Reihe: Kushiel, 1. Band Eine Besprechung / Rezension von Ina Peters |
Phèdre, eine Unfreie, wird hineingeboren in eine Welt voller Intrigen und politischer Spannungen. Ihre besondere Gabe, Lust am Schmerz zu empfinden, macht sie einerseits zu etwas ganz Besonderem, andererseits bringt sie sie in große Gefahr. Als dem Land Terre D'Ange ein Krieg droht, wird Phèdre zum Spielball der Mächte und muss sich entscheiden ...
Wenn man bei diesem außergewöhnlichen Fantasyroman eine pornografische Erotikgeschichte erwartet, liegt man daneben. Wenn man eine Geschichte mit dem klassischen Bild einer Highfantasygeschichte erwartet, liegt man noch weiter daneben. Carey entführt den Leser in eine verwirrende, aber erstaunlich gut durchdachte Welt, die, von Politik und Religionen durchzogen, äußerst glaubwürdig wirkt.
Die Geschichte beginnt sehr ruhig, aber in der Vielzahl von Details liegt die besondere Spannung verborgen. Man begleitet die Protagonistin Phèdre, in deren Ich-Perspektive die Geschichte geschrieben ist, durch ihre Kindheit und ihre Jugend. Der vorerst sehr naive Erzählstil spiegelt auf wunderbare Weise das Innenleben der Protagonistin wider und erlaubt es dem Leser, sich vollkommen mit ihr zu identifizieren. Phèdres Probleme sind die Probleme einer Heranwachsenden: Ich-Findung, Religion, Fremdbestimmung, Liebe - all das sind Schlüsselworte, die für die junge Frau im Mittelpunkt stehen. Im Fortgang der Geschichte werden die Probleme mehr und mehr zu den Problemen einer Erwachsenen. Die Politik verdichtet sich, Menschen benutzen andere Menschen, um ihre Ziele zu erreichen, und Phèdre ist eine von denen, die durch fremde Hand gelenkt werden.
Carey schafft es auf poetische Weise, sowohl die Politik als auch das Land, die Religion und die Charaktere miteinander zu verknüpfen. Ihr Erzählstil, der gekonnt farbig und detailliert ausfällt, entwickelt sich mit den Geschehnissen. Die Charaktere besitzen ausnahmslos Tiefe und wirken in ihrem Handeln und ihrem Fühlen mehr als authentisch auf den Leser. Ihre Entwicklungen sind nachvollziehbar und emotional ansprechend. Man leidet und man freut sich mit ihnen. Manchmal ärgert man sich über sie und manchmal möchte man ihnen gern offensichtliche Tatsachen zurufen. Aber immer hat man lebendige Figuren vor Augen, die einem ans Herz wachsen oder die man leidenschaftlich zu hassen beginnt. Eben diese mitreißenden Charaktere machen das Buch unter anderem so ansprechend.
Ebenso ist die Welt keine farblose Welt, sondern ein Ort mit vielen verschiedenen Völkern, Mythen, Ideen und Zielen. Eine kleine, schön, wenn auch einfach gehaltene Karte zu Beginn des Buches weckt die Neugierde des Leser, die im Laufe der Geschichte (zumindest für mich) unerwarteterweise auch vollständig befriedigt wird.
Im Großen und Ganzen ist Carey ein Meisterwerk gelungen. Sowohl im Groben als auch in den Details hält sie die Spannung der Geschichte von der ersten Seite bishin zur letzten. Unerwartete Geschehnisse verdeutlichen die Glaubwürdigkeit der Geschichte. „Das Zeichen“ ist nur der erste Teil einer Reihe, macht aber Lust auf mehr. Auch ist das Ende sehr angenehm gestaltet, so dass keine allzu großen Fragen offen bleiben, aber genug Potential vorhanden ist, um die Geschichte weiterzuführen.
Ein brilliantes Debüt, weitab vom bekannten Mainstream des Genres - 9,5 von 10 Punkten.
Cover: Im Anklang an die Geschichte, künstlerisch sehr schlicht gehalten, aber dafür umso ansprechender. In seiner Einfachheit ein Blickfang. Sehr gelungen.
Preis/Leistung: 16,95 Euro sind für ein deutschen Taschenbuch (bzw. Paperback) ein stolzer Preis. Auch wenn das Buch in der deutschen Übersetzung fast 950 Seiten hat, kann der Preis trotzdem störend wirken. Gut, dass die Neuauflage im Taschenbuch deutlich weniger kostet.