Serie / Zyklus: ~ Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Die Täuschung ist bereits der dritte Roman aus der Feder des in New York lebenden und arbeitenden Autors und erschien hierzulande bereits im Jahre 2001 in einer Hardcoverausgabe. Mit seinen ersten beiden Romanen The Alienist (Die Einkreisung), für den Caleb Carr 1995 den ANTHONY AWARD in der Sparte "Best First Mystery Novel" erhielt, und Angel of Darkness (Engel der Finsternis) landete er in den USA gleich zwei große Verkaufserfolge. Auch die beiden deutschsprachigen Ausgaben dürften sich hierzulande als wirtschaftlicher Erfolg erwiesen haben, denn sonst wäre Die Täuschung nicht zuerst im Hardcover erschienen.
Dabei unterscheidet sich dieser Roman doch deutlich von seinen beiden Vorgängern. Handelt es sich bei Die Einkreisung und Engel der Finsternis um historische Kriminalromane, bei denen die sorgfältige Recherche und der altmodische Sprachstil einen Großteil des Erfolgs ausmachen, so wurde Die Täuschung ganz anders konzipiert, nämlich als Fortsetzungsroman für TIME. Trotz einer wahrscheinlich vorgenommenen Überarbeitung für die Romanausgabe erkennt der Leser recht schnell, dass der nun vorliegende dritte Roman des von ihm geschätzten Autors nicht die Qualität seiner beiden Vorgänger entspricht. Der Aufbau einer Fortsetzungsgeschichte ist selbstredend ein ganz anderer als die eines Romans, der vor allem durch seine Komplexität besticht.
So treten die Stärken des Autors nur sporadisch hervor. Caleb Carr, der Politik und Geschichte studierte und lange als Journalist für politisch und militärisch orientierte Zeitschriften tätig war und auch noch ist, bringt einfach zu viele Ideen in sein Werk hinein, ohne diese tiefgehender bearbeiten zu können.
Dabei ist die Grundidee überaus lesenswert und gerade in der heutigen Medienwelt brandaktuell. Der Kriminalpsychologe Dr. Gideon Wolfe gerät durch Zufall in den Besitz einer Computerdiskette, die so brisantes Material zu enthalten scheint, dass nicht nur der ursprüngliche Besitzer dieser tot ist, sondern auch sein bester Freund vor seinen Augen getötet wird.
Wolfe, der keineswegs gewillt ist, die Diskette den staatlichen Behörden zu überlassen, gerät in die Mühlen der Justiz, wird aber zusammen mit einem anderen Wissenschaftler aus einem Gefängnistrakt befreit. Dieser gehört zu einer kleinen Gruppe um den begnadeten Wissenschaftler Malcolm Tressalian, die es sich zur Aufgabe macht, mittels äußerst geschickt in Szene gesetzter Manipulationen geschichtlicher Ereignisse den Menschen deutlich vor Augen zu führen, wozu die heutige Medientechnik in der Lage ist. Dabei kann die kleine Gruppe auf Ressourcen zurückgreifen, die ihr völlige Unabhängigkeit von staatlichen Stellen garantieren und sie außerhalb dieser agieren läst. Selbstredend ist sie dabei zu einem Feind, vor allem der USA und den mit ihr verbündeten Briten geworden, den diese mit allen Mitteln bekämpfen.
Wirklich gut sind die Passagen, in denen Carr die möglichen Entwicklungen bereits heute vorliegender Ereignisse beschreibt, wie z. B. die AIDS-Problematik in Afrika oder die technische Entwicklung innerhalb der Medienwelt. Hier spielt er seine Stärken als Autor aus: seine sorgfältige Recherchearbeit und sein Verständnis für Politik und Geschichte.
Leider kann er die Vielfalt seiner Ideen nicht entsprechend umsetzen. Den einzelnen Kapiteln fehlt vielfach die Bindung. Sie wirken zu sehr für sich allein stehend und nicht als ganzes. Hinzu kommt, dass der Autor sich nicht den Raum genommen hat, um all seine Ideen ausführlich genug umzusetzen. Er bietet seinen Lesern eine Menge Ideen, formuliert diese aber nicht entsprechend aus.
Verständlich wird dies alles erst, wenn man die Danksagung gelesen und den Entstehungshintergrund begriffen hat. Eine Fortsetzungsgeschichte in einem Magazin unterliegt ganz anderen Regeln als ein Roman und auch eine nachträglich Verfassung eines solchen kann gewisse Unzulänglichkeiten nicht überdecken.
So halte ich persönlich Die Täuschung für den bislang schwächsten Roman. Ohne die Lektüre der beiden vorhergehenden Romane zu kennen, bietet Die Täuschung eine rasant verfasste Thriller-Lektüre mit einer Vielzahl von nachdenklich stimmenden Zukunftsvisionen.