Titel: Blutraub Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Philip Merman ist ein Einzelgänger. Er lebt zurückgezogen in einem kleinen Apartment und arbeitet nur nachts. Doch der Durst lässt ihn nicht ruhen. Denn Phil ist ein Vampir. Seine Opfer sind die Schwächsten der New Yorker Unterwelt, Obdachlose und Drogensüchtige. Sein einziger Gefährte ist der undurchsichtige Shelley. In Manhattan besteht gleichzeitig noch eine andere Welt, die der Superreichen und Dekadenten. Dort holt Phil seine Vergangenheit ein. Und er muss eine Entscheidung treffen, die Leben oder Tod bedeutet - auch für einen Blutsauger ...
Phil sieht aus wie siebenundzwanzig, während er locker doppelt so alt ist. Er erzählt dem Leser seine Geschichte, die damit anfängt, dass er über seinen sterbenden Vater spricht. Letzterer liegt zuhause, von einer Pflegerin betreut und mit allerlei Schläuchen an lebenserhaltende Maschinen angeschlossen. Sein Vater hat eine Wandlung durchgemacht, indem er seinen Sohn erst für überaus jung hielt und ihn dafür bewunderte, dass er eben nicht älter wurde. Mit der Zeit trat der Wandel ein und der Vater ist mit seinen über achtzig Jahren nun überhaupt nicht mehr stolz auf seinen Sohn. Und sein Sohn? Phil lässt die Schimpfattacken stoisch über sich ergehen. Was soll er auch machen? Sich mit einem Sterbenden über sein Aussehen streiten? Dabei hat es Phil auch nicht leicht. Seine Ehe ist gescheitert und er lebt nur nachts, weil man als Vampir eben tagsüber so seine Probleme hat. Sonnencreme und Sonnenbrille sind nicht unbedingt der Schutz, den er benötigt. Phil ist allein. Außer mit seinem Vater gibt er sich nur mit Shelley ab. Der Freund aus der Zeit vor seiner Wandlung zum Vampir ist der einzige Kontakt, den er pflegt - und den auch nur aus Mitleid. Shelleys Eltern und seine Schwester kamen bei einem Autounfall ums Leben, und so ist er der einzige verbliebene Familienmitglied. Ein Überlebender, der den Tod nie verwunden hat. Mit ihm zieht Phil nachts durch die Straßen und Gassen. Auch Vampire müssen leben, und so ernährt er sich von dem Blut von Obdachlosen und Drogensüchtigen, Menschen einer Gesellschaft, die diese nur an ihrem Rand duldet, statt ihnen zu helfen und sie wieder in die Gesellschaft einzuführen. Anders bei Phil. Der lernt eines Tages Eddy Frye kennen, der ihn in die Welt der anderen Vampire einführt. Dekadent, mit allem was dazugehört. Aber es gibt auch eine andere Seite, die Freaks. Jene Wesen, die schon in den alten Vampir-Horror- und Dämonenkiller- Romanen um Dorian Hunter beschrieben wurden. Ein Besuch bei Deirdre Callahan zeigt ihm genau das: mongoloide, behinderte Vampire.
Das Ende des Romans wartet mit zwei Überraschungen auf. Die eine ist: Shelley Poole hat seine Familie selbst umgebracht, die andere ... wird nicht verraten.
Wer glaubt, alle Vampirgeschichten, die zur Zeit im Umlauf sind, gehörten der romantischen Art an, irrt. Phil ist kein Vampir, der etwa von Adel ist - schön, sensibel, romantisch. Er ist das Gegenteil; fasziniert von der Welt der dekadenten Vampir- Gesellschaft zeigt er uns, dass es auch schmutzig geht. Die Gewaltbereitschaft großer Bevölkerungsschichten, die sich vor allem in den weniger Begüterten, Schwächeren, sozial im Abseits Stehenden zeigt, ist ein Punkt, auf den der Autor direkt hinweist. Bob Fingerman hält uns einen kritischen Spiegel vor das Gesicht. Wenn er über den romantischen Vampirismus schreibt, karikiert er quasi die jetzige Literatur. Bobs Handlungsträger ist zynisch, bösartig zynisch, wenn man dies als Steigerung gelten lassen kann. Bob Fingermans Roman kann man durchaus als einen sozialkritischen Beitrag sehen, der nur zufällig den Vampir in den Mittelpunkt stellt. Es könnte genauso gut eine normale Person sein mit absonderlichen Hobbys oder Angewohnheiten. Der Roman ist nicht unbedingt erfrischend anders. Aber er ist anders. Er macht ein wenig nachdenklicher, ob das, was man als Vampir erlebt, wirklich immer die sonnige Seite der Gesellschaft darstellt. Ich persönlich fand diese Geschichte mit der Abweichung vom sogenannten ‚Mainstream’ sehr interessant und lesenswert. Bob Fingerman kommt aus dem Comic-Fach, und so sind seine Beschreibungen sehr bildhaft, was die unheimlich bedrückende Umgebung noch wirklichkeitsnäher auftreten lässt.