Titel: Das Mädchen Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Um zehn Uhr sitzt Trisha noch im Auto ihrer Mutter. Um halb elf hat sie sich im Wald verirrt. Um elf Uhr versucht sie, sich nicht zu fürchten. Nicht daran zu denken, dass Leute, die sich verirren, vielleicht nie mehr zurückkehren. Hunger und Durst, Mücken und wilde Tiere, Einsamkeit und Dunkelheit – Trisha hat dem Grauen der Wälder wenig entgegenzusetzen. Und vor allem nicht dem, was sich aufgemacht hat, sie heimzusuchen …
(Klappentext)
Während eines Streits zwischen ihrer Mutter und ihrem Bruder zieht sich die neunjährige Trisha in den Wald zurück, um kurz Wasser zu lassen. Die drei befinden sich auf einer Wanderung inmitten eines ausgedehnten Waldgebietes in der Nähe der kanadischen Grenze.
Trisha beschließt, nicht denselben Weg zurück zum Weg zu nehmen, sondern eine "Abkürzung". Diese erweist sich jedoch schnell als nicht sonderlich klug, denn das kleine Mädchen bewegt sich immer weiter vom rettenden Weg weg und in die Wildnis hinein. Schlussendlich erkennt sie auch selber, dass sie sich verirrt hat und macht sich, ausgestattet mit einer unerschütterlichen kindlichen Logik und Naivität auf den Weg zurück in die Zivilisation. Korrekterweise folgt sie dabei einem Bach und beschäftigt sich während ihrer Wanderung im Geiste immer wieder mit ihrem Baseball-Helden Tom Gordon. Gott sei Dank hat sie ihren Walkman dabei, und so kann sie auch das aktuelle Spiel ihres Lieblinsgsportlers mitverfolgen, hört aber auch in den Nachrichten, wie Hundertschaften ausströmen, nach ihr zu suchen. Trisha verletzt sich, kämpft sich durch bissige Moskitoschwärme und bekommt einen Brechdurchfall durch den Verzehr von Pflanzen, die eigentlich nicht auf ihrer täglichen Speisekarte stehen.
Immer mehr gerät das Mädchen auf seiner Wanderung in eine Art Delirium, betreibt Konversation nicht nur mit Tom Gordon, sondern auch mit einer sehr mutigen Version ihrer selbst und einer nicht ganz fassbaren Aura des Bösen, die ihr auf dem Weg durch den Wald folgt.
Ja, Stephen King kann auch Jugendbücher schreiben. Empfohlen wird dieser Roman vom Verlag für ein Alter von 12 bis 13 Jahren, und somit sollte auch klar sein, dass Erwachsene nicht das vorfinden werden, was sie überlicherweise von King-Romanen kennen. Kein unsägliches Böses wie in ES, keine brutale Psychoanalyse wie in SHINING oder in CARRIE. Hier ist mehr der feine Grusel gefragt. Die Leser können sich mit Trish identifizieren und sich selbst fragen, was sie an dieser oder jener Stelle selbst gemacht hätten. Zwar verwundert der überragende Mut und die Abgeklärtheit des Mädchens angesichts ihres Alters, aber grundsätzlich spielt das keine Rolle. Die Beschreibung des Charakters trifft auch ältere Kinder hart genug. Leider gerät Stephen King immer wieder in sein typisches Labern, hier vor allem über den Bereich Baseball, einen Sport mit dem wir Mitteleuropäer wohl wenig anfangen können. Diese Episoden bremsen etwas den flüssigen Lesefluss und man stolpert über die eine oder andere Beschreibung, die speziell auf ein amerikanisches Publikum gemünzt ist und auch nicht weiter erklärt wird.
Das Buch wirkt wie ein Survivaltraining im Schnelldurchgang und King führt die Leser souverän auf einen gruseligen Trip durch einen undurchdringlich und grenzenlos erscheinenden Wald. Leider ist das Ende etwas abrupt geraten und schmälert den Abgang.
Das Mädchen - die Rezension von Erik Schreiber