Reihe: Die Legende von Ash (Teil 1) Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Dr. Pierce Ratcliffe ist Historiker und entdeckt einige verschollene Dokumente, die ihn erkennen lassen, dass sich die europäische Geschichte im Spätmittelalter ganz anders abspielte. Er liest die Geschichte von Ash, die im 15. Jahrhundert lebte. Sie wuchs als Waise in einem Söldnerhaufen auf und mit 14 Jahren gründete sie ihre eigene Kompanie. Für diese Kompanie erfand sie die Fahne mit dem azurblauen Löwen. Dr. Ratcliffe kann sein Glück nicht fassen, als ihm die alte Handschrift in die Hände fällt. Die Beschreibung des Mädchens Ash ist zwar etwas seltsam, aber stammt aus der richtigen Zeit. Lediglich ihr schlechtes Latein macht ihm zu schaffen. Kurzerhand beschließt er, sich einen Verlag zu suchen und die Rechte für die Veröffentlichung zu sichern.
Mit ihren Männern schlägt Ash eine Schlacht nach der anderen und ihr Banner wird bald zu einem Symbol der Unbesiegbarkeit. Doch dann erlebt Europa eine neue Bedrohung aus dem Morgenland. Und sie scheint keine menschliche, sondern eine übernatürliche Gefahr darzustellen. Diese Geschichte schlägt den Historiker Ratcliffe voll in ihren Bann. Jedoch mit einem kleinen Nachteil, denn nicht nur Ratcliffe, sondern auch seine Lektorin Anna Longman werden durch diese Erzählung verwirrt. Die Geschichte, wie sie sie kennen, scheint ganz anders verlaufen zu sein, als die Geschichte der Ash. Ash ist nicht wie Jeanne D’Arc eine heilige Jungfrau, sondern eine fluchende, gewalttätige Söldnerführerin. Dr. Pierce Ratcliffe versucht mit seinen Möglichkeiten, die letzten Monate von Ash zu rekonstruieren, wobei er natürlich die lateinische Sprache in eine lesbare Schrift umsetzt. In frühester Jugend vergewaltigt, kann Ash ihren Angreifer umbringen. Danach erfolgt eine Söldnerausbildung, wie sie niemand sonst als Frau im Mittelalter erhalten hat. Zumindest ist mir außer der bereits erwähnten Jeanne D’Arc keine bekannt. Mit der Zeit bemerkt Ash aber ihre innere Stimme, die mit der Zeit immer lauter wird. Sie selbst setzt diese mit einem Löwen in Verbindung, der ihr Banner zieren wird. Dabei beschränkt sich die innere Stimme lediglich auf militärische Ratschläge, die ihr einen Sieg nach dem anderen schenken. Daher kann Ash immer mehr Männer um sich scharen, die an ihrem Erfolg teilhaben wollen.
Dr. Ratcliffe erkennt eine Geschichte, die mit einem grünen Christus, einem leeren heiligen Stuhl, Westgoten mit Golems und Ähnlichem mehr als seltsam ist. Sein Geschichtswissen - und das der Leser - wird gründlich erschüttert. Wenn möglich, sollte man die vier in Deutsch erschienen Bücher in einem Stück lesen. Sie sind im Umfang zwar gut doppelt so dick wie das Original, aber nicht weniger spannend.
Mary Gentle ist eine fabelhafte Autorin, die in der Lage ist, nicht nur eine spannende Erzählung zu schreiben, sondern auch eine geschichtlich fundierte. An der Erzählung erkennt der Leser unweigerlich Gentles Hang zur Genauigkeit. Ihr Wissen in Geschichte verdankt sie ihrem Studium, ebenso das Wissen um mittelalterliche Kriegswissenschaften. Ihr Lebensgefährte Dean Wayland unterrichtete sie zudem in der Kunst des Schwertkampfes.