Reihe: Gruselkabinett, Band 50 Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Die Reihe Gruselkabinett hat in wenigen Jahren nicht nur viele Auszeichnungen erhalten, sondern auch viele Freunde von Hörspielen und Hörbüchern gefunden. Jetzt ist die erste Jubiläumsausgabe erschienen. Es gibt nicht viele Hörspielreihen, die die fünfzigste Ausgabe erleben. Es ist bestimmt kein Zufall, dass ausgerechnet Oscar Wilde für diese Ausgabe ausgesucht wurde.
Das Gespenst von Canterville ist ein Klassiker, den eigentlich jeder kennt. Die Frage ist nur, in welcher Version. Die Kurzgeschichten, die verschiedenen Buchversionen, die Filme oder gar andere Hörspiele? Marc Gruppe nähert sich mit seinem gelungenen Hörspiel der ursprünglichen Geschichte an. Oscar Wilde wurde am 16.10.1854 in Dublin geboren. Seine Eltern waren der berühmte Arzt William Wilde und die revolutionäre Lyrikerin Francesca Elgee, die unter dem Pseudonym "Sperenza" bekannt wurde. Oscar hatte noch einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester, die jedoch sehr früh verstarb. Mit 20 studierte er in Oxford, fiel in Theologie durch, erhielt aber eine 1 in Literatur. Das Gespenst von Canterville schrieb er 1886, im Alter von 32 Jahren. In Oxford lernte er Walter Pater kenne, der als Gründervater des Ästhetizismus in England gilt und ihm zum Vorbild wurde, bis er selbst als einer der wichtigsten Vertreter dieser Literaturgattung galt. Wie Friedrich Nietzsche kämpfte er gegen die heuchlerische bürgerliche Gesellschaft, die ihn als Homosexuellen natürlich als Außenseiter brandmarkte. Für seine Homosexualität wurde er zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Zwei Jahre, die ihn in seinem weiteren Leben sehr stark beeinflussten. Oscar Wilde starb am 30.11. 1900 in Paris.
Die Familie Otis muss eine längere Zeit in England verbringen. Aus diesem Grund sucht der Vater nach einer Behausung. Aber nicht nur nach irgendeiner, sondern sie soll schon einem gewissen gesellschaftlichen Stand entsprechen. Lord Canterville bietet ihm ein Jagdschloss an, dessen Ursprünge weit in die Vergangenheit reichen. Er macht den mehrfachen Familienvater aber auch darauf aufmerksam, dass es hier spukt. Einer der Vorfahren des Lords, Sir Simon von Canterville, wurde zu dieser grausamen Strafe verdammt. Ignoranz ist eines der Merkmale von Amerikanern, auch heute noch, und so denken Hiram und Lucrezia Otis gar nicht daran weiterzusuchen, denn das Jagdschloss sagt ihnen zu. Und außerdem: Geister und Spuk gibt es nicht. Virginia, Jimmy, Timmy und auch Washington Otis fühlen sich bald zuhause auf dem Schloss. Die Familie Otis lernt aber bald darauf den Spuk kennen. Die ignorante Fassade beginnt etwas zu bröckeln. Andererseits sind aber auch drei Jungen in der Lage, einen Geist das Gruseln zu lehren. Lediglich Virginia hat Mitleid mit ihm.
Marc Gruppe arbeitete in diesem Hörspiel die Eigenheiten, die Oscar Wilde einbaute, noch ein wenig aus. Gerade die überspitze Deutung von Amerikanern und Engländern ist ein Gegensatz geworden, der einer Karikatur ähnelt. Damit ist das 50. Hörspiel, nicht nur ein Hörgenuss, sondern auch eine ehrlichere Version der Erzählung.