Reihe: Das Buch Raguel Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Das Buch Raguel, das in Deutschland in zwei Teilen erschien, ist der umfangreichste Roman, den die ungarischen Autorin geschrieben hat. 1948 hatte ihn Mária Szepes bereits im Groben fertig ausgearbeitet, doch benötigte sie fast dreißig Jahre, um ihn endlich fertigzustellen und in ihrer Heimat zu veröffentlichen. Mária Szepes bezeichnet Das Buch Raguel als ihr Magnum Opus, ihr eigentliches Hauptwerk. Trotzdem blieb es immer tief im schöpferischen Schatten des bekannteren Buches Der rote Löwe.
1990 und 1991 erschien Das Buch Raguel in einer in acht kleine Einzelbände aufgeteilten und verkürzten Version. Der Roman schildert in Episoden die Lebens- und Leidenswege von sechs Männern und einer Frau. Diese sieben Personen sind gänzlich verschiedenster Nationalität und entstammen den unterschiedlichsten Berufen. Jede Erzählung - das ist bei allen gleich gehalten - beginnt mit der Kindheit der jeweiligen Person. Die Unschuld der Kinder des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts weicht bald den Zwängen der Gesellschaft, in die sie hineingeboren wurden. Durch die lange Zeit, in der an dem Buch gearbeitet wurde, wirkt der Text ziemlich antiquiert, die Wortwahl ist nicht gerade modern. Geschildert werden in diesen Episoden die Leben der Menschen, ihre leidenschaftlichen Liebesbeziehungen ebenso wie ihre leidenden Beziehungen untereinander. Ob nun Leid und Leidenschaft, Tod und Tragik oder Magie und Mystik, es sind schicksalshafte Verkettungen, die das Leben der Handlungsträger beeinflussen. In alle Episoden sind gruselige wie mythische Elemente eingefügt.
Der Ort der Handlung ist sinnigerweise das Schweizer Schloss Mythenburg. Nach dem zweiten Weltkrieg treffen sich sieben Personen auf Einladung des Schlossherren Raguel. Niemand kennt diesen Mann persönlich, niemand kennt die anderen sechs Personen, die ebenfalls eingeladen sind. Während sie auf die Ankunft oder ein Wort des Schlossherren warten, führen sie nur wenige Gespräche, doch fühlen sie sich alle zueinander hingezogen. Sie sind sich auf unterschiedliche Weise sympathisch, ohne es begründen zu können.
Raguel ernennt die sieben Personen zu spirituellen Helfern. Die Sieben als Zahl ist selbst mystisch vorbelastet und spielt eine große Rolle in der Erzählung. Die sieben Handlungsträger sollen als zukünftige Begleiter der Menschheit helfend und vermittelnd eingreifen. Die verbindende Person des Schlossbesitzers ist nicht ganz geklärt. Angeblich steckt hinter Raguel eine uralte biblische Gestalt. Bis zum Ende des Buches bleibt dieser Inhalt jedoch im Dunklen. Im Gegenteil wird in einer etwas verworren erscheinenden mystischen Handlung die Vergangenheit mit der Zukunft in Einklang gebracht. Allerdings ist diese Teilhandlung mit religiöser Symbolik überfrachtet und mutet dem Leser einiges zu.
Die Barke der Isis
stellt die französische Historikerin dar. Ihr Geliebter starb durch Selbstmord. In ihrem Sohn glaubte sie eine Wiedergeburt ihres Geliebten zu sehen, bis dieser als Baby stirbt.
Der Wagen des Mars
wird von John Carter (eben jenem Marshelden von Edgar Rice Burroughs) dargestellt. John ist mit magischen Fähigkeiten gesegnet, die ihm aber nicht immer nützlich sind. Vor allem nicht, als er die falsche Frau heiratet.
Der Weg des Hermes
wird von einem französischen Psychologen beschritten. Er ist zugleich Spiritist und hat als Aufgabe, einen verrückten Wissenschaftler zu besiegen. Dieses bekannte Klischee eines Mad Scientist ist der Sohn dreier Schwestern.
Der Tempel des Jupiter
Der ungarische Poet und Schriftsteller György gehört zu den Rosenkreuzern. Seine Geliebte hat seinen Bruder geheiratet. Mit ihr begeht er Ehebruch.
Der Pfad der Venus
ist der einsame Virtuose und Komponist. In der Abgeschiedenheit findet er, der spiritueller Helfer der Menschheit werden soll, selbst einen spirituellen Meister.
Die Höhle des Saturn
stellt den jüdischen Physiker und Kosmologen dar, der in den Vereinigten Staaten von Amerika eine Academia Okkulta gründete. (Siehe dazu auch die beiden gleichnamigen Bücher der Autorin).
Phaetons Wagen
ist nicht etwa die neue Großraumlimousine von Volkswagen, obwohl diese genau hiervon ihren Namen ableitet. In diesem Fall ist es die Person des norwegischen Geologen. Der Vater des Geologen verschwand während einer Mount-Everest-Expedition und durchschreitet in Tibet nun die Hölle und den Himmel auf der Suche nach Wahrheit.
Der Roman ist spannend erzählt und enthält einiges an historischen wie auch biographischen Einzelheiten. Allerdings neigt Mária Szepes zu belehrenden Längen, wenn es darum geht, sich mit der Einführung in okkulte Themen, wie Rosenkreuzer, Kabbala, Zahlenmystik und weiteres aufzuhalten. Die alte Dame des Okkulten glänzt in jedem Fall nicht nur mit ausgefallener Handlung, sondern mit einem hervorragenden Allgemeinwissen. Zudem greift sie in ihren Büchern im Allgemeinen und in diesem insbesondere immer wieder auf literarische Vorlagen zurück. Vor allem sind das der Schauerroman sowie überliefertes okkultes Wissen. Sicherlich gehört sie zu den Eingeweihten. Von der Art ihres Schreibens würde ich Mária Szepes selbst zu den Rosenkreuzern zählen, ohne ihr jetzt etwas zu unterstellen. Beweisen kann ich diese Aussage jedoch nicht und das bleibt daher nur eine Vermutung von mir.