Titel: Legenden aus der Zwischenwelt Eine Besprechung / Rezension von Carmen Weinand |
Bei “Legenden aus der Zwischenwelt” handelt es sich um eine Sammlung von fünf Horrorgeschichten von René Junge.
Kommen wir zu den einzelnen Geschichten.
Animal Inside:
Der sexuell frustrierte Ben würde einiges tun, um der Libido seiner Frau neues Leben einzuhauchen. Deswegen kommt ihm das Wundermittel “Animal Inside” wie gerufen. Im Internet lässt sich der geheimnisvolle Stoff problemlos bestellen, also schlägt Ben kurzentschlossen zu und hofft auf reichlich Action im Schlafzimmer. Die Tropfen schlagen tatsächlich an und seine Frau verwandelt sich im Handumdrehen in eine zügellose Sexbestie. Womit er nicht gerechnet hätte: Das Wort Sexbestie nimmt sie anscheinend ein wenig zu wörtlich.
Diese Story hat die Sammlung grandios eingeleitet. Mit einer gelungenen Mischung aus schwarzem Humor und Action bekommt der geneigte Leser eine ordentliche Portion Horror um die Ohren geschlagen, die es in sich hat. Ich war hin- und hergerissen zwischen Spannung und Lachflash. Obwohl die Story mitunter sehr amüsant war, driftet sie an keiner Stelle in die Lächerlichkeit ab. Popcorn-Spaß vom Feinsten!
Stan:
Auf den ersten Blick ist Stan einfach nur ein gutaussehender Mann, der die Frauen anzieht wie ein Hollywoodstar die Groupies. Ungünstig nur, dass er gleichzeitig der Psychopath ist, dem man nicht im Dunkeln begegnen möchte.
Aufgrund der Kürze der Story darf an dieser Stelle die Inhaltsangabe auch schon wieder beendet werden. Andernfalls müsste man Spoileralarm geben. Obwohl diese Geschichte die kürzeste in der Sammlung ist, hat sie dennoch alles, was eine gute Shortstory im Repertoire haben sollte. Zwar weiß der Leser recht schnell, worauf das Ganze hinauslaufen wird, trotzdem hängt man wie gebannt an den Zeilen. Für mich persönlich gibt es kaum etwas Spannenderes, als in die Gedanken eines Irren schlüpfen zu dürfen. Das ist René Junge hier sehr gut gelungen. Ein komplett durchgeknallter Geisteskranker – perfekt gezeichnet. Gut gemacht!
Dreamdevil:
Der kleine Harry leidet unter immer wiederkehrenden Albträumen, die ihn letztlich auf die Couch eines Psychiaters bringen. Ob dieser ihm helfen kann? Keine weiteren Angaben an dieser Stelle.
Diese Story kannte ich bereits aus der Anthologie “Traumnetze”. Trotzdem habe ich sie erneut verschlungen und jedes Wort genossen. Hier haben wir die klassische Kurzgeschichte mit gruseligen Elementen und einem traumatisierendem Ende. Rasant, intelligent und blutig. So mag ich das.
Unberührbar:
Mitchell erlebt an einem Busbahnhof den Albtraum seines Lebens. Jemand richtet ohne erkennbare Waffen ein wahres Massaker an. Sein Weg hinterlässt eine Schneise aus Angst und Tod. Nachdem er auf Mitchell trifft, ist der Wahnsinn beendet, aber für Mitchell fängt er gerade erst an.
Obwohl ich alle Stories umwerfend fand, neige ich dazu, diese am meisten zu mögen.Oder war es doch “Animal Inside”? Langsam wird es schwer, sich für eine Geschichte zu entscheiden, denn auch diese Story hat es mächtig in sich. Mitchell gerät in eine Situation, die, egal was er tut, für niemanden gut ausgehen kann. Ich liebe diese ausweglosen Lebenslagen, in denen der Leser immer wieder mit etwas Hoffnung angefüttert wird, um schließlich doch wieder zu erleben, wie der Protagonist eine neue Arschkarte zieht. Auch hier wieder: Gut geschrieben, spannend und extrem gut unterhaltend.
Die Weltlosen:
Der Schauplatz hier ist ein Antiquariat, dessen Inhaberin Norah sich mit wertvollen Büchern und unangenehmen Kunden umgibt. Ihr liebster Kunde jedoch, der alte Mr. Keeper, plant, die Stadt zu verlassen. Bevor er das tut, hinterlässt er Norah ein Geheimnis und damit ein Vermächtnis, das ihr Leben auf einen Schlag verändern soll.
Auch hier stellt sich mir wieder die Frage, ob das nicht vielleicht meine Lieblingsgeschichte sein könnte. Und wieder kann ich diese nicht klar beantworten. René Junge behandelt hier die Themen, die auch im wahren Leben den Menschen sehr oft zum Verhängnis werden. Lust und Gier. Die bodenständige Norah macht mit diesen Eigenschaften Bekanntschaft und der Autor hat sehr gut herausgearbeitet, wie sie damit zu kämpfen hat. Auch hier haben wir Unterhaltung pur und eine sehr gut geschriebene Geschichte, die vollkommen frei von überflüssigen Längen ist.
Fazit:
“Legenden aus der Zwischenwelt” von René Junge ist eine absolut empfehlenswerte Sammlung von fiesen Horrorstories, die hervorragend zu unterhalten wissen. Jede einzelne von ihnen ist ein Schlag in die Magengrube und das ist hier als Pluspunkt zu werten. Deswegen gibt es dafür auch die volle Punktzahl.