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Titel: Die Leere: Ein Tagebuch aus der Zukunft Eine Rezension von Doris Michel-Himstedt |
Der Autor empfing im Jahre 2009 auf seinem Computer eine rätselhafte Datei. Sie enthielt nicht mehr und nicht weniger als einen Bericht des Winston Edelmann, des einzigen Unsterblichen der Geschichte der Menschheit über die Zukunft des Homo sapiens. Geschildert werden wichtige Abschnitte dieser Geschichte.
Winston Edelmann ist Wissenschaftler. Er arbeitet an der Frage, wie der Mechanismus, der Krebszellen zum Wachstum treibt, genutzt werden kann und stößt dabei auf die Möglichkeit, selbst unsterblich zu werden. Einiges an seinen Genen muss geändert, ihm müssen diverse Medikamente im Lauf der nächsten Jahre zugeführt werden, aber dann ist es auch schon geschehen – Winston ist unsterblich und nur seine Kollegin Konstanze weiß davon. Sie verabreicht ihm auch die Medikamente und kontrolliert seine Fortschritte.
Ab jetzt erleben wir Winston als Chronisten der Menschheitsgeschichte. Er berichtet uns von der Durchsetzung vernünftiger Grundsätze im Leben der Bürger und folgend auch im politischen Geschehen. Im Nahen Osten Frieden geschlossen. Kriege finden nicht mehr statt. Die Menschen handeln rationaler. Es geht Ihnen gesundheitlich besser, weil sie bewusster leben. Winston freut sich darüber, war er doch bereits damals, als er sich zur Unsterblichkeit entschloss, ein großer Optimist. Diese Hinwendung zu vernünftigem Handeln ist bereits zur Mitte des 21. Jahrhunderts Wirklichkeit, so dass die Menschen den nächsten Schritt wagen. Sie beschließen, den Mars zu besiedeln. Es erweist sich als vernünftig, dass einige große Konzerne bereits eigene Staaten auf der Erde gegründet haben. Diese Konzertaaten sind natürlich, so Winston, viel besser geeignet, solch große Vorhaben anzugehen und nehmen sich einen großen Teil des Kuchens „Mars“. Der Mensch setzt sich auf dem Mars fest.
Gleichzeitig wird auf der Erde das Programm zur Optimierung der Gene immer weiter getrieben. Die Menschen sind sich um das Jahr 5.000 herum sehr ähnlich geworden. Das Leben, folgt man Winstons Schilderungen, ist zwar gefahrlos, aber langweilig. Die Individualität fehlt. Die Bevölkerung der Erde und des Mars entwickelt sich immer weiter auseinander. Selbst der Kontakt zur ersten fremden Intelligenz überlassen die Erdmenschen fast ausschließlich dem Mars.
Irgendwann geht beim Terraforming-Projekt des Mars etwas grauenvoll schief und der Planet birst auseinander. Auf der Erde droht eine andere Katastrophe – die Genoptimierungsprogramme führen jetzt, nach einigen tausend Jahren, zum unaufhaltsamen Sterben der Bevölkerung. Etwa um 10.800 a.D. stirbt der (fast) letzte Mensch. Winston Edelmann aber ist zum Leben verurteilt. Er baut sich ein Raumschiff und fliegt fortan gemeinsam mit hunderttausenden Büchern, Filmen, Musikstücken etc. viele Milliarden Jahre hindurch durch den Weltraum.
Dies ist ein merkwürdiges Buch. Die mitgelieferte kleine Literaturliste weist darauf hin, dass sich der Autor früher einmal intensiver mit möglichen Entwicklungen von Wissenschaft, Technik und Gesellschaft beschäftigt hat. Der Roman macht allerdings nicht sehr viel daraus.
Bereits während des Lesens stellen sich Fragen, die der Autor leider nicht wirklich beantwortet:
Wie gelingt es Winston, seine „Unsterblich sein“ geheim zu halten?
Wie bleibt er geistig gesund, wenn sich die Menschheit doch immer weiter von ihm entfernt?
Wie schafft er es, Milliarden Jahre allein mit seinen Literatur-, Musik- und Filmdateien durchs All zu fliegen, viel Zeit (ich weiß, ich weiß, das ist der falsche Begriff) in einem Schwarzen Loch zu verbringen, um am Ende ein kaltes, dunkles Universum anzustarren, ohne durchzudrehen?
Wie gelangen die Berichte vom Ende des Universums auf den Computer des Autors? Was soll der damit anfangen?
Was ist die Moral von der Geschicht'?
Es gibt keinen wirklichen Handlungsfaden. Winston, die Hauptfigur, handelt nur selten. Wir erfahren dass er im Lauf der Jahrtausende immer mal wieder eine Partnerin und Kinder hat, diese allerdings regelmäßig verlässt, da niemand von seiner Unsterblichkeit erfahren darf. Das macht ihn nicht sympathischer.
Obwohl der Roman vorgeblich Geschichte schildert, macht er daraus keine wirkliche Geschichte und bleibt für mich seltsam blutleer. Nichts weniger als die Historie der Menschheit und das Ende des Universums in Episoden zu erzählen – das war wohl ein zu großer Anspruch und ist dem Autor auch nicht gelungen. Schade um die Zeit.