Reihe: Die Pferdelords, Band 10 Eine Besprechung / Rezension von Tatjana Stöckler |
Ist es nicht etwas spät, mit dem zehnten Band in die Saga einzusteigen? Das war mein erster Gedanke, als ich das Buch in der Hand hielt. So schwer wie meine Entscheidung ist auch das Buch: über 570 Seiten. Das wiegt schon was. Allerdings macht der Preis die Entscheidung wieder leichter, unter 10 Euro für so viel Text zaubert ein Lächeln auf mein Gesicht. Der Einband macht einen guten Eindruck, angenehm matt mit Hochglanzelementen, das Coverbild perfekt passend zum Roman (was man allerdings erst im Laufe des Lesens feststellen kann). Das Kreuz auf dem Umschlag wirkt seltsam, macht neugierig, welche Rolle es wohl in der „Bruderschaft des Kreuzes“ und einer Fantasy-Welt spielt.
Der Arcanum Verlag verschmolz letztes Jahr mit dem Scratch Verlag; auch die Frage, ob das eine Auswirkung auf die Bücher hatte, lässt mich zugreifen.
Nein, ich werde nicht ins kalte Wasser geworfen: Bevor der Roman beginnt, erwartet mich eine spannende Zusammenfassung der wichtigen Geschehnisse der vorangegangenen Bände und ich fühle mich gleich in der mit zwei Übersichtskarten vorgestellten Welt daheim. Eine Detailkarte der Festung Nerianet wird mir später auch gute Dienste leisten, genauso wie das Personenregister am Ende des Buches.
Endlich beginnt der Roman. Und hier begrüßt mich auch gleich das Einzige, was ich zu bemängeln habe, denn was in der Einführung die letzten Bände zusammenfasst, wird auf den ersten Seiten teilweise wortwörtlich wiederholt.
Der Kontinent Alnaris bietet genug Platz für die Pferdelords und die mit ihnen befreundeten Völker, zu denen verschiedene Menschenkulturen gehören, aber auch Zwerge und Elfen. Nach diversen Geschehnissen hat man sich miteinander arrangiert und lebt in Frieden, teilweise enger Freundschaft. Einige der Menschengemeinschaften vertrauen auf Magie, andere haben eine Art Steampunk-Kultur errichtet. Die Pferdelords leben in einer mittelalterlichen Clangesellschaft, aber man profitiert gegenseitig von den Errungenschaften und schmiedet eine gut funktionierende Allianz. Leider nur teilt ein gewaltiges Gebirge den Kontinent, auf dessen anderer Seite der Schwarze Lord Horden von Orks züchtet. Die wenigen Pforten zwischen den beiden Territorien werden gut bewacht, bis ein gewaltiges Erdbeben einen neuen Pass in das Gebirge reißt.
Die Schäden dieser Katastrophe sind auch nach zwei Jahren noch beträchtlich, noch immer arbeiten alle daran, Verkehrswege wieder aufzubauen und die vorherige Stärke wiederzuerlangen. So wichtig die Völker des Lichts den Schutz vor dem Schwarzen Lord auch nehmen, sie vertrauen darauf, dass auch auf der anderen Seite des Gebirges das Erdbeben für immense Schäden gesorgt hat. Froh sind besonders die Völker an der Grenze über die fleißigen, gutwilligen Helfer aus der neu gegründeten Bruderschaft des Kreuzes. Überall werden sie gerne gesehen, weil sie für Kost und Logis auch Arbeiten übernehmen, vor denen sich andere scheuen. Sie bekennen, von Krieg und Gewalt zuviel gesehen zu haben und für immer allen Waffen abzuschwören. Als Symbol ihres Glaubens tragen sie das auf dem Umschlag abgebildete Holzkreuz bei sich.
Vor dem neuen Pass wird in aller Hast eine Festung errichtet, Nerianet. Die Besatzung ist zusammengewürfelt und auch der Kommandant, der Hochgeborene Hones ta Kalvet muss sich erst in seine neue Position einarbeiten, denn ursprünglich kommandierte er ein Schiff.
Auch die Pferdelords litten unter dem Erdbeben, denn dabei kam ein wertvoller Teil ihrer Führungselite ums Leben. Doch der Nachfolger, Nedeam, der neue Hohe Lord und Pferdefürst der Hochmark, macht seinem Amt alle Ehre. Er sammelt eine Kompanie seiner Reiterkrieger um sich und bricht auf zu einem Manöver vor der Festung Nerianet, um die Gardekavallerie der Verbündeten mit den Kampftaktiken der Orks bekannt zu machen. Sein Freund Lotaras, ein Elfenkrieger, begleitet ihn; genauso, aber unbemerkt von Nedeam, folgt der Ork Fangschlag, ein übergelaufener Krieger des Schwarzen Lords. Fangschlag hat sich gut in die Reitergemeinschaft eingelebt, aber völlig vertrauen ihm auch seine guten Freunde nicht, denn er stellt klar, dass er irgendwann zurück will auf die andere Seite des Gebirges zu den anderen Orks – wenn er sich nur an seinem Widersacher Einohr gerächt hat, der ihn im Kampf schmählich verraten hatte.
Nedeam erreicht die Festung Nerianet gerade rechtzeitig, um sie gegen die Horden des Feindes zu verteidigen, der den Weg durch den neuen Pass gefunden hat. Dabei passieren einige fatale Irrtümer, zum Beispiel, dass die Bruderschaft des Kreuzes gnadenlos unterschätzt wird.
Wenn der Roman auch etwas langatmig anfing, fesselte er mich nach einigen Seiten so sehr, dass ich ihn nicht aus der Hand legen wollte. Besonders gefallen hat mir Fangschlag, der manchmal mit der Mentalität der Menschen so gar nichts anzufangen weiß. Zunehmend gegen Ende des Romans spürt man, wie sehr der Autor seine Pferdelords liebt, wie er ihre Art zu leben und zu kämpfen bewundert und idealisiert. Verständnisprobleme kamen nicht auf, ich war sofort im Geschehen und in der Welt, weshalb ich mich auch freute über die Leseprobe des elften Bandes am Ende des Romans. Und was erwartete mich da? Eine Zusammenfassung der Geschehnisse der vorangegangenen zehn Bände. Darum geriet der Anfang des neuen Bandes arg kurz, was ich mir anders gewünscht hätte. Was mich allerdings nicht davon abhält, den neuen Band auf meine Wunschliste zu setzen, genauso wie die ersten Bände, die ich mir bei Gelegenheit gerne besorgen möchte.
Fazit: Ein solider, spannend geschriebener Fantasy-Roman, auch als zehnter Band ohne Vorkenntnisse der Reihe zu empfehlen.