Titel: Malthus’ Welt Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Die Konzerne dieser Erde haben eine solche Machtfülle erreicht, dass sie die Bedeutung von Landesgrenzen aufgeweicht haben. Gegenüber dem Kapital sind die regionalen Regierungen machtlos geworden und die Vorstände der Wirtschaftsriesen bestimmen nun die Politik. So überrascht es nicht, dass hart mit den Arbeitern umgegangen ist. Wer keine Leistung bringt, wird aus dem Gesellschaftssystem ausgeschlossen und als "Minimalkonsument" in Elendsviertel getrieben. Der Weg aus diesem Elend heraus ergibt sich nur in Form eines Vertrages mit einer großen Gesellschaft und dem damit verbundenen Schritt in die freiwillige Sklaverei. Vor diesem Hintergrund treffen zwei Frauen aufeinander: zum einen die herrschsüchtige Großfürstin Klara, die mit eiserner Hand ein Geschäftsimperium regiert, und zum anderen das Lustmädchen Malika, das alles versucht, um dem Elend der Minimalkonsumenten- Gettos zu entkommen. Das Schicksal will es, dass die beiden Frauen sich begegnen, und es beginnt für beide eine selbstzerstörerische Beziehung.
Der Titel "Malthus’ Welt" ist ein Hinweis auf den Sozialphilosophen Thomas R. Malthus, der sich schon Anfang des 19. Jahrhunderts mit den Folgen der Überbevölkerung beschäftigte. Eine kurze Recherche hat gezeigt, dass dieser ein ziemlich kluger Kopf war. Und es waren wohl seine Werke wie auch die jüngsten politischen Entwicklungen, die die Autorin Vilja Limbach zu ihrem dystopischen Roman inspirierten. So stand im Mittelpunkt des Romans die Frage: Wie sieht die Welt in 30 Jahren aus, wenn die aktuelle Entwicklung nicht aufgehalten wird. Man muss der Autorin Respekt zollen, denn ihre Welt der Zukunft ist sehr durchdacht und voller gleichermaßen interessanter wie auch abstoßender Details. Der Mensch zählt nicht in dieser Zukunft und wird ganz nüchtern zum Human-Kapital reduziert, das man hier und da auch mal abwerten oder abschreiben muss. Ebenso gut ist die Beziehung der beiden weiblichen Protagonisten, die wie Gegenpole aufeinander treffen. Dieses Spannungsverhältnis belebt den Roman eindeutig.
Auf der anderen Seite hätte man sich gewünscht, der Roman hätte mehr Struktur bekommen. Die Geschichte ist eher eine Sammlung von Erzählungen als ein Roman. Hinzu kommt noch, dass zu Beginn die Geschichte in der Ich-Form aus Sicht einer Nebenfigur erzählt wird. Dann kommt der Wechsel, und eine andere Nebenfigur steht im Mittelpunkt, aber die Erzählung erfolgt nun in der dritten Person. Erst dann besinnt sich die Autorin ihrer Hauptfiguren, und so nimmt nach diesem etwas holprigen Beginn die Geschichte Fahrt auf und die Welt aus der Vorstellung der Autorin nimmt allmählich Gestalt an. Die Geschichte entwickelt sich zu einem durchaus interessanten Drama, das in solider Sprache erzählt wird.
6 von 10 Punkten