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Titel: Mordsmütter: Mörderisch gute Geschichten rund um den Mythos Mutti Eine Rezension von Simon Haffner |
Mütter sind auch nur Menschen. Neben ihrer positiven Eigenschaften, ihrer Energie, die sie für ihren Nachwuchs aufbringen, beherbergen sie aber auch dunklere Charakterelemente. Regina Schleheck und Mechthild Zimmermann haben sich der Herausforderung angenommen und eine Anthologie herausgebracht, die sich einzig und allein dem bösen Potenzial widmet, welches in Müttern steckt. In 39 Kurzgeschichten zeigen Autoren wie Sabine Deitmer, Judith Merchant, Kerstin Lange, Regina Schleheck, Milan Zimmermann und Myk Jung, wozu eine Mutter fähig sein kann.
Den Herausgeberinnen ist eine sehr gute Auswahl gelungen, da die Geschichten das Thema sehr vielseitig abdecken. Beispielsweise übernimmt der Planet Neptun in Myk Jungs Kurzgeschichte „Neptunia und Triton“ die Mutterrolle für seine Monde; in „Bis einer weint“ von Sandra Lüpkes begeht die vierzehnjährige, schwangere Marie einen Mord, weil sie sich von ihrem Tagebuch dazu veranlasst fühlt, Sabina Trinkhaus lässt in ihrem Beitrag „Familienbande“ einen Sandkastenkonflikt eskalieren – wohlgemerkt, dass die Mutter des einen Kindes der Auslöser der Eskalation ist - und Sandra Niermeyers „Schneewittchen“ ist die Tochter einer untalentierten Schauspielerin, die es nicht erträgt, dass ihr eigenes Kind sie an Schönheit übertrifft, und es deshalb umbringen will.
Milan Zimmermann vermischt ein seiner Geschichte „Nomen non est omen?“ die literarischen Gattungen „Essay“ und „Kurzgeschichte“: Während der Handlung – die im Verhältnis zum Textumfang sehr gering ausfällt – ergeht sich der Erzähler in allerlei philosophischen Betrachtungen. Infolgedessen erhält der Leser zwar eine Fülle von Informationen und verfolgt eine Vielzahl von Gedankengängen, wird aber ein wenig von Handlung entfremdet.
Zwischen all dem Morden, das sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht, finden sich auch einige humorvollere Geschichten, unter anderem „Das Muttertagsgeschenk“ von Gitta Edelmann, in der eine Tochter ihrer Mutter einen Auftrag bei einem Killer schenkt, da sich die Beschenkte mit sehr vielen Menschen nicht versteht. Sie jedoch treibt den Auftragskiller so sehr in den Wahnsinn, weil sie sich immer kurzfristig doch umentscheidet, dass dieser seinen Beruf an den Nagel hängt.
Fazit: Diese Anthologie wird es selbst einem Optimisten schwer machen, bei seinen Überzeugungen zu bleiben, dafür entschädigt sie den Leser mit einem bunten Blumenstrauß verschiedenster kreativer Ergüsse, die zwar schwarzen Humor, aber auch knallharte Realität und die dunkleren Abgründe der menschlichen Natur beinhalten.