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Ulrich Drees Vor neun Jahren lernte ich Ulrich Drees und seine Autorentätigkeit kennen. Mir fiel seine „Demonworld“-Trilogie auf. Die Bücher erschienen damals im Wilhelm Heyne Verlag. „Demonworld“ war ein Fantasy-Table-Top-Strategiespiel. Es war eine Welt epischer Schlachten, in der sich das imperiale Kaiserreich mit den Elfen, den Armeen von Isthak, den Zwergen und Goblins und den Kriegern von Thain bekämpfte. Auf der Spielplatte treffen die Miniaturen aufeinander. Je nach Vorgabe treffen mehrere Spieler aufeinander und lassen je nach Art der Figuren ihr strategisches Geschick zum Zuge kommen. Dabei kommt es nicht nur auf die Taktik an, es ist auch wichtig zu wissen, was die einzelnen Einheiten können. Ein ausgefeiltes Befehlssystem sorgt dafür, dass fortlaufend taktische Entscheidungen schnell und richtig gefällt werden. Zu dieser Welt schrieb Ulrich die ersten und leider einzigen Romane. Später beschäftigte er sich unter anderem mit Narnia. Vor kurzem erschien in Magira - Jahruch zur Fantasy ein Interview mit ihm zu seiner Arbeit mit Narnia. |
Erik Schreiber:
Es ist nun fast zehn Jahre her, seit wir ein Interview führten. Ich hatte Dich zu Deiner „Demonworld“-Trilogie befragt, die seinerzeit im Wilhelm Heyne Verlag erschien. Ich habe Deine schriftstellerische Tätigkeit über die Zeit ein wenig aus den Augen verloren. Jetzt las ich von Deinem neuen Buch, Das Spiel des Asen. Bevor wir dazu kommen, erzähl doch ein wenig darüber, was Du in den letzten Jahren literarisch machtest.
Ulrich Drees:
Literarisch nicht allzu viel, ich habe mich hier und da an einer Kurzgeschichte versucht, bis ich vor ca. 5 Jahren in die Göttinger SciFan Writer’s Group eintrat und dort begann, wieder ernsthafter zu arbeiten. Neben Das Spiel des Asen sind in der Zeit aber vor allem weitere Kurzgeschichten entstanden sowie ein Teil eines Episodenromans, die in der Edition Zeitreise des Göttinger Verlags Stein Medien erschienen sind bzw. erscheinen werden. Die meiste Zeit ging eigentlich für den Versuch der Vervollkommnung meiner journalistischen Fähigkeiten drauf.
Erik Schreiber:
Wie erging es dir privat? Bist Du immer noch Redakteur einer Zeitschrift in Göttingen?
Ulrich Drees:
Ja, ich bin noch immer in Göttingen, verheiratet und habe eine wunderbare kleine Tochter. Noch immer bin ich auch als Chefredakteur eines Stadtmagazins tätig - allerdings für eine deutlich ältere Zielgruppe als früher. Gleichzeitig bin ich dabei, für unseren Verlag eine kleine Reihe von regionaler, phantastischer Literatur, die Edition Zeitreise, ins Leben zu rufen, in der auch gelegentlich Texte von mir auftauchen.
Erik Schreiber:
Hat Dich die Arbeit als Zeitungsredakteur bei Deiner schriftstellerischen Arbeit beeinflusst?
Ulrich Drees:
Auf jeden Fall. Da ich für ein Monatsmagazin schreibe, komme ich immer wieder mit hintergründigen Zusammenhängen und interessanten Personen und Institutionen hier in der Region in Kontakt, was mich auf jeden Fall inspiriert.
Erik Schreiber:
Wie kam es zur Idee zu Das Spiel des Asen?
Ulrich Drees:
Eine Verkettung von Zufällen eigentlich. Ich habe eine Meldung über ausgebrochene Bullen gehört, die von der Polizei und Jägern gesucht wurden. Gleichzeitig habe ich irgendwo ein Bild eines Auerochsen gesehen, das hat dann Denkprozesse in Gang gesetzt, die sich nach und nach mit meinem Faible für Verschwörungstheorien und Mythologie verknüpften.
Erik Schreiber:
Ich könnte mir vorstellen, dass Du ein wenig an das Rollenspiel Cthulhu oder Twilight gedacht hast, als das Buch entstand. Manch eine Szene erinnert mich, jetzt gar nicht negativ gemeint, an ein Rollenspiel-Szenario. Ist dem so?
Ulrich Drees:
Die Nähe zum Rollenspiel ist bei mir sicher gegeben, ich mache das seit über zwanzig Jahren. Konkret hab ich das Setting des Romans sogar mit einer kleinen d20-Modern-Kampagne ausprobiert. Darüberhinaus haben mich Fields of the Nephilim (Chaosium), das aber kaum bekannt ist, und irgendwie sogar Shadowrun eher beeinflusst.
Erik Schreiber:
Der Spannungsroman ist nun ein ganz anderes Genre. War die Umstellung groß?
Ulrich Drees:
Das Schwierigste war, dass ich mich ja jetzt in der „Realität“ bewege, was völlig neue Anforderungen an die Recherche und einen ganz anderen Anspruch an meine Figuren mit sich brachte.
Erik Schreiber:
Wie kamst Du zum Schreiben? Gab es ein bestimmtes Schlüsselerlebnis?
Ulrich Drees:
Das Schreiben entstand für mich aus meiner Vorliebe fürs Geschichtenerzählen, und die wiederum ist ein direktes Produkt meiner Begeisterung für Fantasy und Fantasy-Rollenspiele aller Art.
Erik Schreiber:
War das Dein Antrieb, dieses Buch zu schreiben?
Ulrich Drees:
In gewisser Weise schon, es war aber auch eine Art Schritt in eine neue Lebensphase. Etwa zum Entstehungsbeginn des Buches wollte ich etwas in meinem Leben verändern, mich weiterentwickeln. Das Schreiben war eine Methode, um das zu erreichen. Als dann meine Tochter geboren wurde, krempelte das mein Leben dann endgültig so weit um, dass ich die gewonnene Zeit kreativ nutzen wollte.
Erik Schreiber:
Das Buch ist in drei Erzählebenen aufgeteilt. Jedes Kapitel beginnt mit einem Zitat, ihm folgen die Gedanken einer zunächst nicht näher zu beschreibenden Person und das geht dann in die eigentliche Handlung über. Welcher tiefere Sinn steckt hinter diesem Aufbau?
Ulrich Drees:
Es geht zum einen darum, eine Art informatives Hintergrundrauschen zu erschaffen. Wir leben alle in einer Informationsgesellschaft, ständig kriegen wir von überall her Input; hier Zusammenhänge zu schaffen, finde ich sehr spannend. Die Gedanken der Person klammern die Geschichte, die ansonsten aus recht vielen einzelnen Handlungen und Schauplätzen zu bestehen scheint. Durch diese Gedankenäußerungen soll der Leser das Gefühl bekommen: Wie seltsam die einzelnen Teile auch sein mögen - sie hängen alle zusammen.
Erik Schreiber:
Warum hast Du Dich entschlossen, die Geschichte auf diese Art zu erzählen, anstatt einen Roman im traditionellen Muster zu schreiben?
Ulrich Drees:
Ich mag selbst Geschichten, die so aufgebaut sind. Da lag es nahe, auch so an die Sache heranzugehen. Außerdem finde ich das für eine Geschichte, in der es um Geheimnisse, Verschwörungen etc. geht, auch ungemein passend.
Erik Schreiber:
Ich kann den Roman nicht ganz einordnen. Auf der einen Seite erscheint er mir wie ein Krimi mit regionalen Einflüssen, wie es zur Zeit sehr modern ist. Dann sehe ich in ihm einen phantastischen Roman. Wie siehst Du den Roman selbst?
Ulrich Drees:
Es ist ein phantastischer Verschwörungsthriller Ehrlich gesagt ist das für mich auch das Schwierigste am Spiel des Asen. Es steckt Phantastik, Spannung, Verschwörungstheorie und wohl auch ein wenig Krimi drin.
Erik Schreiber:
Dein Held Ronald, genannt Ronny, von Freiseneck ist eine Art Freimaurer, zudem magisch begabt, da er die besonderen magischen Orte spüren kann. War das die Ausgangsidee oder wolltest Du anders beginnen? Vor allem wenn man liest, dass Jens Kramer gleich im ersten Kapitel stirbt.
Ulrich Drees:
Jens Kramer, hat keine Bedeutung für die Gesamtgeschichte, das ist ja nur der Prolog, der ein wenig die Stimmung aufbauen soll. Das Ronny Teil einer magischen Geheimgesellschaft, der Rosenkreuzer, sein sollte, war schon zu Beginn klar, ich brauchte die Nähe zu magisch Befähigten, um ihn als „schwarzes Schaf“ auch in dieser Richtung aufzubauen. Die Rosenkreuzer hab ich gewählt, weil ich eben nicht die Freimaurer bemühen wollte.
Erik Schreiber:
Hast Du eine besondere Verbindung zu esoterischen Kreisen oder ist das Wissen "nur" angelesen?
Ulrich Drees:
Absolut angelesen, ich interessiere mich zwar für das Thema, aber gerade die Vielfalt der da vertretenen Wahrheiten verdeutlicht für mich, dass es besser ist, nicht zu sehr auf eine einzusteigen.
Erik Schreiber:
Schon im nächsten Kapitel schwenkst Du um und beginnst mit Hinweisen auf die Russen-Mafia, ohne dass sie im Buch wirklich zum Tragen kommt. Hast Du noch etwas mit ihr geplant?
Ulrich Drees:
Die Volkvhy kontrollieren die Russen-Mafia, ihr Wirken löste die Welle der Magie aus, die dann durch den Deutschen Orden als heidnische Bedrohung aus dem Osten wahrgenommen werden konnte, was wiederum deren Motivation begründet. Insofern ist sie einfach Teil meines Settings, übt aber schon eine gewisse Faszination auf mich aus, die ich vielleicht auch noch einmal aufgreifen möchte.
Erik Schreiber:
Obwohl Karl Ronald von Freiseneck den eigentlichen Held der Erzählung darstellt, gefällt mir der Ermittler Thor Bronski wesentlich besser. Nach einiger Zeit war mir jedoch klar, wer dahinter steckt. Thor ist der übliche Ermittler mit allen Schwächen und Stärken. Wer war sein Vorbild?
Ulrich Drees:
Ich weiß auch nicht, was es mit Thor auf sich hat, der fasziniert vor allem die Männerwelt immer mehr als Ronny Sein Vorbild: eine Mischung aus Claude-Oliver-Rudolf, Forrest Whitaker in Ghost Dog und Charakteren von Philipp Marlowe.
Erik Schreiber:
Sehr undurchsichtig hingegen ist Hermann Braun: Soldat, Ordenskrieger, Dein Alter ego und eine Rollenspielfigur? Irgendwie erinnerte er mich an die Sendung Peter Strom, die im Fernsehen lief.
Ulrich Drees:
Ich glaube, wir haben hier ganz klar den gleichen Schauspieler vor Augen, Löwitsch heißt er glaube ich, aber da bin ich mir gerade nicht sicher. Kein Alter ego, keine Rollenspielfigur - ich bin überzeugter Spielleiter und wenn ich spiele, spiele ich, glaub’ ich, immer eher Rogues. Seine Vorbilder waren tatsächlich eher die von pflichterfüllt preußischen Soldaten und mittelalterlichen Ordensrittern.
Erik Schreiber:
Der Deutsche Orden, zu dem Hermann Braun gehört, kommt nicht sehr gut weg. Hat es einen besonderen Grund gegeben, sich an diesen zu halten und keine eigene Organisation zu erfinden?
Ulrich Drees:
Ich wollte keine erfinden, sondern für die Dichte eine tatsächliche Organisation umdeuten. Natürlich hat meine Darstellung des Deutschen Ordens nichts mit der großartigen Arbeit zu tun, die Orden heute in der Kirche leisten. Er fiel mir ein, weil er sich bei der „Christianisierung“ der Heiden im Baltikum engagierte, ich also die antagonistische Grundhaltung gegen die slawische Welt aufbauen konnte.
Erik Schreiber:
Russenmafia, Deutscher Orden, Fabelwesen aus der russischen Mythologie. Hast Du eine besondere Beziehung zum Osten?
Ulrich Drees:
Ich finde Russland sehr spannend, weil es eine Welt ist, die zwar irgendwie „westlich“ wirkt bzw. sich so präsentiert, in Wirklichkeit aber zutiefst anders ist. Erik Schreiber:
Gibt es noch andere Vorbilder für Deine Handlungsträger? Ulrich Drees:
Phhhhh eine gewisse Beeinflussung gibt es immer wieder. Aber die jetzt im Detail aufzudröseln, würde zu weit führen.
Erik Schreiber:
Wie gefällt Dir das Titelbild?
Ulrich Drees:
Als Autor hat man da nicht mitzureden. Ich verstehe die Intention und teile sie, aber persönlich mag ich lieber einen anderen Stil.
Erik Schreiber:
Hattest Du Einfluss auf die Titelwahl, die Wahl des Buchcovers oder den Klappentext?
Ulrich Drees:
Titelwahl, Buchcovergestaltung und Klappentext sind Verlagssache - am ehesten, denke ich, habe ich noch was zum Klappentext beigetragen.
Erik Schreiber:
Wie gehst Du beim Schreiben und Recherchieren vor? Bist Du mehr ein intuitiver Autor, oder planst Du jedes Detail im Voraus?
Ulrich Drees:
Ich bin ein Autor, der 40% intuitiv und 60% geplant vorgeht, aber gerne 20% intuitiv und 80% geplant wäre. Bei der Recherche bin ich aber gern so gründlich, wie es mir zeitlich und von meinen Möglichkeiten her sinnvoll erscheint.
Erik Schreiber:
Wie lange hast Du an dem Roman gearbeitet?
Ulrich Drees:
In immer wiederkehrenden Etappen etwa 6 Jahre. Nicht durchgängig, aber alles in allem vergingen 6 Jahre zwischen den ersten Zeilen und der Fertigstellung.
Erik Schreiber:
Was sind Deine literarischen Pläne für die Zukunft?
Ulrich Drees:
Mehr Bücher schreiben, eines, das richtig viele Leute gerne lesen wollen. Aktuell arbeite ich an einem Manuskript, das historische und phantastische Komponenten verknüpft.
Erik Schreiber:
Kann Literatur die Welt verändern?
Ulrich Drees:
Die Welt vielleicht nicht, aber einzelne Menschen und wenn das irgendwann genug sind
Erik Schreiber:
Welche Bedeutung hat Literatur für Dich persönlich?
Ulrich Drees:
Ohne zu lesen, würde ich eingehen. Ich lese mit dem Herz, mit dem Verstand und mit dem Bauch, wobei der eigentlich die wichtigste Komponente ist.
Erik Schreiber:
Vielen Dank, Ulrich, dass Du Dir noch einmal viel Zeit für die Beantwortung der Fragen genommen hast. Ich wünsche Dir noch viel Erfolg mit Deinen nächsten Projekten. Möglicherweise können wir uns später darüber unterhalten.