Reihe: Chelo Lee, Band 2 Eine Rezension von Simon Haffner |
Brenda Coopers Roman „Das silberne Schiff“ ist die Fortsetzung ihres Buches „Sternenwind“ und damit der zweite Band ihrer phantastischen Trilogie, deren dritter Teil derzeit noch nicht auf Deutsch erschienen ist.
Die Handlung ist zweigeteilt: Einerseits geht es um Chelo Lee und ihren Freund Liam, die von Kayleen auf einen anderen Kontinent des Planeten Fremont entführt werden. Letztere möchte sich dort gemeinsam mit den anderen eine neue Existenz aufbauen, da sie aufgrund ihrer genetischen Modifikation kaum von den Bewohnern der Stadt Artistos akzeptiert wird – hatten diese doch einen harten Krieg gegen die modifizierten Kolonisten führen müssen, so dass sie den Modifizierten nicht wohl gesonnen sind.
Anderseits geht es um Chelos Bruder Joseph, der mit einer kleinen Gruppe Personen von Fremont aufgebrochen ist und nun die Heimat seiner Eltern, Silberheim, erreicht. Dort angekommen, erfährt er, dass sich eine Gruppe Söldner auf den Weg gemacht hat, um die Bewohner Fremonts zu vernichten. Er fliegt wieder in Begleitung seiner Freunde und einiger weiterer Begleiter, darunter sein Vater, zurück nach Fremont, um seine Schwester zu retten, aber auch, um einen neuen Krieg zu verhindern.
Die Autorin erzählt ihre Geschichte in zwei Haupthandlungssträngen: in dem von Chelo und dem von Joseph. Beide sind in der Ich-Perspektive geschrieben, so dass es ein wenig verwirrend ist, als die beiden Handlungsstränge zusammenlaufen: Ab hier werden die Ereignisse wechselnd aus Chelos und Josephs Sicht geschildert und manchmal ist nicht gleich ersichtlich, wer nun der Erzähler ist.
Cooper kann mit einer komplexen Welt punkten: Sie stellt die Unterschiede zwischen Fremont und Silberheim, zwischen Modifizierten und normalen Menschen ausführlich dar. Auch gibt sie sich große Mühe, die Handlungsorte präzise zu skizzieren, was ihr durchaus gelingt.
Ein weiterer Pluspunkt ist, dass man sich, wenn man „Sternenwind“ nicht kennt, schnell und ohne große Verständnislücken einlesen kann.
Zu den großen Schwächen des Romans zählt vor allem die fehlende Spannung. Trotz detaillierter Schilderung der Umgebung fehlen dem Ganzen Lebendigkeit und Emotionen. Der Leser wird nicht mitgerissen, nicht geschockt, nicht gespannt – das macht das Buch mit seinen 584 Seiten zum Teil sehr langatmig und hemmt die Motivation, weiterzulesen. Schade ist auch, dass manche Dialoge immer wieder durch lange Einschübe unterbrochen werden und so von der Handlung abgelenkt wird.
Man hat den Eindruck, als lebe der Roman eher von den Schilderungen seiner Gesellschaften und Orte als von seinen Protagonisten.
Brenda Coopers Konzept hinter „Das silberne Schiff“ ist zweifellos interessant und auch ein wenig von Fragen der Gegenwart geprägt, verliert aber leider durch seine Umsetzung. Vielleicht ein paar Einsparungen bei den Beschreibungen, mehr Dialoge und mehr Handlung könnten eine deutliche Verbesserung erreichen.
Das Buch verliert zudem durch schlechtes Sprach- und Stilgefühl. Ich weiß nicht, ob das der Autorin oder dem Übersetzer geschuldet ist, die Logikfehler und die teils unsinnigen Sätze beschädigen diesen Band unnötig. Ich möchte da mal vier Beispiele anführen:
„In dieser seltsamen Welt konnten wir nicht gleichzeitig gegen Jenna und Marcus kämpfen.“ (S. 191)
Dieser Satz stimmt inhaltlich nicht: Mit „wir“ sind Joseph und seine Geliebte Alicia gemeint, Joseph versteht sich im Gegensatz zu seiner Freundin gut mit Jenna und weder er noch sie kämpfen gegen Markus, mit dem sie zu jenem Zeitpunkt verhandeln. Die Aussage, Joseph und Alicia würden die beiden anderen bekämpfen, ist schlichtweg nicht richtig, allenfalls enorm übertrieben.
„Jenna legte eine Hand auf Tialas freie Schulter.“ (S.193)
Hier wäre es schöner gewesen, „die Hand“ anstatt „eine Hand“ zu schreiben, da Jenna einarmig ist und an dieser Stelle noch keine Prothese erhalten hat; kein direkter Fehler, aber nicht gerade schön.
„Ich erinnerte mich an den Aberglauben, dass drei Monde Glück brachten. Also würden wir uns mit zweien begnügen müssen.“ (S.552).
„Also“ ist hier definitiv der falsche Ausdruck. Denn „also“ suggeriert, dass der Inhalt des zweiten Satzes eine Folge des ersten sei. Das ist natürlich nicht richtig: Sie mussten sich deshalb mit zwei Monden begnügen, weil nur zwei schienen, nicht, weil drei Monde ein Glückssymbol waren. Der Satz sollte sich eigentlich auch auf den ersten des Zitats beziehen, da hieß es nämlich:
„Heute ist eine Zweimondnacht.“ (S. 552). Aber an der Stelle, an der der Satz steht, wäre beispielsweise „doch“ deutlich besser gewesen.
„Am Ende der Reihe bemerkte ich Klia, die mich aufmerksam ansah. Ohne Zorn. Oder vielleicht doch ein wenig.“ (S. 557)
Der letzte Satz ist völlig sinnfrei: Wenn er sich auf den vorherigen bezieht – und das tut er –, dann fehlt die Präposition „mit“, weil hier auf „ohne Zorn“ Bezug genommen wird und deutlich gemacht werden soll, dass eventuell doch ein wenig Zorn in dem Blick war. Von dem her hätte es „Ohne Zorn. Oder vielleicht doch mit ein wenig.“ heißen müssen.
Als letztes möchte ich darauf hinweisen, dass sich die Inhaltsangabe auf dem Buchrücken kaum mit dem Inhalt der 584 Seiten deckt. Da hätte man den Rücken besser freigelassen.
Fazit: Die Grundidee hinter diesem Roman ist an und für sich reizvoll, leidet aber gewaltig unter ihrer Ausführung. Sprachliche Stolpersteine und mangelnde Anschaulichkeit schwächen dieses Buch, das bei weitem mehr Potential gehabt hätte. Der in Teilen langatmige und überwiegend spannungsfreie Erzählstil verleitet eher zum Weglegen als zum Weiterlesen.