Serie: Faszination des Grauens Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Der Ich-Erzähler (dabei ist nicht klar, ob männlich oder weiblich) wohnt in einem Haus, in dem ebenfalls ein alter Mann wohnt. Da er sich von diesem und seinem blassblauem Auge bedroht fühlt, beschliesst er, den alten Mann umzubringen. Jede Nacht öffnet er die Tür, die in das Schlafzimmer des Alten führt. Ganz leise, um ihn nicht zu wecken, bleibt er im Zimmer stehen. Dabei lässt er einen lichtstrahl auf das ihm verhasste Augen fallen. Wie bei Schläfern üblich ist es geschlossen. In der achten Nacht will er noch geschickter vorgehen, doch der Alte erwacht. Letztlich tötet er den alten Mann, doch meint er, das Herz des Alten ständig zu hören. Als er sogar die Polizei in das Schlafzimmer des Opfers führt, wird das vermeintliche Klopfen immer lauter. als er meint, selbst die Polizisten würden das verräterische Herz unter dem Boden hören, gesteht er schliesslich den Mord.
Das Faß Amontillado
Es ist Karneval in Italien. Während der Feierlichkeiten in seinem Haus lockt der venezianische Edelmann Montresor seinen angeblichen Widersacher Fortunato in den Weinkeller. Montresor fühlte sich von Fortunato ungerecht behandelt und beleidigt. Verletzte Eitelkeit trifft auf ausnutzbare Eitelkeit. Fortunato gilt als Weinkenner und so ist es nicht verwunderlich, dass er völlig ahnungslos in den Gewölbekeller des Palazzo folgt. Das Ende ist bekannt, Fortunato wird eingemauert. Mord aus verletzter Eitelkeit war schon immer ein beliebtes Motiv. Herr Poe schafft es dabei die Geschichte so zu erzählen, als sei sie das Gewöhnlichste der Welt. Bis zum Schluss bleibt der Mord ungeklärt und unbemerkt. Eigentlich wissen nur zwei von dem Mord.
Montresor und der Leser.
Edgar Allen Poe ist ein Schriftsteller des Phantastischen, der Grotesken und Arabesken, und gilt weltweit als Mitbegründer der modernen Horrorliteratur. Er war ein Dichter und ein Kritiker dessen Polemiken im amerikanischen Kulturbetrieb für einige Feinde sorgten. Das Leben des Herrn Poe verlief wie auf einem Grat, wankend zwischen Genie und Suff, Geldnot und Selbstzerstörung. Wer etwas mehr über Herrn Poe lesen will, sollte sich die Biographie zulegen, die Frank T. Zumbach über ihn verfasste.
Im Jahre 1809 in Boston geboren beginnt für ihn bereits jetzt ein unstetses Leben. Seine Eltern, ein Schauspieler-Ehepaar, starben früh und er wurde von seinen Geschwistern getrennt. Ihn führt der weg nach Richmond zum Kaufmann Frank Allen. 1826 begann er mit dem Studium an der University of Charlottesville. Er schrieb bereits seine ersten Geschichten, wegen seelischer Probleme beginnt er seinen Kampf mit dem Alkohol, dem er irgendwann unterliegen wird. Als sein Adoptivvater ihm sein Studium nicht mehr finanziert, geht er zur Armee um dort nach wenigen Jahren wegen Aufsässigkeit rauszufliegen.
Nach der Heirat mit seiner 14jährigen Cousine zieht das Paar von Stadt zu Stadt, immer auf der Suche nach einem festen Arbeitsplatz für den jungen Schriftsteller. 1847 stirbt Virginia Clemm an Tuberkulose, zwei Jahre später er selbst.
Edgar Allen Poe gilt als Begründer der modernen Kriminalgeschichte. Er entwickelte Theorien und Grundsätze, die später nicht nur der Detektivgeschichte als Grundlage dienen sollten. Ein namenloser Helfer des eigentlichen Hauptdarstellers verschafft ihm die Möglichkeit, den Handelnden besser zu beschreiben und seine Motive besser verständlich zu machen. Diese Ausgabe enthält einige seiner grossartigsten Erzählungen und ist für jeden Freund schauriger Geschichten zu empfehlen. In dieser Ausgabe wurden nur Erzählungen und keine Gedichte veröffentlicht. Diese Ausgabe ist sehr gut gelungen und überaus empfehlenswert. Für einen groben Überblick ist diese Kurzgeschichtesammlung des Meisters der Grauens, wie er oft genannt wird, bestens geeignet.
Der Horror, den Herr Poe zum Gegenstand seiner Erzählungen und Gedichte macht, entspringt dem Inneren der menschlichen Psyche. Er geht nie soweit, das Grauen selbst zu Beschreiben. Er ergeht sich in Andeutungen und die Phantasie des Lesers hilft entsprechend nach. So werden die Geschichten am Rande der eigenen seelischen Abgründe auch nie gleich gedeutet, weil jede Leserin und jeder Leser etwas anderes dabei empfindet. Edgar Allen Poes Vorliebe, in einer Art morbider Vergangenheit zu Schreiben um die düsteren Geheimnisse der Seele ans Tageslicht zu bringen, versetzt den Leser in eine düstere Atmosphäre, aus der er mit einer gewissen Wehmut am Ende der Erzählung wieder auftaucht.