Serie / Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Mit dem im Jahre 2000 erschienenen Roman „Googol“ landete der bis dahin völlig unbekannte Autor und Fotograph Hans-Dieter Klein einen Überraschungserfolg. Obwohl der Roman mit 1053 Seiten zu den von der Seitenzahl her umfangreichsten Veröffentlichungen im SF-Taschenbuch der letzten Jahre gehört, erwies sich dies keineswegs als Hindernis. Mittlerweile wurde „Googol“ bereits mehrmals nachgedruckt und erreichte im deutschen Sprachraum damit eine verkaufte Auflage, von der die meisten angloamerikanischen Veröffentlichungen weit entfernt sind.
So war es durchaus keine Überraschung, dass der Heyne-Verlag im letzten Herbst einen weiteren Roman von H.D. Klein ankündigte, der dann exakt drei Jahre nach seinem Debütroman ebenfalls als Taschenbuch in der SF-Reihe des Verlags erschien.
Mit H.D. Klein tauchte im Sommer 2000 ein Autor auf, dessen Name dem belesenen SF-Fan überhaupt nicht geläufig war. Aufgrund der geschwundenen Absatzzahlen der letzten Jahre im SF-Bereich, war die Erwartungshaltung der Leser dementsprechend hoch. Dem Autor gelang es diese zu erfüllen. Die Reaktionen aus dem Fandom waren durchweg positiv und die Verkaufszahlen sprechen für sich.
Dabei hat H.D. Klein erst spät mit der Schriftstellerei begonnen. Seit 1983 betreibt der 1951 in Wolfsratshausen geborene Klein nach erfolgreichem Abschluss eines Studiums für Luft- und Raumfahrttechnik und Photographie ein eigenes Fotostudio in München, welches ihm ein gutes Einkommen sichert.
Als er 1990 zur Lektüre von SF-Romanen und -Kurzgeschichten zurückgekehrt war, beschloss er selbst einen SF-Roman zu schreiben. Erst 1997 stellte er diesen fertigt und verkaufte ihn an den Heyne-Verlag, wo er unter dem Titel „Googol“ erschien.
Bevor dieser Roman als Taschenbuch in die Buchläden kam, fing er 1999 mit dem Schreiben des nun vorliegenden Romans an, den er dann im letzten Sommer fertig stellte und der wiederum vom Heyne-Verlag akzeptiert wurde.
Unter dem Titel „Phainomenon“ liegt nun sein zweiter SF-Roman vor.
Der Roman beginnt in einer recht nahen Zukunft. Das Spaceshuttle Intrepid befindet sich auf den Rückflug von der Internationalen Raumstation und leitet gerade den Übergang in die Atmosphäre ein, als der Commander James Jefferson DeHaney angewiesen wird diesen abzubrechen und statt dessen weiterhin im Orbit zu bleiben. Die Intrepid befindet sich in einer Umlaufbahn, die es ihr ermöglicht ein unbekanntes Flugobjekt zu sichten. Da dieses UFO mit den besten Flugzeugen der Amerikaner nicht zu verfolgen ist, versuchen die Verantwortlichen diese Möglichkeit zu nutzen.
Die Sichtung gelingt und darüber hinaus noch viel mehr, denn das UFO begibt sich in einer Position direkt oberhalb der Intrepid und ist mit einem Male zum greifen nahe. Es folgt, was folgen muss, die Verantwortlichen auf der Erde erteilen mehr oder weniger den direkten Befehl persönlichen Kontakt mit dem UFO herzustellen. Die Besatzung des Spaceshuttles ihrerseits - von Neugier getrieben - verwirft sämtliche Bedenken und startet einen persönlichen Kontaktversuch.
Dieser verläuft allerdings völlig anders ab als vorgestellt, denn die Intrepid findet sich mit einem Male in der Vergangenheit wieder. In einer Zeit, die gut 10000 Jahre von der Gegenwart entfernt ist. In einer Zeit also, in welcher man von einer menschlichen Zivilisation noch nicht sprechen kann.
Bis hierin findet der Leser noch einen durchaus geläufigen und nicht besonders innovativen SF-Plot vor. Die Entführung eines Spaceshuttles in die Ferne Vergangenheit ist nicht gleichzusetzen mit der Neuerfindung des Genres. Was bereits auffällt ist, dass sich der Autor viel Raum nimmt für diese „Romaneinführung“. Knapp 300 Seiten benötigt er, bis die Intrepid auf der Erde gelandet ist. Zwar wird auf den ersten 300 Seiten auch ein wenig auf die Zustände auf der Erde eingegangen, aber dieser Handlungsstrang kommt erst mit der Landung des Spaceshuttles so richtig ins rollen. Diese ausführliche Darstellung der Geschehnisse und der Protagonisten, wobei letzteres als gelungen zu bezeichnen ist, hat bei mir die Befürchtung aufkommen lassen, dass die restliche Handlung zu gedrängt oder nicht mehr so sehr ausgearbeitet ist. Leider fand ich dies dann bestätigt.
Im weiteren Verlauf sieht sich die Crew mit einer Tatsache hautnah konfrontiert, welche der Geschichtsschreibung nach erst ca. 5000 Jahre später eintreten sollte: dem Bau der drei großen Pyramiden von Gizeh.
Nun finden sie also eine Situation vor, die fremdartiger kaum sein kann. Das Raumshuttle wurde dank des UFOs ca. 10000 Jahre in die Vergangenheit geschleudert. In eine Vergangenheit, in der die Erdatmosphäre aufgewühlt ist und die Erde in Regen ertrinkt. Die Vereisung ist bis weit nach Europa und Nordamerika fortgeschritten, die Menschen befinden sich aufgrund katastrophaler Wetterverhältnisse auf der Flucht gen Süden und das heutige Ägypten ist eine einzige Sumpflandschaft.
In einem Ort relativer Ruhe vor den extremen Wetterverhältnissen bauen einige tausend Menschen und ein ebenfalls aus der Zukunft entführter Deutscher Uhrmacher an den Pyramiden und stehen kurz vor der Vollendung der letzten und größten. Stimmt schon die zeitliche Einordnung der Pyramidenerbauung mit dem geschichtlichen Wissen der Shuttlebesatzung nicht überein, so ist dies bei deren eigentlichen Zweck erst recht nicht der Fall. Die Pyramiden dienen als großformatige Zeitmaschinen, in denen die letzten Überlebenden eines großen Herrschergeschlechts die Jahrtausende überdauern wollen, um so in die Gegenwart der Shuttlebesatzung zu gelange. Soweit diese herausbekommt, ist ein technisch überaus hochstehendes Volk für die Wetterkapriolen verantwortlich, ausgelöst durch einen technischen Defekt auf ihren Kontinent, der mit fast allen Einwohnern vernichtet wurde (Atlantis?). Sobald die größte Pyramide fertiggestellt ist, wird sich der einzig noch auf der Erde aktive weilende Überlebende in ihr zur Ruhe legen und die Reise in die Zukunft antreten.
Die Stärken des Romans liegen unzweifelhaft in den Charakterisierungen der Figuren und in den ersten dreihundert Seiten. Kleins Figuren sind ausführlich dargestellt, was ebenfalls auf die gesamte Handlung und deren Hintergrund zutrifft. Sie agieren stimmig in einem gut ausgearbeiteten Szenario.
Anders dann, als Klein seine Leser in die von ihm selbst konstruierte Welt führt. Hier gelingt es ihm nicht eine Verbindung zwischen den Geschehnissen innerhalb der Enklave um die Pyramiden und der Welt darüber hinaus herzustellen. Der Handlungshintergrund wirkt wesentlich künstlicher angelegt und ich hatte bei der Lektüre den Eindruck, dass der Autor sich auf ein für ihn wesentlich glattes Parkett bewegt wie zu Beginn. Dieser Eindruck entsteht wahrscheinlich durch die detaillierte Ausarbeitung des ersten Teils des Romans, die dann im weiteren Verlauf verschwimmt.
Obwohl der Autor wohl bewusst seinen Lesern sehr wenig Hintergrundinformationen geben wollte, um so die Fremdartigkeit des letzten noch agierenden Abkömmling einer technisch weitaus hochstehenden und moralisch/ethisch andersdenkenden Rasse darzustellen, fehlt die Bindung zum ersten Teil des Romans. Wobei ich gespannt bin, ob dies andere Leser genauso sehen.
Wer auf ein Happyend hofft, dem sei schon einmal verraten, dass er damit nur teilweise rechnen kann. Er kann aber damit rechnen, dass es dem Autor gelungen ist die bekannten Probleme, die in dem Verfassen eines Zeitreiseromans üblicherweise auftauchen, sehr gut zu umschiffen.
Trotz einiger aus meiner Sicht vorliegenden Schwächen ist „Phainomenon“ ein lesenswerter SF-Roman.