Titel: Der letzte Tag der Schöpfung Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Kritik an den Vereinigten Staaten von Amerika gab es schon immer. Mal politisch bedingt, mal kulturell bedingt, dann wiederum literarisch ausgearbeitet. Als Wolfgang Jeschke 1982 seinen Roman veröffentlichte, stand die USA wieder einmal mehr in den Schlagzeilen. Jetzt erschien der amerikakritische Roman in einer überarbeiteten Neuauflage.
Im Mittelmeerraum werden Gegenstände gefunden, die aus der fernen Vergangenheit stammen, jedoch aus Material bestehen, die aus der Gegenwart, ja sogar der Zukunft stammen müssen. Für viele Menschen ist dies ein großes Rätsel - nicht jedoch für die Amerikaner. Sie sehen darin ihr geheimstes Vorhaben bestätigt. Mit Zeitmaschinen reisen die Amerikaner in die Vergangenheit, um die Menschheitsgeschichte zugunsten der Amerikaner und ihrer gewalttätigen Energiepolitik zu ändern. Aber kein Mensch ahnt, dass dadurch eine Katastrophe globalen Ausmaßes heraufbeschworen wird.
Steve Stanley, Astronaut der NASA, wurde auf seine neue Aufgabe unzulänglich vorbereitet. Die neueste Mission, auf die er geschickt wird, ist so geheim, dass man nur ja oder nein sagen kann, ohne genau zu wissen, warum. Trotzdem sagt er zu und lässt seine Freundin Lucy in Arizona zurück. Auf den Bermudas unterzieht er sich einem harten Training. Dabei lernt er eine Menge Leute kennen, die zu einer schlagkräftigen Gruppe zusammengeschweißt werden. Erst spät erfahren sie die Wichtigkeit ihres Auftrages: 5,5 Millionen Jahre in der Vergangenheit sollen sie eine Ölleitung von Nordafrika in die Nordsee bauen, um dort mittels Zeitmaschinen das Öl in die Zukunft zu leiten, die Gegenwart. Auf diese Art und Weise will die derzeitige amerikanische Regierung die Energieversorgung des Landes sichern. Die Idee ist einfach, aber auch hervorragend. Um die Abhängigkeit vom Öl auszuschalten, muss man das Öl einfach entführen. Das vermeidet einen Ölkrieg in der Gegenwart. Denn wo nichts ist, gibt es keinen Grund für einen Krieg.
Steve Stanley fliegt auf einen Hubschrauberträger im Mittelmeer. Mit seinem neuen Partner Jerome wird er in die Vergangenheit geschleudert, wo er auf Sizilien einen Stützpunkt errichten soll. Allerdings läuft nicht alles so wie geplant. Sie landen im leeren Mittelmeerbecken, dessen Sperre bei Gibraltar das heutige Mittelmeer gegen den Atlantik abschirmt. Plötzlich werden sie von MiG-Bomber angegriffen. Der Feind ist eine arabisch-sowjetische Allianz, die verständlicherweise gegen das Abpumpen des Erdöls sind. Die anderen Amerikaner, die vor ihnen angekommen sein sollen, können nicht gefunden werden. Dafür tritt ein Affe mit Sturmgewehr auf den Plan, der sich Goodluck nennt. Er bringt sie zur Festung der Amis. Dann erfährt Steve eine erschreckende Meldung nach der anderen. Die Zielgenauigkeit der Zeitmaschinen lässt zu wünschen übrig. Die schlimmste Nachricht ist jedoch: Es gibt keine Rückkehr.
Wolfgang Jeschke, dessen neuer Roman "Das Cusanus-Spiel" gerade erschien, greift auch hier das Problem der Zeitreise auf. Im Vergleich zu seinen späteren Werken ist die Sprache recht einfach gehalten. Seine Beschreibungen sind eindrucksvoll und voller stimmiger Einzelheiten. Das ist es, was ich an ihm als Autoren zu schätzen weiß. Drei Jahre vor "Der letzte Tag der Schöpfung" erschien von Edward Pangborn "Davy" oder 1972 "Die Straße der Verdammnis" von Roger Zelazny. In beiden Romanen geht es darum, eine ehemals bekannte oder scheinbar bekannte Welt neu zu erforschen. Ähnlichkeiten finden sich durchaus. Wolfgang Jeschke ist ein nachdenklicher Autor. Was er schreibt hat viel Gehalt; er weiß, wovon er schreibt, und er hinterlässt, zumindest kurzfristig, nachdenkliche Leser. Der Roman ist ein Buch für intelligente Leser, kein schnell heruntergeschriebenes wie für Star Trek, kein Einfachmärchen für eine schnelle Unterhaltung.
Und mit der ganzen Zeitreiseproblematik macht der Autor uns auf eines aufmerksam: Die Zeit ist im Fluss, und wer die Vergangenheit ändert, muss damit leben, dass die Zukunft nicht mehr so ist, wie sei einmal als Gegenwart empfunden wurde. Es gäbe noch viele Möglichkeiten, das Buch zu vergleichen. Das Problem Zeitreise begann nicht erst bei H. G. Wells und seiner Zeitmaschine, und es endet bestimmt nicht bei Wolfgang Jeschke.