Titel: Die Ohnmächtigen Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Eine kleine Gruppe von gewöhnlichen Menschen mit ungewöhnlichen Fähigkeiten sind die Handlungsträger dieses Romans. Der Schauplatz ist das russische Sankt Petersburg. Die Menschen besitzen eine Gabe, die sie ganz normal handhaben, als ob jeder Mensch fähig wäre, eine solche Gabe zu besitzen und anzuwenden. Einer der Menschen ist in der Lage, Lügen zu erkennen; ein anderer besitzt ein unfehlbares Gedächtnis. Jemand kann den Lebensweg eines Menschen verändern, ein anderer beherrscht das Reich der Insekten; und andere Möglichkeiten finden sich ebenfalls. Bald werden politische wie auch verbrecherische Kreise auf diese Menschen aufmerksam und versuchen sie für ihre kriminellen Machenschaften einzusetzen. Die Politmafia erkennt recht schnell die Möglichkeiten, die sich ihnen hier bieten.
Der wichtigste Mensch erscheint in der Person des Meteorologen Wadim. Wadim ist in der Lage, Menschenmassen und ihre Entscheidungen vorherzusagen. Mit diesen Vorhersagen ist er in der Lage, die Entscheidungen der Menschen zu steuern. Die Politmafia versucht Wadim einzuschüchtern. Ihnen ist sehr daran gelegen, seine Fähigkeiten und Einsatzmöglichkeiten kennen zu lernen. Seine Möglichkeiten, die Welt zu ändern, liegen darin, eine Änderung der Gegenwart durchzuführen und die sich daraus resultierende Zukunft zu erkennen. Wadim kann aber nur in die Zukunft sehen, keine Änderungen bewusst herbeiführen. Die Änderungen müssen andere veranlassen. Wenn er jedoch in der Lage ist, die Manipulationen zu steuern, wird er der wichtigste Mann für die Politik. Die Politik tritt auf in der Person eines Ajatollah. Bei den bevorstehenden Wahlen in Sankt Petersburg will er die Gouverneurswahl durch die Menschen in seinem Sinn gelenkt haben.
Mit dem Roman Die Ohnmächtigen stellt uns Boris seinen zweiten Roman seit dem Tod seines Bruders Arkadi vor. Die Brüder gehörten in der ehemaligen UdSSR zu den meistgelesenen Autoren, die es auch schafften, international bekannt zu werden. Ihre phantastischen Erzählungen haben oft einen ironischen Unterton. Wie auch im vorliegenden Band sparten die Autoren nie mit Sozialkritik. Gerade in der jetzigen Zeit, wo der Ex-Geheimdienstchef und heutige Präsident Russlands, Putin, an der Macht ist, scheint es angeraten zu sein, vorsichtig zu schreiben. Daher kann ich den deutschen Titel Die Ohnmächtigen gut verstehen. Der größte Teil der russischen Bevölkerung wird sich heute genau so fühlen. Mit dem Zusammenbruch des alten UdSSR-Regimes schien es eine freie Zeit zu geben, doch heute muss wieder sehr vorsichtig geschrieben werden. Das zeigt sich an der Handlung, die diesem Buch zugrunde liegt. Für einige Leser entsteht sicherlich der Eindruck, eine flache, kaum spannende Erzählung vor sich zu haben. Werfen wir einen Blick auf Boris Strugatzkis erstes Solowerk, Die Suche nach der Vorherbestimmung, finden wir den Beginn seines Themas, ohnmächtig der politischen Macht ausgeliefert zu sein. Gerade die Wissenschaftler und anderen Intellektuellen erkennen die Gefährlichkeit des freien Wortes wieder. Aus diesem Grund wird der bestehende Roman als eine Parabel bezeichnet. Wer sich ein wenig mit der russischen Politik auskennt, wird aber mehr als nur die Parabel erkennen. Anderen Lesern wird das Land in der Beschreibung des russischen Wissenschaftlers fremd bleiben. Da fehlt seitens des Autors doch ein wenig mehr Beschreibung. Leider bleibt auch Sankt Petersburg etwas farblos. Dennoch, der Roman ist lesenswert, glänzt mit Ideen und unterschwellig mit Ideologien.