Reihe: Die Pferdelords, Band 5 Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Anfangs, so muss ich zugeben, entwich der eine oder andere Seufzer meinem Munde angesichts der vorliegenden Geschichte, die sich mir offenbarte. Die Pferdelords, ein feudales Reitervolk in den Weiten der Steppe, können ihre Herkunft vom Tolkien'schen Volk von Rohan nicht verleugnen. Und auch andere Personen, Rassen und Wesenszüge verbergen ihre berühmte Herkunft nicht. Selbst wenn man auf die im Buch enthaltenen Karten der Landschaften blickt, in denen der Roman spielt, erkennt man Grundzüge von Mittelerde und diverse, teils nur leicht veränderte Ortsbezeichnungen. Nicht schon wieder ein "Herr der Ringe"-Abklatsch, so entfuhr es meinem Munde - anfangs. Was primär wie eine der vielen, vielen Tolkien-Kopien in der breiten Fantasy-Literatur aussah, entwickelte auf den weiteren Seiten ein kaum erwartetes Eigenleben. Und meinerselbiger, der immer noch den alten Spruch im Kopf hat, dass Fantasy hauptsächlich darin besteht, dass Volk A Volk B angreift und sich letzteres mit Elfen, Zauberern und diversen Helden zur Wehr setzt - und das in allen nur möglich erscheinenden Varianten -, konnte Passagen entdecken, die - zumindest für mich Fantasy-Muffel - revolutionär waren.
Grundsätzlich geht es darum, dass in der Führung der Pferdelords ein Generationenwechsel stattfinden soll. Neuer Herrscher soll der arrogante und übermütige Garwin werden, dessen Ausbildung sogleich beginnt. Eine seiner ersten Missionen ist die Begleitung einer Handelskarawane in die Hafenstadt Gendaneris. Jedoch wurde diese in der Zwischenzeit von wilden Kosaren angegriffen und besetzt. Und es kommt noch schlimmer: Die schier verzweifelten Elfen berichten, dass zwei ihrer Ältesten gefangen genommen und entführt wurden. Während sich der Schnösel Garwin für nicht zuständig hält, denn schließlich wurden ja die Pferdelords nicht direkt angegriffen, schultern die wohl aus früheren Bänden der Reihe schon bekannten Helden Nedeam und Dorkemunt ihre Schwerter und kommen sowohl der Stadt als auch den Elfen zu Hilfe.
Das klingt nicht sonderlich interessant - ist es aber trotzdem, denn nicht die eigentliche Hintergrundgeschichte macht den Reiz des Romans aus, sondern die Gestaltung derselbigen und die Charakterisierung der einzelnen Protagonisten. So wird nicht nur die Motivation der einzelnen Helden geschildet, sondern auch die Gründe und Nöte der Kosaren. Man versteht, warum sie so handeln müssen und nicht anders können. Charaktere werden nicht glatt von einem Kapitel zum nächsten geworfen, sondern werden verletzt, krank, griesgrämig und so weiter. Meist orientiert sich der Autor eines gleichartigen Epos mehr an den Schlachten und Kriegswirren - hier stehen eindeutig die Charaktere im Vordergrund, die nicht nur sehr detailiert ausgearbeitet sind, sondern auch noch sehr interessant geschildert werden. Auch aktuelle Thematiken wie die Diskussion um die Ethik des Folterns hat der Autor logisch mit eingearbeitet. Eine weitere für den klassischen Tolkien-Verschnitt ungewöhnliche Tatsache ist, dass die Elfen angesichts der sie bedrohenden Gefahr Wissen hervorholen, um die Waffen- und Fahrzeugtechnik der Menschen zu verbessern und einen strategischen Vorteil hieraus zu ziehen - und so fahren die Schiffe der Menschen nun mit dampfbetriebenen Saugstrahlantrieben durch die Meere und den Kosaren davon. Der Autor hat sich wohl einige Zeit mit Steampunk befasst...
Insgesamt ein für mich überraschend positives Buch, das mich mich schlussendlich auf den nächsten Band freuen lässt.