Reihe: Bridge-Trilogie, Band 3 Besprechung / Rezension von Cornelius Ibs-von-Seht |
Von einer Pappkarton-Behausung in einer japanischen U-Bahn-Station geht der Rechercheur Laney in einer nahen Zukunft auf mentale Datenjagd im Internet. Dabei sieht er die Ankunft eines sogenannten Knotenpunktes, eines geschichtlichen Umbruchs vorher, der sich in San Francisco zusammendräuen soll. Er schickt den Privat-Polizisten Rydell in die Stadt, um die Quelle der Veränderung zu eruieren. In einer anarchischen Wohnkolonie auf einer seit einem großen Erdbeben für den Verkehr gesperrten Brücke trifft auf seine ehemalige Freundin Chevette, den virtuellen Popstar Rei Toei, mysteriöse Killer, einen wundersamen, von Uhren besessenen Knaben und noch einige andere skurile Gestalten, die alle irgendwie in den Strudel des sich anbahnenden Kataklysmus gezogen werden. Auf der Brücke gibt es auch eine Filiale des weltweiten Kettenladens "Lucky Dragon", von der aus der Betrieb eines nanotechnologischen Warenvervielfältigungsnetzes gestartet werden soll und damit vielleicht das Ende der bekannten Welt eingeleitet wird...
Unpraktischerweise habe ich mit dem dritten Teil dieser Trilogie von William Gibson begonnen. Futurematic baut handlungsmäßig auf den Bänden Virtuelles Licht und Idoru auf. So brauchte ich bei Futurematic weit über hundert Seiten um richtig in die Geschichte einzusteigen, was mein Interesse an dem Buch aber kaum schmälern konnte, denn die einzelnen Kapitel stellen auch für sich eine anregende Lektüre da. Und das ist vor allem Gibsons besonderer Schreibkunst zu verdanken. Die reichliche Verwendung von Adjektiven und Adverben, sonst eher als störend empfunden, geben seiner Sprache eine besondere Tiefe und den beschriebenen Dingen einen unerhörten Detailreichtum und regelrechte Plastizität. Mit dem Fortschreiten der Handlung, dem allmählichen Zusammenführen der verschiedenen Handlungsstränge gewinnt die Geschichte deutlich an Rasanz. Man gerät in den Bann der dramatischen, thrillermäßig forcierten Story, die in einem cineastischen Showdown gipfelt. Daneben vermag Gibson noch durch seine Visionen von den technischen Errungenschaften und der Weiterentwicklung der menschlichen Gesellschaft zu brillieren.
Ich denke, wir sind von seinem Arsenal kleiner elektronischer Helferchen höchstens noch eine halbe Generation entfernt und das nie versiegende nano-technologische Füllhorn werden unsere Kinder vielleicht noch erleben.
Ich bin nie ein Freund der Cyber-SF gewesen und habe mich bei vielen Stories entsetzlich gelangweilt. Aber jetzt muß ich meine Meinung ändern bzw. präzisieren: Ich bin kein Freund von schlechten Geschichten. Der diffizile Einstieg in die Geschichte mag ein Nachteil dieses Romans sein, liegt aber bestimmt an seinem Charakter als dritter Teil einer Trilogie. Darauf führe ich auch zurück, daß mir die Hauptfiguren des Romans nicht recht symphatisch wurden, sich ihre Motive und Charaktere nur schwerlich erschlossen. Ich denke in Virtuelles Licht und Idoru wird noch viel mehr über sie erzählt und so sollte man es besser als ich machen und den kleinen Zyklus in der richtigen Reihenfolge lesen.