Reihe/Serie: Die Bücher des Blutes I - VI Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Band 1:
1. Das Buch des Blutes The Books of Blood
2. Der Mitternachts - Fleischzug The Midnight Meat Train
3. Das Geyatter und Jack The Yattering and Jack
4. Schweineblut - Blues Pig Blood Blues
5. Sex, Tod und Starglanz Sex, Death and Starshine
6. Die Städte in den Bergen (auch: Im Bergland: Agonie der Städte) In the Hills: The Cities
Band 2:
1. Moloch Angst Dread
2. Das Höllenrennen Hell’s Event
3. Das Testament der Jacqueline Ess Jacqueline Ess: Her Will and Testament
4. Wüstenväter The Skins of the Fathers
5. Die neuen Morde in der Rue Morgue New Murders In Rue Morgue
Band 3:
1. Sohn von Zelluloid Son of Celluloid
2. Rohkopf Rex Rawhead Rex
3. Die Beichte eines (Pornographen) - Leichentuches Confession of a (Pornographer’s) Shroud
4. Sündenböcke Scape - Goats
5. Menschliche Überbleibsel Human Remains
Band 4:
1. Die Körper - Politik The Body Politic
2. Conditio Inhumana The Inhuman Condition
3. Offenbarungen Revelations
4. Nieder, Satan! Down, Satan!
5. Das Zeitalter der Begierde The Age of Desire
Band 5:
1. Tabu The Forbidden
2. Die Madonna The Madonna
3. Die Kinder von Babel Babel’s Children
4. Im Fleische In the Flesh
Band 6:
1. Das Leben des Todes The Life of Death
2. Wie Schänder bluten How Spoilers Bleed
3. Dämmerung über den Türmen Twilight at the Towers
4. Die letzte Illusion The last Illusion
5. Das Buch des Blutes (ein Postscriptum) The Book of Blood (a Postscript):
6. Auf der Jerusalem Street On Jerusalem Street
Die BÜCHER DES BLUTES haben ihren Namen von der ersten Kurzgeschichte des ersten Buches. Die letzten zwanzig Jahre machten aus den Büchern unter den Fans der Horror-Literatur so etwas wie Kultbücher. In dieser Zeit verloren sie nichts von ihrer fesselnden Wirkung. Die nun in zwei Büchern zusammengefassten Kurzgeschichten verloren nichts von ihrer Modernität und Originalität. Der Beginn mit der ersten Kurzgeschichte sorgt gleichzeitig für eine Art Rahmenhandlung. Die BÜCHER DES BLUTES sind grausige Geschichten, in die Haut lebender Menschen geritzt. Die grauenerregenden Erzählungen bieten für jeden hartgesottenen Horrorfan etwas. Erwähnenswert sind vor allem die hohen Qualitäten der Erzählungen. Sie reichen weit über den Standart normaler Autoren hinaus. Clive Barkers Literaturstudium machen sich in dieser Hinsicht äusserst positiv bemerkbar. Viele Leser schrieben bereits ihre Meinung zu den BÜCHERN DES BLUTES und ebensoviele Meinungen können nicht irren. Lange Zeit wurden die Bücher nicht wieder aufgelegt. Jetzt erschienen sie in einer gut gemachten Aufmachung im Area Verlag in gebundener Form.
Der erste Sammelband:
Das Buch des Blutes
erzählt vom zwanzigjährigen Simon McNeal. Simon gibt sich als ein Medium aus, der die Botschaften der Toten an die Lebenden übermittelt. Leider zahlt er mit seinen Schwindelgeschichten auf sehr grausame Weise. Die Verdammten schrieben ihre Geschichten auf seine Haut.
Der Mitternachts-Fleischzug
Die wahren Herrscher Amerikas wohnen unterirdisch in New York. Und in der Riesenmetropole verwandeln sich die U-Bahnen in Essen auf Rädern, da sie die Unterirdischen mit köstlichem Menschenfleisch versorgen.
Das Geyatter und Jack
Jack Polo ist Importeur von Gewürzgurken. Jack hat Probleme mit Konkurrenten und legt sich dabei mit einem Vertreter der Hölle an, der ihn zum Wahnsinn treiben soll. Die Hölle verlangt nach seiner Seele.
Schweineblut-Blues
Eine Mastsau besucht das Heim für schwer erziehbare Jugendliche.
Anscheinend ist die Sau die Reinkarnation eines ehemaligen Insassen. Damit haben alle schwer erziehbaren Jungs ein Problem. Ein Problem mit dem Blues.
Sex, Tod und Starglanz
Eine Theatertruppe gibt eine letzte Vorstellung mit Shakespeares ‚Was ihr wollt’. Das Publikum ist besonders elitär. Es sind die halbverwesten Bewohner des städtischen Friedhofs.
Im Bergland: Agonie der Städte
Zwei homosexuelle Briten sind im ehemaligen Jugoslawien unterwegs. Dort treffen sie auf ein sehr seltsames Schauspiel. Die Bewohner zweier Städte binden sich zu riesigen, lebenden Figuren zusammen, die gegeneinander Krieg führen. Alle paar Jahre wieder, wenn genügend Menschen zusammen kommen, findet dieser alte Kampf statt.
Moloch Angst
Ein Psychopath sucht einen Weg, seine eigenen Ängste zu erkennen und zu bekämpfen. Dies geschieht vor allem dadurch, dass er anderen Menschen die eigenen Ängste vorhält, etwa der Vegetarierin, die mit einem Stück Fleisch eingesperrt wird. In dem Verhalten, das seine mehr oder weniger ebenfalls psychopathisch veranlagten Zeitgenossen an den Tag legen, versucht Stephen Grace, seine eigene Angst zu erkennen und zu besiegen.
Das Höllenrennen
Die vorliegende Kurzgeschichte ist dann doch etwas zu banal. Bei einem Höllenmarathon geht es um den Fortbestand der Welt. Obwohl gut geschrieben wirkt diese Kurzgeschichte eher an den (des Teufels drei goldenen?) Haaren herbeigezogen.
Jaqueline Ess: Ihr Wille, ihr Vermächtnis
Die Telekinese und andere parapsychischen Kräfte waren für die Menschen schon immer ein interessantes, literarisches Feld. Clive Barker greift es auf, indem er seiner Heldin Jaqueline diese Kräfte verleiht. Während sie also feststellt, dass sie mittels dieser Kraft anderen Menschen Schaden zufügen kann, setzt sie diese auch gegen ihren widerlichen Ehemann ein. In einem Wutanfall macht sie aus ihm einen Klumpen menschlichen Gewebes, denn von dem was übrig bleibt, kann man nicht mehr von einem Menschen sprechen. Danach flieht sie und sucht jemanden, der ihr hilft, die furchtbare Krat in den Griff zu bekommen. Diese Erzählung ist aus meiner bescheidenen Sicht die Beste der drei BÜCHER DES BLUTES, die hier zusammengefasst wurden. Eine kraftvolle Erzählung, die den Leser sehr schnell gefangen nimmt und wirklich erst am Ende mit einem Aufstöhnen loslässt.
Wüstenväter
Ein amerikanischer Polizist und die Halbe Bevölkerung des Ortes macht eine fröhliche Jagd und ein entsprechendes Scheibenschiessen auf körperliche Dämonen mitten in der Wüste.
Neue Morde in der Rue Morgue
ist eine Verbeugung vor dem Meister des psychologischen Horror. Hier stand ohne Zweifel Edgar Allen Poe Pate. Auch hier ist ein mordender Affe nicht nur der Täter, sondern gewissermassen auch das Opfer. Von seinem inzwischen im Knast
sitzenden Herrn und Meister wurde ihm menschliche Merkmale antrainiert. Da sein Herr nicht mehr da ist, dreht der Affe durch und wird ähnlich Conan Doyles ‚Jack the Ripper’ zu einem Prostituiertenmörder. Der Ermittler, der sich ihm auf die Spuren setzt, lässt den Affen, als er ihn als Mörder erkennt ziehen und zieht sich auf andere Art aus dem Fall zurück.
Rohkopf Rex
Unter einem grossen Stein, auf einem dörflichen Acker, haust ein ebenso riesiges, fleischfressendes Monster. Der Bauer räumt eines Tages den Stein weg und setzt so das Monster frei. Der Rohkopf, so der Name des Monsters, macht sich über die Dörfler her, bis es mit der Statue einer Fruchtbarkeitsgöttin nähere Bekanntschaft macht.
Bekenntnisse eines (Pornographen-) Leichentuchs
Ein Buchhalter arbeitet, ohne sich dessen bewusst zu sein, für einen Pornoverkäufer. In einem Zeitungsartikel wird er damit in Verbindung gebracht. Das geht gegen sein empfindsames Gemüt und er beschliesst, dafür jemanden zur Rechenschaft zu ziehen. Leider wird er dabei umgebracht und sein ruheloser Geist schlüpft in sein eigenes Leichentuch, auf Rache sinnend.
Der Zelluloidsohn
Ein Verbrecher, an Krebs erkrankt, schleppt sich in ein Kino. In seiner letzten Vorstellung verlässt er den Bereich des Lebens. Fortan ist das Kino ein Ort des Spukens und des Schreckens. Der lebende Krebs sorgt mit John Wayne und Marilyn Monroe für eine gruselige Vorstellung mit Sex and Crime.
Sündenböcke
Ein Boot strandet mit seiner Besatzung auf einer unbekannten Insel. Auf keiner Seekarte der Welt verzeichnet sorgt sie für die Überraschung überhaupt. Hier ruhen die Toten der Meere. Doch die Ankunft des Bootes sorgt für eine unliebsame Störung. Und die hier Ruhenden werden unsanft geweckt.
Menschliche Überreste
Aus der Zeit des römischen Britanniens stammt das folgende Grab, in dem wiederrum menschliche Überreste gefunden wurden. Flavius, ein Standartenträger, so die Inschrift einer Statue. Jetzt tauchen die Überreste in der Badewanne des Archäologen Kenneth auf. Das Einzige was Falvius will ist, einen Körper für seine
Seele. Da kommt ihm der Körper des wunderschönen Strichjungens Gavin aus London gerade recht.
Die Idee mit einem Doppelgänger, dem Wunsch nach zusammenführen von Seele und Körper ist nicht neu und ziemlich ‚ausgelutscht’. zudem findet sich das Motiv von Clive Barker in ‚Hellraiser’ ebenfalls wieder. Er recyclet seine eigenen Erzählungen.
Der zweite Sammelband:
Das Leibregime
Die Hände proben den Aufstand und mittels Amputation machen sie sich selbstständig. Eine sehr absonderliche Erzählung.
Das nicht-menschliche Stadium
Mit effektvollen Knoten wurden magische Wesen in eine Schnur gebunden.
Bei einem Überfall durch eine Jugendbande fällt ihnen die Schnur in die Hände. Als die Knoten durch die Jugendlichen geöffnet werden, entweichen die die Verbannten und üben blutige Rache.
Offenbarungen
Ein Wanderprediger wird ermordet. Seine Ehefrau erhielt dabei die Anweisungen für den genauen Tathergang von einem Geist.
Erscheine, Satan!
ist die langweilige Erzählung eines verrückten Millionärs. Er baut eine Hölle um Satan und Gott gleichermassen herzulocken.
Das Zeitalter der Begierde
Endlich ist es den Wissenschaftlern gelungen das absolute Aphrodisiakum zu entwickeln. Allerdings sind die Triebe sehr stark und es bleibt nicht nur beim Wunsch, einer menschlichen Begattung. Auch Pflanzen und Wände sind vor der Versuchsperson nicht sicher. Die Erzählung schien im Anfang recht interessant, wurde aber im Lauf der Schilderung zu offen, ja fast brutal.
Das Verbotene
mag vom Leser selbst in Augenschein genommen werden. Hier soll der Hinweis ausreichen, dass Clive Barker dafür 1986 den British Fantasy Award erhielt.
Die Madonna
Zwei Geschäftsmänner wollen sich das alte verfallene Bad an der Leopold Road ansehen. Sie planen bereits damit, ohne die Rechnung mit einem
amöbenhaften Wesen zu machen. Diese Urmutter hat mit den beiden Männern jedoch ganz andere Pläne.
Babels Kinder
Clive Barker bietet eine ungewöhnliche Erklärung dafür, warum die Erde noch keinen neuen Weltkrieg hinter sich gebracht hat. In der Ägäis leben dreizehn Menschen, die die Elite der Welt darstellen. Seit 1962 wachen sie über die Erde und haben nun das Problem, langsam aber sich zu vergreisen.
Leibhaftig
Häftling Cleve hat ein Problem. In seine Zelle wird der schmächtige Billy verlegt. Billy ist ein wenig seltsam, fragt er sich doch nach dem Grab von Cleves Grossvater durch, der hier begraben sein soll. Plötzlich wird Cleve in seinen Träumen in die Stadt der Toten versetzt. Aber wie soll er Billy, der sich plötzlich in Gefahr befindet, vor Traumwesen schützen?
Das Leben des Todes
Elaine ist mit der neu entdeckten Krypta einer Abrisskirche beschäftigt. Ihr nächtlicher Besuch in der Krypta endet furchtbar. Denn die Pesttoten, die sie entdeckt, hinterlassen bei ihr einen bleibenden Eindruck. Ihre Operation, die die Entfernung eines Tumors in der Gebärmutter mit sich brachte, nahm sie recht mit.
Doch jetzt sieht sie aus wie das blühende leben selbst. Allerdings sterben ihre Kollegen nach und nach an Symptomen der Pest.
Wie Schänder bluten
ist die Erzählung simpler Rache. Die neuen Landbesitzer verjagen die Indios, denen das Land bislang gehörte. Aber die Rache wird blutig, als sich die haut ablöst und die Blutgefässe platzen.
Festungsdämmerung
ist eine Art Werwolfgeschichte, in der sich ein britischer und ein russischer Agent in Werwölfe verwandeln. Allerdings ist die Geschichte nicht nur kurz sondern auch unbefriedigend.
Die letzte Illusion
Ein Hobbymagier verschreibt seine Seele der Hölle, damit er die Gabe echter Magie erhält. Nach dem Tod versucht Satan üblicherweise die Seele des Magiers zu übernehmen. Allerdings gibt es für den Höllenherrn ein paar Probleme dazu.
Das Buch des Blutes (ein Postscriptum)
eigentlich nicht erwähnenswert
Auf der Jerusalem-Street
Im Buch eins lernten wir in der ersten Geschichte den Mann kennen, in dessen Haut diese Geschichten alle erzählt wurden. Ein Mörder nimmt sich diesen Mann vor und bringt ihn um. Der Nachteil dabei ist jedoch, dass der Mörder im nicht enden wollenden Blutstrom des Opfers ertrinkt.
Clive Barker wurde am 5. Oktober 1952 in Liverpool / Grossbritannien geboren. Bereits als Kind schrieb er Geschichten. In Liverpool studiert er Literatur und Philosphie an der Universität. Nach seinem Abschluß war er neun Jahre lang arbeitslos. Mit seiner Arbeit als Schriftsteller fand er seine ersten Erfolge als seine Theaterstücke vor vollen Häusern gespielt wurden. Erst zu Beginn der 80er Jahre wurde er mit den vorliegenden Büchern des Blutes richtig bekannt. Mit einem Schlag wurde der unbeachteten Schriftsteller in die High-Society des Horror-Adels katapultiert. Nach dem unvorhergesehenen Erfolg konnte er sich auch als Horrorschriftsteller und Filmemacher einen guten Namen verschaffen. Clive Barker konnte inzwischen seine Vielseitigkeit als Zeichner, Drehbuchautor, Regisseur und Produzent für Theater und Film unter Beweis stellen. Inzwischen schreibt er nicht nur die Geschichten, sondern er zeichnet die Bilder und die Titelbilder selbst. Viele seiner Bücher wurden inzwischen verfilmt. Das schöne an seinen Geschichten ist die Vielseitigkeit, ihre Art, dem Leser eine Gänsehaut zu verpassen, die bis St. Martin reichen würde.
Clive Barker schreibt hart an der Grenze zum blutrünstigen Splatterpunk.
Wobei man eine Grenze von zwei Seiten betrachten kann. Wer Horror und das nackte Grauen mag, der ist bei ihm gut aufgehoben. Seine Bücher mit den Kurzgeschichten sind jedoch sehr unterschiedlich in der Qualität. So ist der dritte Band für mich das schlechteste Buch des Blutes. Alle Erzählungen haben das gleiche Manko. Das Ende ist sehr schnell absehbar. Seine handelnden Personen sind jedoch alle in sich stimmig beschrieben. Es sind zum Teil Menschen wie Du und Ich, dann wieder abgehoben und etwas unglaubwürdig. Die Geschichten sind logisch aufgebaut, so dass viele seiner Erzählungen und das Ende vorhersehbar sind. Das mindert, vor allem im dritten Buch, den Lesegenuss. Während die ersten Bücher noch sehr blutig waren, wurde mit der Zeit die Erzählung einfacher, geradliniger und lebte weniger vom laufenden Blut, sondern vom Kitzel des psychologischen Horror. Clive Barker besticht durch ausgefallene Ideen, viele seiner Erzählungen fanden sich auf der Kinoleinwand wieder, und gleichzeitig stellt er seine hintergründigen Geschichten vor.