll tiefer Gefühle und der Plot ist – soweit ich es bisher beurteilen kann, da mir die finale Auflösung ja noch fehlt – sehr überzeugend. Die Autorin kreiert eine gut durchdachte, fantastische Welt fern der gängigen Fantasyromane, ohne mit sämtlichen Regeln zu brechen. Die unterschiedlichen Feyon leben in einer Welt mit Menschen und Hexenmeistern, in und außerhalb der Zeit – jede Art nach ihren eigenen Regeln. Berührt hat mich aber die vor allem die Geschichte hinter der Fassade – nicht der obligatorische Kampf “Gut gegen Böse”, sondern die Tatsache, dass die Begriffe oft verschwimmen können, dass dieses Buch, auch wenn es doch sehr realitätsfern zu sein scheint, tief in der Realität verortet ist. Nicht nur dadurch, dass es in der realen Welt spielt, sondern weil Rassenhass und Fanatismus ein Problem jeder Gesellschaft sind und immer waren und hier sehr deutlich aufgezeigt wird, wohin diese Dinge führen können, ohne dass die Autorin versucht einen Moralapostel zu spielen.
Einziges Manko: Die Schrift ist wirklich sehr klein und daher zeitweise schwierig zu lesen und man sollte unbedingt Band 2 sofort zur Hand haben, da das Ende sehr offen ist und man eigentlich am liebsten sofort weiter lesen möchte. Mein Problem: Ich habe Band 2 noch nicht!
Lobenswert: Die Verarbeitung des Buches ist sehr gut – keinerlei Leserillen, trotz des Umfangs!
Fazit
Ein wirklich großartiges Buch fernab des fantastischen Mainstream. Liebevoll herausgearbeitete Charaktere, ein spannungsgeladenes Abenteuer, unzählige kunstvoll miteinander verwobene Handlungsstränge und der absolute Wunsch nach “mehr”: Auch wenn ich Anfangs, auf den ersten 80 Seiten etwa, noch etwas skeptisch war, so hat mich Ju Honisch mit ihrem Roman “Salzträume” auf den folgenden 500 restlos in ihren Bann gezogen und ich kann es kaum erwarten den 2ten Band zu lesen.
Beeindrucken finde ich auch den Tiefgang, den diese Geschichte hat – oder jedenfalls den Eindruck, den sie bei mir hinterlassen hat. Eine Mahnung an die Gesellschaft, die aber geschickt in die Handlung integriert ist, ohne sich dominant in der Vordergrund zu drängen oder auf Moralvorstellungen der “zivilisierten Gesellschaft” zu pochen.
Ein großes Lob auch an das Lektorat, das diesem Roman die Freiheit gelassen hat sich zu entfalten und die Länge zu beanspruchen, die er braucht um diese Geschichte zu erzählen! (Sie hätte auch auf weniger Seiten erzählt werden können, hätte aber einiges von ihrem Zauber verloren, denn vor allem die großartigen Landschaftsbeschreibungen tragen dazu bei, dass man sich völlig in der Geschichte verlieren kann)
Ein bisschen problematisch ist nur die Schriftgröße. Mich persönlich hat es beim Lesen nicht eingeschränkt, ich könnte mir aber vorstellen, dass einige Personen damit so ihre Schwierigkeiten haben.
5/5 Sternen